Parlamentskorrespondenz Nr. 886 vom 17.12.2013

Wettbewerb und sozialer Ausgleich sind keine Gegensätze

Bundeskanzler Werner Faymann präsentiert im Nationalrat Regierungserklärung

Wien (PK) – "Die Heimat wird dann am besten weiterentwickelt, wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen". Diesen Appell richtete Bundeskanzler Werner Faymann am Schluss seiner Regierungserklärung, mit der er heute im Plenum des Nationalrats gegenüber den Abgeordneten das Programm der neuen Koalitionsregierung von SPÖ und ÖVP vorstellte. Der Appell an Gemeinsamkeit zog sich genauso als roter Faden durch seine Rede wie sein Plädoyer für die Vereinbarkeit von Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Ausgleich.

Stabile Finanzen und die Schutzfunktion des Staates

Wettbewerb und sozialer Ausgleich sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander, unterstrich Faymann. Die Aufgabe, diese beiden Faktoren zu sichern und auszubauen, stelle daher eine prioritäre Aufgabe für die Regierung dar, bekräftigte er. Ein friedliches Zusammenleben setze voraus, dass der Staat für seine BürgerInnen Schutzfunktion dort ausübt, wo sie notwendig ist. Das betreffe vor allem den Bildungsbereich, aber auch wo Menschen von ihren Pensionen leben müssen und wo Menschen der Pflege bedürfen. Die Balance zwischen diesen Herausforderungen einerseits und dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und stabiler Finanzen andererseits sei in Zeiten der Wirtschaftskrise eine besonders schwierige Aufgabe, räumte er ein. Man werde daher dort sparsam sein, wo öffentliche Haushalte gefordert sind, hohe Leistungen effizient zu erbringen. Faymann rief daher die Abgeordneten dazu auf, die Diskussion konstruktiv zu führen, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass soziale Leistungen abgesichert und ausgebaut werden können. Denn ohne gerechte Gesellschaft gibt es auf Dauer keine stabile Basis für eine funktionierende erfolgreiche Volkswirtschaft, ohne ausreichende und gute Bedingungen für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft fehlen umgekehrt die Mittel, um in soziale Sicherheit oder Bildung zu investieren, hielt Faymann fest.

Zugleich gab er zu bedenken, dass es ohne Veränderungen nicht möglich sein werde, den derzeit hohen Status in Österreich zu halten. Österreich bringe seit vielen Jahren den Beweis, dass Leistung und Erfolg sowie Verantwortung und Fairness in keinem Widerspruch zueinander stehen. Das Land punkte im internationalen Vergleich mit guten Zahlen und habe damit die Basis für die Weiterentwicklung der Schutzfunkton des Staates und für die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit geschaffen. Als einen wesentlichen Pfeiler für diesen Erfolg nannte Faymann die Bereiche Bildung, Ausbildung sowie Forschung und Entwicklung. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, müsse man für stabile Finanzen sorgen, damit man auch in Hinkunft von den internationalen Märkten gut beurteilt werde. Das bringe niedrige Zinsen auf Staatsanleihen, und wie erfolgreich Österreich auf diesem Weg sei, zeige die Tatsache, dass sich 2013 die Zinsen auf dem historisch niedrigsten Stand befanden. Der Bundesknzler bekräftigte, Österreich auf diesem hohen Niveau halten und 2016 einen ausgeglichenen Haushalt des Gesamtstaats erreichen zu wollen.

Sparsamkeit ist notwendig, aber kein Selbstzweck

Sparsamkeit sei notwendig, aber kein Selbstzweck, stellte Faymann in diesem Zusammenhang unmissverständlich fest, weshalb es notwendig sei, auch in Zukunft beste Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu schaffen. Sorge bereitet ihm vor allem die steigende Zahl der prekären Arbeitsverhältnisse, die besonders junge Menschen treffen. Man dürfe die Gesellschaft nicht auf Kosten der Jungen auseinanderbrechen lassen, betonte er, man dürfe Ungerechtigkeit in der Gesellschaft nicht hinnehmen. Deshalb setze die Regierung auf Schritte zu mehr Gerechtigkeit, keinesfalls setze sie aber auf Paukenschläge. Den Weg vieler Länder in Europa, Massensteuern, wie etwa die Mehrwertsteuer, zu erhöhen sei man nicht gegangen, weil dies eine unfaire Maßnahme darstelle, und die Haushalte in einem hohen sozialen Ausmaß belaste. Vielmehr gehe es darum, den erforderlichen Spielraum für notwendige Investitionen zu schaffen, wobei man sich nicht alles leisten könne, was man sich gerne leisten würde, gestand er ein.

