Parlamentskorrespondenz Nr. 851 vom 03.12.2013

EU sagt Plastiksackerln den Kampf an

Bundesrat begrüßt Initiativen zur Vermeidung des Plastikmülls sowie zur Vereinfachung der Mehrwertsteuererklärung

Wien (PK) – Der Verbrauch von dünnen Einweg-Plastiksackerln soll drastisch reduziert werden, da diese enorme Umweltschäden verursachen und vor allem Meere stark belasten. EU-Umweltkommissar Janez Potocnik hält eine Reduktion um 80% für machbar, konkret wären dies maximal 35 Sackerl pro EinwohnerIn und Jahr. Erreichen will er dies mit einer Änderung der Verpackungsrichtlinie, die heute im EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert und weitgehend begrüßt wurde.

Die Richtlinie soll in Hinkunft die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten eröffnen, für dünne Einweg-Plastiksackerl mit einer Wandstärke unter 50 Mikron - das sind 0,05 mm - Handelshemmnisse zu erlassen. Diese Kunststofftüten werden seltener wiederverwendet als Kunststofftaschen aus stärkerem Material. Den Mitgliedstaaten wird dabei freigestellt, welche Maßnahmen sie ergreifen. Möglich sind etwa Verbote, Beschränkungen, Abgaben oder spezielle Kennzeichnungen. Die Schritte müssen innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der Richtlinie gesetzt werden, in zwei Jahren, also frühestens 2015, ist darüber zu berichten. 

Die enorme Menge an weggeworfenen Kunststofftaschen hat sich zu einem nicht mehr übersehbaren Umweltproblem entwickelt. So findet sich in den Meeren bereits eine bedrohlich hohe Ansammlung an derartigem Treibgut, das langlebig ist und noch Hunderte von Jahren überdauern kann. Zwischen Malta und Gibraltar ist der Meeresboden zu 35% von Plastikmüll bedeckt. Auch österreichische Gewässer sind davon nicht verschont. Wie Bundesrat Stefan Schennach (S/W) betonte, sind 40% des Bodenseegrunds betroffen, die Fische ernähren sich zum Teil schon von Plastikplankton. Berechnungen zufolge wurden 2010 über 8 Milliarden Plastiksackerl weggeworfen und nicht der Abfallwirtschaft zugeführt.

Laut Schätzungen benutzte im Jahr 2010 jeder und jede EU-BürgerIn 198 Kunststofftaschen, davon wahrscheinlich 90% aus dünnem Material. Dabei sind in den einzelnen EU-Ländern große Unterschiede festzustellen. Während in Dänemark oder Finnland nur 4 Plastiktaschen verbraucht werden, liegt dieser Wert etwa in Polen, Portugal und der Slowakei bei rund 470. Österreich hat sich mit einem Verbrauch von 51 Sackerln pro Jahr bereits sehr nahe dem EU-Ziel angenähert.

Trotz des geringen Anteils von Kunststofftragtaschen am gesamten Abfall (ca. 0,8 kg Kunststoff pro EinwohnerIn und Jahr) wurde seitens des Lebensministeriums im Jahr 2011 ein 5-Punkte Programm initiiert. Darunter fallen eine Kooperation mit dem Handel zur Plastiksackerlvermeidung, ein Pilotprojekt zum verstärkten Einsatz von abbaubaren Verpackungsmaterialien, Bewusstseinsbildung zur Steigerung der Abfallvermeidung, Evaluierung bestehender Regelungen in anderen EU-Ländern bezüglich Kunststofftragtaschen und die Anregung, eine Kennzeichnungspflicht für Plastiksäcke durch die EU-Kommission zu prüfen. Diverse Supermarktketten haben bereits freiwillig Schritte gesetzt, vermehrt biologisch abbaubare Tragtaschen anzubieten oder nur mehr solche zu verwenden, die mehr als 80% Kunststoff-Recyclingmaterial enthalten. Manche Geschäfte bieten überhaupt keine Plastiksackerl mehr an.

Auch andere Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen, wie Bundesrat Edgar Mayer (V/V) erfuhr. So dürfen Plastiksackerl in Großbritannien nicht mehr kostenlos abgegeben werden, in anderen Ländern werden darauf Steuern eingehoben, Italien hat trotz EU-Vorschriften ein Verbot eingeführt.

Kritische Stimmen aus der Wirtschaft

Unter den zahlreichen positiven Wortmeldungen zu dem Vorhaben waren auch einige kritische Töne zu hören. Vor allem für die Wirtschaftskammer zielt der Vorschlag in die falsche Richtung, zumal er nicht bei jenen Ländern ansetzt, die über ein schlechtes Abfallwirtschaftssystem verfügen. Österreich hingegen sei bei der Müllentsorgung weit fortgeschritten und auch die Bevölkerung gehe mit, führte der Vertreter der Kammer ins Treffen. Außerdem gehe die Richtlinie nicht auf Alternativen zu den Plastiksackerln und auf die Konsequenzen für die KonsumentInnen ein. Alternativen seien auch daran zu messen, ob sie ihre Funktion erfüllen.

