Parlamentskorrespondenz Nr. 110 vom 14.02.2014

EU will justizielle Zusammenarbeit verstärken

Wolfgang Brandstetter legt Jahresvorschau der Union für 2014 vor

Wien (PK) – Das Bekenntnis zur Stärkung des wechselseitigen Vertrauens in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und der Ansatz der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen bilden auch 2014 die Grundlage der Justizpolitik der Europäischen Union. Ziel ist dabei, wie der nun vorliegende Bericht des Justizministeriums über die aktuelle Jahresvorschau (III-50 d.B. und III-515-BR/2014 d.B.) bestätigt, die weitere Stärkung der justiziellen Zusammenarbeit der nationalen Behörden in Zivil- und Strafsachen.

Zu der umfangreichen Liste an Justizvorhaben der Union heißt es im Bericht, das Justizministerium unterstütze die EU-Prioritäten prinzipiell, es werde aber darauf zu achten sein, dass diese gründlich vorbereitet werden. Darüber hinaus müsse auch die Kohärenz gewahrt bleiben und eine Verbesserung der Rechtssetzung und eine Vereinfachung und Beschleunigung angestrebt werden. Als besonders wichtig ist es aus Sicht Österreichs auch, dass die einzelnen Vorhaben keine finanziellen Mehrkosten verursachen.

Österreich befürwortet geplanten Europäischen Staatsanwalt

Nach wie vor aktuell bleibt der Plan der EU, eine Europäische Staatsanwaltschaft (EStA) einzurichten, deren Tätigkeitsbereich auf Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union konzentriert werden soll. Ein entsprechender Ratsvorschlag sieht dabei eine Zuständigkeit der EStA für Untersuchung, Verfolgung und Anklageerhebung anstelle der nationalen Staatsanwaltschaften vor. Von österreichischer Seite wird die Idee einer Europäischen Staatsanwaltschaft grundsätzlich begrüßt. Angesichts der Finanzkrise und der Budgetknappheit müsse es geradezu im Interesse Österreichs als Nettozahlerland liegen, kriminelle Machenschaften wie Betrug und Korruption zu lasten des EU-Budgets zu verfolgen und die Verantwortlichen zu bestrafen, heißt es dazu im Bericht.

Österreich kritisiert am aktuellen Vorschlag allerdings, dass die Hauptlast der tatsächlichen Ermittlungstätigkeit weiterhin bei den nationalen Behörden verbleibt und nach wie vor nationale Verfahrensbestimmungen angewendet werden. Beanstandet wird zudem auch, dass nicht nur die Führung des Hauptverfahrens, sondern auch  die gerichtliche Kontrolle des Ermittlungsverfahrens auf nationaler Ebene stattfindet. Probleme bereitet Österreich ferner die anvisierte Personallösung, der zufolge es neben einem kleinen zentralen Büro in jedem Staat ein Büro mit Staatsanwälten geben soll, die zugleich weiterhin auch ihre Funktion als nationale Staatsanwälte ausübern.

Klar ist jedenfalls für das Justizministerium die Notwendigkeit eines EU-weit einheitlichen und abgestimmten Vorgehens und einer gleichwertigen Rechtsdurchsetzung in sämtlichen Mitgliedstaaten. Eine effiziente Strafverfolgung könne nur durch eine zentrale Steuerung der diesbezüglichen Verfahren erreicht werden. Aus dieser Überlegung heraus habe Österreich auch keine Subsidiaritätsrüge gegen den Vorschlag erhoben, erklärt der Bericht.

EU plant Ausbau von Eurojust

Auf dem Tisch liegt auch der Vorschlag für eine Ratsverordnung betreffend die Agentur für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust). Aufgabe dieser Organisation ist die Förderung und Verbesserung der Koordinierung und der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Justizbehörden bei der Verfolgung schwerer, grenzüberschreitender Kriminalität in der EU. Österreich unterstützt grundsätzlich den Ausbau von Eurojust, meldet aber Bedenken bezüglich des vorgesehenen Zusammenspiels mit der EStA an und kritisiert weiters Einschränkungen des Zuständigkeitsbereichs. Ausdrücklich begrüßt der Bericht hingegen, dass Eurojust von Amts wegen tätig werden kann und nicht mehr auf ein Ersuchen einer Justizbehörde angewiesen ist.      