Von Steuern über Pflege bis Arbeitsmarkt und Bildung

Deshalb sei man übereingekommen, die Gruppenbesteuerung einzuschränken, die Steuerbegünstigung bei Managergehältern ab 500.000 € abzuschaffen, den Solidaritätszuschlag für Bestverdiener zu verlängern und den Sicherungsbeitrag bei privilegierten Pensionen einzuführen. Man werde auch den Kampf gegen Steuerbetrug fortsetzen, denn dies sei kein Kavaliersdelikt. Weiters kündigte er die Umstellung der Bankenabgabe unter Beibehaltung des derzeitigen Aufkommens auf die Bilanzsumme an.

Die gewonnenen Spielräume werden eine Anhebung der Familienbeihilfe ermöglichen, zeigte sich der Kanzler überzeugt und stellte weitere Offensivmaßnahmen in Aussicht, um die Konjunktur zu unterstützen. Faymann nannte in diesem Zusammenhang Hochwasserschutzmaßnahmen, den Ausbau der schulischen Tagesbetreuung sowie der Kinderbetreuungseinrichtungen, die Forschungsförderung, den Wohnbau, das Pflegegeld und die 24-Stundenpflege, die Verlängerung des Pflegefonds und die Senkung der Lohnnebenkosten. Auch der Ausbau ganztägiger Schulen werde weitergeführt und die Regierung plane, ganztägige Schulklassen mit verschränktem Unterricht pro Schulstandort anzubieten, wodurch das Prinzip der Freiwilligkeit gewahrt bleibe. Faymann ging damit auf die noch verbreitete Skepsis gegenüber verschränkten Ganztagsklassen ein. Erforderliche Maßnahmen im Bildungsbereich betreffen ferner jene Jugendlichen, die nicht über ausreichende Grundkenntnisse und einen Pflichtschulabschluss verfügen. Hier müsse man ansetzen und den Jugendlichen mit Nachholbedarf eine Ausbildung bis zum 18. Lebensjahr anbieten, so Faymann.

Auch das Ziel, am Arbeitsmarkt Fairness durchzusetzen stehe ganz oben auf der Prioritätenliste, sagte der Kanzler und machte aus seiner kritischen Haltung zu den All-In-Verträgen keinen Hehl. Man werde all das, was mit Korrektheit, Fairness und Anstand zusammenhängt, konstruktiv mit den Sozialpartnern verhandeln, unterstrich er und kündigte zudem die Einführung eines Bonus-Malus-Systems an, um Unternehmen zu motivieren, ältere MitarbeiterInnen zu behalten und einzustellen.

Ziel der Regierung sei es auch, das faktischen Pensionsantrittsalter bis 2018 um 1,7 Jahre auf 60,1 Jahr anzuheben, womit das Pensionsantrittsalter erstmals stärker steigen werde als die Lebenserwartung. Sollte man das Ziel nicht erreichen werde nachjustiert, stellte Faymann klar.

Ein großes Anliegen ist der Bundesregierung auch die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, weshalb die Kinderbetreuung weiter ausgebaut werden soll. Dabei setzt der Bundeskanzler auf eine enge und gute Zusammenarbeit mit den Bundesländern, um diese Aufgabe bewerkstelligen zu können. Zusammenarbeit bedarf es auch im Bereich der Landwirtschaft und des ländlichen Raums, sagte der Kanzler in seiner Erklärung. Was den Gesundheitsbereich betrifft, so liege der Schwerpunkt auf der Pflege, sowohl hinsichtlich der Betreuung zu Hause als auch hinsichtlich der mobilen Pflege. Einmal mehr hob  Faymann den Antiatomkurs hervor, weshalb man erneuerbare Energien weiterhin forcieren und auch die Effizienz beim Energieverbrauch steigern werde. Österreich setze mit seiner Energiepolitik ein Zeichen, das belege, dass es richtig gewesen sei, nicht auf Kernenergie zu setzen. Es wäre auch richtig, in Europa nicht auf Kernenergie zu setzen, merkte er an.

Faymann streifte kurz auch den Wissenschaftsbereich, den er als jenen Faktor bezeichnete, der notwendig ist, um die Schlüsselfragen der Gesellschaft zu beantworten. Hier müsse die Bedeutung der Innovationskraft für die Zukunft eines Landes ihren Niederschlag finden.

Respekt als Grundwert der Gemeinsamkeit

Zum Abschluss seiner Regierungserklärung wiederholte der Bundeskanzler die Notwendigkeit einer effizienten Verwaltung und die Durchforstung von Förderungen, um budgetäre Spielräume für mehr Fairness im Land schaffen zu können. Das gelinge nur gemeinsam, und der Grundwert dieser Gemeinsamkeit sei der gegenseitige Respekt, betonte der Kanzler. (Fortsetzung Nationalrat) jan

HINWEIS: Fotos von der Regierungserklärung finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.