Parlamentskorrespondenz Nr. 860 vom 05.12.2013

Volksanwaltschaft lebt vom Prinzip der Einmischung

Bundesrat diskutiert 36. Bericht der Volksanwaltschaft

Wien (PK) – "Die Volksanwaltschaft lebt vom Prinzip der Einmischung, Unzuständigkeit gibt es nicht", sagte Volksanwalt Peter Fichtenbauer im heutigen Bundesrat. Sie wolle "Sorgenbrecherin" sein, ergänzte Getrude Brinek. Diese von den beiden genannten Prinzipien werden bei der Lektüre des 36. Berichts der Volksanwaltschaft für das Jahr 2012, der heute diskutiert wurde, einmal mehr deutlich. 15.659 Beschwerden sind in diesem Jahr eingelangt, das sind 63 pro Tag, die bearbeitet werden müssen. Uneingeschränkte Anerkennung und Wertschätzung für die Tätigkeit der VolksanwältInnen zog sich daher auch als roter Faden durch alle Wortmeldungen. Der Bericht wurde schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen.

Die Bundesrätinnen und Bundesräte widmeten sich in ihren Wortmeldungen insbesondere auch der neuen Aufgabe der Volksanwaltschaft, als zentrale Monitoringstelle für Menschenrechte unangekündigte Kontrollen in Einrichtungen durchzuführen, in denen Menschen unter Einschränkung ihrer Freiheit untergebracht sind. Die Übernahme dieser Aufgabe und der damit verbundene Umbau innerhalb der Organisation sei gut gelungen, attestierten die RednerInnen unisono den VolksanwältInnen. Die diesbezüglichen Beanstandungen im Bericht betreffen etwa die inadäquate medizinische Versorgung in vielen Gefängnissen und generelle Ressourcenknappheit in Heimen. Deutliche Kritik übt die Volksanwaltschaft auch an der langen Verfahrensdauer am Asylgerichtshof.

Die FPÖ legte gemeinsam mit den Grünen einen Entschließungsantrag vor, der darauf abzielt, der Volksanwaltschaft auch die Möglichkeit zu geben, ausgegliederte Gesellschaften zu überprüfen und sie damit in dieser Beziehung mit dem Rechnungshof gleichzustellen. Der Antrag blieb jedoch in der Minderheit, da er weder von SPÖ noch von ÖVP unterstützt wurde.

Am Beginn der Sitzung wurden Brigitte Bierbauer-Hartinger (S/St), Hans-Jörg Jenewein (F/W), Werner Herbert (F/N), Peter Oberlehner (V/O) und Klaus Fürlinger (V/O) als neue Mitglieder in der Länderkammer angelobt.

Darüber hinaus hat die Freiheitliche Fraktion eine Dringliche Anfrage an Finanzministerin Maria Fekter betreffend UNICREDIT Bank Austria, Abgabenhinterziehung eingebracht.

Ein eindrucksvolles Dokument, das nachdenklich stimmt

In der Debatte zum vorliegenden Bericht der Volksanwaltschaft sprach Bundesrat Stefan Schennach (S/W) von einem "eindrucksvollen Dokument, das nachdenklich stimmt". Er konzentrierte sich dann vor allem auf die neue Aufgabe der Institution, eine präventive Kontrolle zur Wahrung der Menschenrechte auszuüben. Die Volksanwaltschaft werde damit zum "Menschenrechtshaus der Republik", formulierte Schennach und hob insbesondere den diesbezüglichen Sonderbericht hervor, der deutliche und erschreckende Tatsachen hervorbringe. Abgesehen von den unhaltbaren Zuständen im Asylwerberheim auf der Saualm in Kärnten seien große Mängel in Polizeieinrichtungen sowie bei Abschiebungen, Unterbringung von Minderjährigen und der Barrierefreiheit festzustellen, beklagte er. Mit diesem Aufgabenbereich werde der präventive Menschenrechtsschutz auf eine breite Basis gestellt, betonte auch der Vorarlberger ÖVP-Bundesrat Edgar Mayer. Damit spanne die Volksanwaltschaft einen breiten Bogen von der Prävention bis zur Kontrolle im Interesse des Menschenrechtsschutzes, sagte er und wies darauf hin, dass sich aus diesem neuen Auftragsfeld bereits 133 neue Geschäftsfälle ergeben haben. Die Balance zwischen behördlichen Aufträgen und Interessen einerseits und der Wahrung der Menschenrechte andererseits sei oft sehr schwierig, warf Bundesrat Werner Herbert (F/N), selbst Polizeibeamter im Zivilberuf, ein. Was die Saualm betrifft so verteidigte er den ehemaligen Landeshauptmann Dörfler, der aufgrund der Missstände die Schließung vollzogen hat.