Verfahrensgarantien für Kinder im Strafprozess

Ein weiterer Punkt aus dem umfangreichen Vorhabenskatalog der EU betrifft Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder. Die in einem diesbezüglichen Vorschlag zusammengefassten Bestimmungen schließen teils an strafrechtliche Verfahrensstandards aus anderen Richtlinien an oder gehen inhaltlich über diese Standards hinaus. Teilweise werden aber auch Rechte vorgesehen, die für Erwachsene bisher in der EU nicht geregelt sind. Österreich erachtet in diesem Zusammenhang vor allem die Bestimmungen über das Recht auf individuelle Begutachtungen und medizinische Untersuchungen sowie die Reichweite der Verpflichtung zur audiovisuellen Aufzeichnung von Vernehmungen als zu weitgehend und sieht Probleme im Verhältnis zur Richtlinie betreffend das Recht auf Zugang und Unterstützung durch einen Rechtsbeistand. Wie der Bericht überdies betont, entspricht das österreichische Recht den sonstigen Anforderungen des Vorschlags weitgehend.

Die Jahresvorschau der Union im Strafrechtsbereich enthält ferner u.a. Vorschläge zum strafrechtlichen Schutz des Euro gegen Geldfälschung, zur gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungen und Einziehungen oder etwa betreffend Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels. Geplant ist auch eine Teilnahme der Europäischen Union an der Europarats-Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO), die von Österreich ausdrücklich unterstützt wird.

Europäisches Kaufrecht: Österreichische Bedenken gegen optionales Rechtsinstrument

Im Zivilrechtsbereich sticht zunächst der Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht heraus. Ziel der Kommission ist dabei die Schaffung eines für grenzüberschreitende Verträge anwendbaren und von den Vertragsparteien wählbaren Rechtsinstruments, das eine in allen Mitgliedstaaten einheitliche fakultative zweite Regelungsschiene zu den nationalen Rechtsordnungen darstellen soll. Von der Regelung wären sowohl Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern als auch zwischen Unternehmern und KMUs zu erfassen. Wie das Justizministerium dazu im Bericht anmerkt, hat Österreich an dem Projekt zwar grundsätzlich Interesse, bevorzugt aber das Modell einer bloßen "tool box" für den Gemeinschaftsgesetzgeber. Einem optionalem Regelungsinstrument in Form einer EU-Verordnung steht das Ministerium skeptisch gegenüber.

Ein von den Vertragsparteien wählbares europäisches Kaufrecht begünstige im Ergebnis den jeweils Stärkeren im Vertragsverhältnis, zumal dieser faktisch die Wahl eines gemeinsamen Kaufrechts gegenüber seinem Kontrahenten bestimmen könne, argumentiert der Bericht. Für den Verbraucher sei ein optionales Instrument jedenfalls eine fremde Rechtsordnung und bringe keine Vorteile, während hingegen das Internationale Privatrecht im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz praktisch immer zum Heimatrecht des Konsumenten führe, heißt es weiter. Nicht gelten lässt der Bericht auch das Argument, ein optionales Instrument wäre zur Ankurbelung des grenzüberschreitenden Handels dringend erforderlich. Nicht die unterschiedlichen nationalen Vertragsrechte, sondern vielmehr Sprachschwierigkeiten, verschiedene Währungen, unterschiedliche kulturelle Gegebenheiten oder auch die fehlende Vertrautheit mit ausländischen Märkten und die Unsicherheit von Verbrauchern über die Seriosität eines aus weiter Ferne agierenden Anbieters würden Konsumenten von einer stärkeren grenzüberschreitenden Nachfrage abhalten, stellt der Bericht dazu fest.     

Weitere Vorhaben: Vom Urheberrecht bis zum Ehegüterrecht

Weitere Vorhaben der Europäischen Union auf dem Gebiet des Zivilrechts betreffen etwa Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen – ein entsprechender Vorschlag stößt auf Skepsis seitens des Justizministeriums -, die Überarbeitung des EU-Besitzstands im Urheberrecht, ein neues Konzept für scheiternde und insolvente Unternehmen, aber auch die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Ehegüterrecht sowie im Güterrecht eingetragener Partnerschaften. (Schluss) hof