Parlamentskorrespondenz Nr. 311 vom 09.04.2014

Krim-Krise: Kurz setzt weiter auf Gespräche

Appell des Außenpolitischen Ausschusses für Demokratie und Menschenrechte in der Ukraine

Wien (PK) – Im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland unterstützt Außenminister Sebastian Kurz grundsätzlich den Drei-Stufen-Plan der EU, betonte aber, man sollte so lange wie möglich auf Gespräche setzen. Bei einer aktuellen Aussprache mit den Abgeordneten des Außenpolitischen Ausschusses bekräftige der Außenminister überdies, Österreich werde seinen Vorsitz im Europarat für eine aktive Rolle zur Lösung der Krise nutzen und nicht bloß "eines von 28 Ländern der EU" sein. Rückenwind erhielt Kurz dabei auch durch einen mit breiter Mehrheit angenommenen Entschließungsantrag, in dem SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach zur Gewährleistung von Demokratie, Menschenrechten und Minderheitenrechten in der Ukraine aufrufen und dabei auch die Möglichkeit einer Bündnisfreiheit Kiews ansprechen. Auch ein Bericht über das EU-Arbeitsprogramm auf dem Gebiet der Außenpolitik wurde vom Ausschuss mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Weiters genehmigten die Abgeordneten einen Waffenhandelsvertrag, der nun erstmals internationale Kontrollstandards für Waffenexporte bringt, und stimmten Änderungen beim Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu. Giftgaseinsatz im Bürgerkrieg soll damit als Kriegsverbrechen geahndet werden, für das Verbrechen der Aggression wiederum ist nunmehr eine Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs vorgesehen.

Den Ausschuss passierten darüber hinaus auch ein Amtssitzabkommen mit der Internationalen Organisation für Migration, ein Abkommen mit Zypern über die Verwendung von Flughäfen im Fall von Evakuierungen aus Drittländern sowie ein Rahmenabkommen zwischen der EU und den Philippinen betreffend Partnerschaft und Zusammenarbeit. Breiter Konsens bestand auch in Bezug auf die Verankerung der Millenniumsziele als Basis der Kooperation mit den ärmsten Staaten in Afrika, der Karibik und im Pazifischen Raum und über eine diesbezügliche Aufstockung des österreichischen Beitrags.

Ukraine: Kurz will Europarats-Vorsitz für aktive Rolle Österreichs nützen

Die Krise in der Ukraine sei einer der wesentlichen Schwerpunkte des derzeitigen österreichischen Vorsitzes im Europarat, schickte Sebastian Kurz voraus. So unterstütze man ausdrücklich die Arbeiten Kiews an einer neuen Verfassung und helfe bei der Aufklärung der Gewalt am Maidan. Besonderes Anliegen sei auch die Situation der Minderheiten. Eine in die Ukraine entsandte Expertengruppe des Europarats sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es bezüglich der russischen Minderheit keinen Anlass zur Sorge gebe, problematischer stelle sich allerdings die Situation der Krim-Tartaren dar.

Ausdrücklich verurteilte Kurz die Rahmenbedingungen für das Referendum auf der Halbinsel Krim und betonte, im Konflikt mit Russland unterstütze Österreich grundsätzlich den Drei-Stufen-Plan der EU, meinte aber gleichzeitig, man sollte so lange wie möglich auf Gespräche setzen. Einer Meinung mit Ausschussobmann Josef Cap (S) war Kurz in Bezug auf die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Assoziierungsabkommens EU - Ukraine auf Russland bereits möglichst früh mit Moskau zu besprechen. Auch sollten die Chancen einer Überwindung des wirtschaftspolitischen Blockadedenkens durch eine Freihandelszone ausgelotet werden, unterstrich Kurz und pflichtete in diesem Punkt auch der SPÖ-Außenpolitiksprecherin Christine Muttonen bei.

Josef Cap (S) plädierte in der Debatte für eine Lösung, die auch auf die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands Bedacht nimmt, und warnte insbesondere vor einer Wiederbelebung des Kalten Krieges. Auch ÖVP-Mandatar Franz Eßl trat ebenso wie NEOS-Sprecher Christoph Vavrik für einen Dialog mit Russland ein und bekundete seine Skepsis gegenüber überzogenen Reaktionen.

Seitens der Grünen sprach Peter Pilz das geplante Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine an und meinte, der politische Teil des Vertragswerks sollte dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden. Zudem trat Pilz dafür ein, das Abkommen an die sofortige Entwaffnung der rechtsextremen Milizen in der Ukraine sowie an die gemeinsame Bekämpfung der Korruption zu koppeln. Wesentlich war für die Grünen auch eine Entwicklung der Ukraine in Richtung Neutralität, zumal man, wie Pilz zu bedenken gab, die russischen Sicherheitsinteressen ernst nehmen müsse.

