Parlamentskorrespondenz Nr. 343 vom 24.04.2014

RH-Präsident Moser: Klare Verantwortlichkeiten in der Budgetpolitik

RH-Ausschuss über Budget und Kontrollarchitektur in der EU

Wien (PK) – Die Budgetentwicklung der Europäischen Union im Jahr 2011, die Entwicklung des österreichischen EU-Beitrags und der Rückflüsse aus Brüssel sowie die Verwendung der Fördermittel und die Diskussion um eine neue Kontrollarchitektur der Europäischen Union beschäftigten heute den Rechnungshofausschuss unter dem Vorsitz seiner Obfrau Gabriela Moser. Österreich erhielt 2011 1,876 Mrd. € an EU–Mitteln, wobei die Landwirtschaft den größten Anteil an den Rückflüssen hatte, die einem Sektor zugeordnet werden können. Der Nettobeitrag Österreichs zur EU stieg 2011 um 128,16 Mio. € auf 805,11 Mio. €. Österreich nahm damit die neunte Position in der Reihe der elf Nettozahler ein, an deren Spitze Deutschland lag. Dies entnahmen die Abgeordneten dem dazu vorliegenden Bericht des Rechnungshofes (III-41 d.B.), den sie schließlich einstimmig zur Kenntnis nahmen.

Mit Freude registrierten die Abgeordneten, dass Österreich bei der Umsetzung der im Juni 2010 gestarteten neuen Wachstumsstrategie "Europa 2020" sein nationales Ziel bei der Schul– und Ausbildungsabgängerquote bereits Ende 2011 zur Gänze erfüllte, mit einer Beschäftigungsquote von 75,2 % über dem "Europa 2020"–Ziel und beim Investitionsvolumen über dem EU–Niveau rangierte. In sechs Überprüfungen hat der Europäische Rechnungshof in Österreich festgestellt, dass die Überwachungs– und Kontrollsysteme in der Landwirtschaft "bedingt wirksam" und jene in der Entwicklung des ländlichen Raums "wirksam" sind.

Mit dem Europäischen Rechnungshof arbeite er partnerschaftlich und vertrauensvoll sowie unter Wahrung seiner Unabhängigkeit zusammen, berichtete Präsident Moser. Für die Jahresrechnung 2011 der EU habe der EU-Rechnungshof keine uneingeschränkte Zuverlässigkeitserklärung (ZVE) abgeben können, weil nur zwei Ausgabenbereiche ("Verwaltungs– und sonstige Ausgaben" und "Außenbeziehungen, Außenhilfe und Erweiterung") nicht in wesentlichem Ausmaß mit Fehlern behaftet waren. Die geschätzten Fehlerquoten bei Zahlungen für den EU–Haushalt als Ganzes waren von 2006 bis 2009 von 7,3 % auf 3,3 % stetig zurückgegangen, stiegen 2010 aber auf 3,7 % und 2011 weiter auf 3,9 % an.

Durchgesetzt haben sich der Europäische Rechnungshof und die Obersten Rechnungskontrollbehörden (ORKB) der Euro-Länder mit ihrer Forderung nach einer externen Kontrolle des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Im ESM–Vertrag und in der ESM–Satzung wurde eine externe öffentliche Finanzkontrolle durch einen Prüfungsausschuss (Board of Auditors) verankert, der sich aus fünf Mitgliedern zusammensetzt, zwei Mitglieder davon werden von ORKB der ESM–Mitglieder und ein Mitglied vom EU-Rechnungshof entsandt. Ein Rotationsmodus stellt die gleichberechtigte Teilnahme des Österreichischen Rechnungshofes an der Kontrolle des ESM sicher, berichtete Rechnungshofpräsident Josef Moser den ParlamentarierInnen.

Abgeordnete wollen Kontrolle, Transparenz und weniger Bürokratie

In der Debatte wertete Abgeordneter Erwin Preiner (S) den Bericht des Rechnungshofes als Beleg dafür, wie sehr Österreich und seine Regionen vom EU-Beitritt profitiert haben. Ausdrücklich positiv sah Preiner auch die Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Rechnungshof und dem Österreichischen Rechnungshof. Freude zeigte der Abgeordnete über die Erfüllung europäischer 2020-Ziele durch Österreich in Bereichen der Bildung und Beschäftigung bereits im Jahr 2011. Preiner unterstrich die Notwendigkeit beschäftigungsfördernder Maßnahmen und drängte darauf, die Mängel bei der Kontrolle der Almwirtschaft zu beseitigen. Dort sei Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen, so Preiner, der  Handlungsbedarf bei der Kontrolle der Verwendung von Agrarförderungen registrierte, zugleich aber für eine Vereinfachung des Fördersystems und für Erleichterungen bei der Antragstellung sowie für Bürokratieabbau und Transparenz eintrat.