Die Präventionsmaßnahmen bedeuten eine große Verantwortung, gab Volksanwalt Günther Kräuter zu bedenken. Die eingesetzten Kommissionen für Menschenrechtsfragen haben bereits rund 600 Besuche absolviert und einige konkrete Erfolge erzielen können. So seien in eigenen Pflegeanstalten etwa aufgrund der Prüfung psychotrope Medikamente abgesetzt, die Ärztepräsenz angehoben, das Personal aufgestockt und bauliche Veränderungen vorgenommen worden. Auch Volksanwalt Peter Fichtenbauer unterstrich die Bedeutung der menschenrechtlichen Obsorge. Beide sind sich dessen bewusst, dass es hier noch einer großen Bewusstseinsbildung bedarf.

Bei Barrierefreiheit noch viel zu tun

Auch wenn die Volksanwaltschaft das Vorgehen in den Verwaltungseinrichtungen durchaus positiv beeinflusst und deren Anregungen auch Gesetzesänderungen zur Folge haben, führe die Arbeit in vielen Fällen nicht zum Ziel der gewünschten Änderung, räumte Kräuter ein. Er kritisierte vor allem den Pflegeregress in der Steiermark und appellierte an die ParlamentarierInnen, vor allem im Bereich der Barrierefreiheit mitzuhelfen, um Lücken zu schließen. Menschen mit Behinderung sind so zu behandeln, wie alle anderen auch, machte er deutlich. Man müsse endlich weg von der Fürsorge und hin zur Inklusion. Damit rannte er in der Länderkammer offene Türen ein, insbesondere auch bei den Bundesräten Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W). Man müsse die Gesetze überprüfen, um noch stärker den Antidiskriminierungsschutz sicherzustellen, konstatierte Schennach.

Bundesrat Werner Herbert thematisierte auch die ungelöste Frage der Entsorgung von Kriegsrelikten und meinte, es könne nicht sein, dass Gundstücksbesitzer etwa für die Entsorgung von Fliegerbomben die Kosten tragen müssten. Er zeigte sich damit eines Sinnes mit Volksanwalt Peter Fichtenbauer, der einwarf, die derzeitige Vorgehensweise sei eines Rechtsstaats unwürdig, denn Hausbesitzer seien nicht kriegführende Parteien gewesen.

Mehr Rechte für die Volksanwaltschaft?

Prinzipielle Fragen wurden insbesondere von Bundesrat Efgani Dönmez (G/O) angesprochen. Er forderte die Einrichtung von Landes-Volksanwaltschaften in allen Bundesländern, nicht nur in Tirol und Vorarlberg, und wünschte sich, dass die VolksanwältInnen das Rederecht in sämtlichen Landtagen erhalten. Dies alles diene der Bürgernähe und Transparenz, war er überzeugt. Dönmez stieß sich ebenfalls am Amtsgeheimnis, dem auch die Volksanwaltschaft unterliegt, denn dadurch werde der Informationsfluss verhindert und blockiert, meinte er. Dem Wunsch nach einem Rederecht in den Landtagen schloss sich auch Volksanwalt Günther Kräuter an. In jenen Ländern, wo es keine eigene Volksanwaltschaft gebe, sei die Bundesvolksanwaltschaft zuständig, erläuterte Gertrude Brinek und bekräftigte die gute Zusammenarbeit mit den KollegInnen in den Ländern, um gemeinsame Maßstäbe sicherzustellen.

Volksanwältin Brinek präsentierte auch eine Publikation der Volksanwaltschaft unter dem Titel "Junge Menschen und ihre Rechte", die sich an SchülerInnen sowie Erwachsene wendet, die mit Jugendlichen zu tun haben. Eine solche halte sie deshalb für wichtig und notwendig, weil sich der Staat nicht entwickeln könne, solange sich in den Herzen und Köpfen der Kinder kein Rechtsbewusstsein entwickelt. (Fortsetzung Bundesrat) jan


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