Auch Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) unterstützte namens seiner Fraktion sämtliche Bemühungen, in der Ukraine eine demokratische Entwicklung herbeizuführen. Im Vordergrund müssten aber auch die legitimen sicherheitspolitischen Interessen Russlands stehen, mahnte er. Ohne Einbeziehung Russlands werde es in Europa keine Zukunft geben. Karlsböck stellte die Idee eines Puffers zwischen der EU und Russland in den Raum und verknüpfte dies mit der Warnung, die Ukraine sollte nicht zu nahe an die NATO heranrücken.

Breite Mehrheit für Ukraine-Dialog

Unterstützt wurde der Minister auch durch einen Vier-Parteien-Antrag (173/A[E]), in dem ihn die außenpolitische SprecherInnen Reinhold Lopatka (V), Josef Cap (S), Christoph Vavrik (N) und Jessi Lintl (T) aufrufen, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln in bilateralen Gesprächen sowie im Rahmen der EU, der UNO und der OSZE für die Gewährleistung demokratischer Standards und eines menschenrechtskonformen Umgangs sowie für die Absicherung der Minderheitenrechte in der Ukraine einzusetzen und dabei auch österreichische Expertise zur Verfügung zu stellen. Angesprochen wird in der Initiative auch die Möglichkeit einer Bündnisfreiheit der Ukraine bei Ausübung voller Souveränität über ihr Territorium. Darüber hinaus ersuchen die AntragstellerInnen den Außenminister, auf die Perspektive einer gemeinsamen Freihandelszone der EU mit Russland hinzuwirken. Bei der konkreten Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen der EU mit der Ukraine wiederum solle darauf geachtet werden, dass diese mit der Möglichkeit eines Freihandelsabkommens der Ukraine mit Russland kompatibel bleiben, heißt es weiter. Der Appell erhielt die Stimmen von SPÖ, ÖVP, Team Stronach und NEOS.  

Weitere Themen: EU-Erweiterung, Menschenrechte

Was die EU-Erweiterung betrifft, bekräftigte Kurz in der Aussprache die österreichische Schwerpunktsetzung in Richtung Westbalkan. Den Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill (G) und Claudia Durchschlag (V) gegenüber meinte er, Serbien sei auf einem ausgezeichneten Weg, Bosnien-Herzegowina hingegen biete einen weniger positiven Ausblick. Mit Nachdruck sprach sich der Minister in diesem Zusammenhang gegen eine Sonderlösung aus. Die Kriterien der EU-Erweiterung dürften nicht an die Situation einzelner Länder angepasst werden, vielmehr müssten die Beitrittskandidaten die EU-Standards erfüllen, stand für Kurz außer Streit. Besorgt zeigte sich Kurz auch über die Lage in der Türkei, die von FPÖ-Mandatar Andreas Karlsböck aufs Tapet gebracht wurde. Ankara scheine den Weg der Reformen zu verlassen, die Entscheidung zu den neuen Medien sei jedenfalls ein falsches Signal gewesen, gab er zu bedenken.

In der arabischen Region sah Kurz "Licht und Schatten", wobei er Team Stronach-Sprecherin Jessi Lintl gegenüber die Bereitschaft Österreichs bekräftigte, 500 syrische Flüchtlinge zusätzlich zu jenen direkt aufzunehmen, die bereits über Asylanträge ins Land gekommen sind. Von den Abgeordneten Reinhold Lopatka (V) und Tanja Windbüchler-Souschill (G) auf den Iran angesprochen, betonte Kurz, die Atomverhandlungen würden gut verlaufen. Man werde bei den Gesprächen mit Teheran aber auch auf die Menschenrechtslage hinweisen. Den Holocaust zu leugnen, wie dies jüngst der oberste religiöse Führer des Iran getan hatte, könne jedenfalls nicht hingenommen werden, war für Kurz klar. FPÖ-Abgeordneter Karlsböck erinnerte überdies an die Verfolgung der Christen und lenkte die Aufmerksamkeit des Ministers auf das Schicksal von Saeed Abedini im Iran und Kenneth Bae in Nordkorea. Kurz versicherte, diese Fälle in seinen bilateralen Kontakten anzusprechen.

Daten und Fakten für die Debatte konnten die Abgeordneten auch einem Bericht (III-62 d.B.) des Außenministeriums über das EU-Arbeitsprogramm im Bereich Außenpolitik entnehmen, der vom Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen, Team Stronach und NEOS zur Kenntnis genommen wurde.