Der Einwand, dass Staaten wie Österreich gegenüber anderen Ländern, die bei der Abfallentsorgung großen Aufholbedarf haben, benachteiligt sein könnten, wurde durchaus von einigen BundesrätInnen geteilt, wie etwa von Cornelia Michalke (F/V), die einmal mehr Eingriffe in nationale Regelungen befürchtete. Bundesrat Franz Perhab (V/St) wandte ein, die Wirtschaft produziere diese Dinge nicht zum Selbstzweck, sondern weil die KundInnen dies wollten. Daher müsse seiner Meinung nach mehr Bewusstseinsbildung erfolgen. Perhab stellte sich grundsätzlich gegen Verbote.

Viel Zustimmung im Ausschuss

Im Gegensatz dazu, meinte Bundesrat Stefan Schennach (S/W), der Vorschlag gehe in eine richtige und notwendige Richtung und es sei erfreulich, dass die EU diesen Schritt wagt. Wien verfolge schon lange die Absicht, ein Plastiksackerlverbot einzuführen, sei aber an die Grenzen der EU-Binnenmarktgesetzgebung gestoßen. Das würde sich nun durch den vorliegenden Entwurf ändern. An Beispielen aus Wien, etwa vom Brunnenmarkt, versuchte Schennach zu beweisen, dass die KonsumentInnen bei einem entsprechenden Angebot von Alternativen wie Stofftaschen, bereit seien, sich umzustellen. Ähnlich argumentierte seine Klubkollegin Susanne Kurz (S/S), die der Bevölkerung hohe Sensibilität in dieser Frage zubilligte. Dieser ökologische Schritt sei aber nur ein Teil weiterer notwendiger Maßnahmen, meinte sie und bedauerte, dass die Wirtschaft nicht die Chance erkenne, auf Alternativprodukte umzusteigen. Auch Bundesrätin Ana Blatnik (S/K) und Bundesrat Ewald Lindinger (S/O) warben für Alternativprodukte. Lindinger hielt vor allem die dünnen Plastiksäcke im Bereich des Obst- und Gemüsehandels für vermeidbar und drängte darauf, den Kunststoffmüll auch im Bereich der Landwirtschaft, etwa beim Salatanbau oder bei den Siloballen, zu reduzieren.

Susanne Kurz sprach auch kritisch die Bioplastiktragtaschen an, wobei ihr der Vertreter des Lebensministeriums Recht gab, dass man bei Alternativprodukten sorgfältig vorgehen sollte. Es gebe noch immer zahlreiche sogenannte Bio-Produkte mit hohem Kunststoffanteil, der in die Nahrungskette kommen kann, erläuterte er.

"Endlich kann Österreich auch weitreichendere Maßnahmen ergreifen", freute sich Bundesrat Marco Schreuder (G/W) und unterstrich damit, dass die Richtlinie den Rahmen schaffe, den man nun auf nationaler Ebene ausnützen müsse. Unglücklich zeigte er sich über die Unterscheidung zwischen dünnen und dicken Plastiksackerln, zumal es um die gefährdete Fläche, die mit Plastikmüll bedeckt ist, gehe. Wenn auch 51 Sackerl pro ÖsterreicherIn gut klingen, so komme man doch auf 400 Mio. Sackerl pro Jahr allein in unserem Land, und das sei nicht wenig, machte er aufmerksam.

Vereinfachte Mehrwertsteuererklärung soll Unternehmen Erleichterung bringen

Auf der Tagesordnung des Ausschusses stand ferner der Vorschlag für eine Änderung der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie. Sie soll durch die vorgesehene Standardisierung dazu beitragen, den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen zu verringern. Vor allem sind grenzüberschreitend tätige Unternehmen mit 28 verschiedenen Vorschriften konfrontiert, weshalb eine Standardisierung zu Erleichterungen führt. Die Bundesrätinnen und Bundesräte begrüßten den Vorschlag unisono und erfuhren aus dem Finanzministerium, dass Sonderpauschalen oder die Landwirtschaft davon nicht betroffen sind.

Laut EU-Plan sollen die Kennziffern in den Mehrwertsteuererklärungen vereinheitlicht werden, vorgesehen sind 5 obligatorische und 21 optionale. Des Weiteren beabsichtigt die EU, die Vorschriften für die Jahreserklärungen aufzuheben. Kleinstunternehmen mit einem Umsatz von weniger als 2 Mio. € sollen ihre Standard-Mehrwertsteuererklärung vierteljährlich abgeben können – in Österreich liegt die Grenze für Kleinstunternehmen bei 100.000 €. Diese Änderung könnte zu größeren Budgetausfällen führen, befürchtet das Finanzministerium, weil sich die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer dann um zwei Monate verschieben würden.

Auch hinsichtlich der Reduzierung der Kennziffern zeigt sich das Ressort etwas zurückhaltend, da einige Daten für eine aussagekräftige Risikoanalyse für notwendig angesehen werden. Weiters könnte laut Finanzexperten und der Wirtschaft selbst die Abschaffung der jährlichen Mehrwertsteuererklärung etwa durch den Wegfall von Berichtigungsmöglichkeiten Nachteile für Unternehmen bringen.  Grundsätzlich begrüßt das Ministerium aber die Bemühungen um die Reduzierung bürokratischer Vorschriften, wie dessen Vertreter betonte. Man werde in den Verhandlungen versuchen, eine Balance zu finden, merkte er an. (Fortsetzung EU-Ausschuss Bundesrat) jan


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