Abgeordneter Johann Singer (V) registrierte positiv, dass Österreich 100 % der möglichen Strukturfonds-Mittel in Brüssel abholt, regte aber Verbesserungen an, um Zeitverzögerungen bei der Inanspruchnahme der Mittel zu vermeiden. Singer ging auch auf die regional unterschiedliche Inanspruchnahme von EU-Mitteln ein und befasste sich mit Fehlern auf EU-Ebene, die es dem Europäischen Rechnungshof  2011 unmöglich gemacht haben, eine uneingeschränkte Zuverlässigkeitserklärung zu erteilen.   

Angesichts der von Rechnungshofpräsident Moser dargestellten Bemühungen auf EU-Ebene, eine neue europäische Kontrollarchitektur zu schaffen, sah Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) die österreichischen Parlamentarier vor der Aufgabe stehen, darüber nachzudenken, welche EU-Aufgaben der österreichische Rechnungshof künftig übernehmen soll und welche nicht. Zanger kritisierte außerdem einen "kontrollfreien Raum" bei der Verwendung von EU-Mitteln in der Größe von 400 Mio. € und zeigte sich besorgt über die Zunahme des Nettobeitrags Österreichs während der letzten Jahre.

Abgeordneter Leopold Steinbichler (T) problematisierte die Feststellung, der größte Teil der EU-Mittel werde für Agrarförderungen ausgegeben und meinte, "nur 20 % dieser Mittel kommen tatsächlich im Bauernhaus an". Denn zu den Agrarmitteln zählten auch soziale Förderungen sowie Mittel für Wirtschaft, Arbeitsplätze, Umwelt und Regionen, meinte Steinbichler. Die Erfahrungen mit dem Chaos bei der Almbewirtschaftung sollten laut Steinbichler Anlass sein, über die Einführung einer Beraterhaftung nachzudenken.

Positiv beurteilte Abgeordneter Rainer Hable (N) die neuen Instrumente der EU-Haushaltskoordinierung - Sixpack, Twopack und Fiskalpakt -  hinsichtlich ihrer "heilsamen Wirkungen auf die Budgetpolitik". Sie bringen mehr Transparenz und mehr Disziplin in die Haushalte. Hable fragte sich aber, ob diese Instrumente ausreichten, um den geplanten Budgetpfad einzuhalten. Weiters interessierte sich Hable für die Entwicklung der europäischen Kontrollarchitektur, verlangte, Lücken bei der Prüfung von Direktförderungen zu schließen und forderte eine Ausdehnung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes.

Josef Moser für klare Verantwortlichkeiten in der Budgetpolitik   

Rechnungshofpräsident Josef Moser bestätigte, dass Österreich sein 2020-Ziel bei der Beschäftigungsquote bereits erreicht habe, sah in anderen Bereichen aber weiterhin Handlungsbedarf, insbesondere bei der Steigerung der Effizienz im Bildungssektor. Einen Prüfbericht samt Empfehlungen zum Thema "Almwirtschaft" kündigte Moser für den kommenden Sommer an.

Bei den Rechnungshofkontrollen auf EU-Ebene sah Moser die Notwendigkeit, konkret statt nur pauschal festzustellen, wo Fehler verursacht werden. Moser schlug auch häufigere Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Risikoprüfungen vor und empfahl ein  Mehr an Kontrolle bei weniger Verwaltung. RH-Empfehlungen zur Vereinfachung des Förderungswesens enthalte der Rechnungshofbericht zum Österreichischen Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL), teilte Moser an dieser Stelle mit. Um EU-Mittel zeitgerechter als bisher in Anspruch nehmen zu können, wären klarere und bessere Planungen notwendig, sagte Moser, fügte aber hinzu, er gehe davon aus, dass Österreich seine EU-Mittel abholt. Der richtige Ort für eine Diskussion über regionale Unterschiede bei der Inanspruchnahme von EU-Mitteln seien laut Präsident Moser die Landtage.  

Zur Frage nach dem zuletzt gestiegenen Nettobeitrag Österreichs zur EU erklärte der RH-Präsident, Vergleiche der jährlichen Nettobeiträge würden durch Einmaleffekte wie Mehrwertsteuerrückvergütungen verzerrt, das erkläre die relativ geringen Nettobeiträge der Jahre 2006 und 2007 und den relativ starken Anstieg danach.

Bei der positiven Beurteilung der neuen EU-Instrumente zur Haushaltssteuerung stimmte der Rechnungshofpräsident mit Abgeordnetem Rainer Hable (N) überein. Um die Haushaltsziele zu erreichen, werde es aber notwendig sein, in einem zweiten Schritt die Verantwortlichkeiten klarer als bisher festzulegen. Dazu gehört für Moser auch die Einführung eines kohärenten Rechnungswesens für Bund, Länder und Gemeinden. Für die EU-Ebene schlug der Rechnungshofpräsident die Einführung eines Begutachtungsverfahren für die Rechnungshöfe vor. Hinsichtlich der EU-Bemühungen um eine neue Kontrollarchitektur sah der Rechnungshofpräsident den Nationalrat dazu aufgerufen, zu klären, welche Rolle der Österreichische Rechnungshof in der künftigen europäischen Kontrollarchitektur einnehmen soll. (Schluss) fru