Waffenhandel soll international strenger kontrolliert werden

Bis auf die NEOS genehmigten alle Fraktionen einen Waffenhandelsvertrag (26 d.B.), der erstmals internationale Regeln für den Handel mit konventionellen Waffen aufstellt und Waffenexporte bei massiven Verstößen gegen Völkerrecht und die Menschenrechte verbietet. Insbesondere verpflichten sich die Unterzeichner, bei Exportentscheidungen Kriterien wie die Auswirkungen auf Frieden und Sicherheit, Weiterleitungsgefahr und geschlechtsspezifische Gewalt zu berücksichtigen.

Mehrheitlich angenommen von SPÖ, ÖVP und Grünen wurde eine Ausschussfeststellung zum Vertrag, eingefordert von Peter Pilz (G). Festgehalten wird darin, Ziel des Vertrags sind möglichst strikte Kontrollen im weltweiten Waffenhandel. Außenminister Sebastian Kurz wies darauf hin, dass Österreich bei Waffenexporten über weit strengere Standards als die meisten Länder verfüge. Mit der internationalen Vereinbarung würden die heimischen Kriterien nicht gemindert, unterstrich er, vielmehr müssten andere Staaten nunmehr ihre Exportkontrollen verschärfen, wodurch sich auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle ergäben.

Giftgaseinsatz im Bürgerkrieg gilt als Kriegsverbrechen, Aggression wird international strafbar

Teils mehrheitlich, teils einstimmig sprachen sich die Abgeordneten auch für Änderungen beim Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (27 d.B., 28 d.B.) aus, die den Straftatbestand des Kriegsverbrechens auf den Einsatz bestimmter Waffen und Geschosse im Bürgerkrieg, so etwa Giftgas und Napalm, ausdehnen und zudem eine Zuständigkeit des Strafgerichtshofs für das Verbrechen der Aggression schaffen. Die Änderung des Artikels 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs lehnte die FPÖ allerdings ab.

Ausschuss genehmigt Amtssitzabkommen mit der Internationalen Organisation für Migration

Ebenfalls ohne die FPÖ stimmte der Ausschuss für die Annahme eines Abkommens (13 d.B.) zwischen Österreich und der Internationalen Organisation für Migration, das insbesondere den rechtlichen Status der Organisation in Österreich und den Sitz ihrer Büros in Wien regelt.

Abkommen mit Zypern soll Evakuierungen durch das Bundesheer erleichtern

Ein einstimmig vom Ausschuss verabschiedetes Abkommen mit Zypern (15 d.B.) bringt nun rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung von Flughäfen in Zypern im Fall von Evakuierungseinsätzen und regelt in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Rechtsstellung der österreichischen Bundesheersoldaten auf der Insel. Zweck der Maßnahme ist es, die Evakuierung österreichischer Staatsangehöriger vor allem aus dem Krisengebiet im arabischen Raum durch Verkürzung der Transportwege via Zypern zu optimieren.

Breites Votum für Hilfe an die ärmsten Staaten und für Partnerschaft mit den Philippinen

Österreich wird auch in Hinkunft seinen Beitrag zur Armutsbekämpfung in den ärmsten Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raums, den sogenannten AKP-Staaten, leisten. Ein mehrheitlich von SPÖ, ÖVP, Grünen, Team Stronach und NEOS genehmigtes Abkommen (5 d.B.) bildet die Grundlage für die Teilnahme an der Dotierung des diesbezüglichen Europäischen Entwicklungsfonds und sieht eine Gesamtleistung Österreichs von rund 731 Mio. € für den Zeitraum von 2014 bis 2020 vor. Darüber hinaus sollen nun durch eine Revision des Cotonou-Abkommens (71 d.B.), das mit der gleichen Mehrheit den Ausschuss passierte, die Millenniums-Entwicklungsziele als Basis für die Kooperation mit den AKP-Staaten verankert werden. Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ermögliche gerade auch bei Menschenrechtsfragen, positiv auf Partnerländer einzuwirken, erinnerte Außenminister Kurz. Er reagierte damit auf die Anmerkung der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, grobe Menschenrechtsverletzungen, etwa in Bezug auf die Rechte Homosexueller, prägten den Alltag in vielen AKP-Ländern.

Weiters gab der Ausschuss einstimmig Grünes Licht für ein Abkommen (29 d.B.), das einen Rahmen für eine umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der EU und den Philippinen schafft. (Fortsetzung Außenpolitischer Ausschuss) hof/rei