Parlamentskorrespondenz Nr. 364 vom 29.04.2014

Nationalrat: Breite Kritik am vorläufigen PISA-Teststopp

Für Heinisch-Hosek ist letztes Wort noch nicht gesprochen

Wien (PK) – Die Entscheidung von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, wegen des Datenlecks beim Bildungsforschungsinstitut BIFIE die Teilnahme Österreichs am nächsten PISA-Test abzusagen, stieß heute im Nationalrat auf breite Kritik. Nicht nur ein Großteil der Oppositionsparteien hinterfragte die Vorgangsweise der Ministerin, auch der Koalitionspartner ÖVP bedauerte das vorläufige Aussetzen der Bildungstests. Damit sei in Zukunft faktenbasierte Bildungspolitik nicht möglich, hielt ÖVP-Abgeordneter Asdin El Habbassi fest. Einzig und allein Team-Stronach-Abgeordneter Marcus Franz begrüßte den PISA-Teststopp als Gelegenheit zur Nachdenkpause.

Das letzte Wort ist laut Heinisch-Hosek allerdings ohnehin noch nicht gesprochen. Sie sei mit der OECD in Kontakt, berichtete sie. Noch sei es aber zu früh, um etwas zu sagen.

Kritik an ihrem Vorgehen wies Heinisch-Hosek vehement zurück. Man könne nicht "flapsig" sagen, die PISA-Daten seien auf einem USB-Stick, da könne sowieso nichts passieren, hielt sie in Richtung NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak fest, der die Kurze Debatte im Nationalrat zu einer schriftlichen Anfragebeantwortung der Ministerin initiiert hatte. Schließlich umfassten die PISA-Testungen auch Kontextfragebögen mit heiklen Daten, etwa über den sozioökonomischen Hintergrund der Eltern.

Generell machte Heinisch-Hosek geltend, dass sich das Datenleck beim BIFIE als weitaus weniger spektakulär herausgestellt habe, als es ursprünglich den Anschein hatte. Vermutlich habe man es nicht einmal mit einem Datenleck, sondern mit menschlichem Fehlverhalten zu tun, meinte sie. Die kriminaltechnischen Untersuchungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen. Auch die TÜF-Prüfung im BIFIE sei noch im Laufen. Bevor sie nicht wisse, was los ist, könne sie keine weiteren Testungen verantworten, bekräftigte die Ministerin. Davon seien auch die für die Teilnahme an PISA notwendigen Feldtestungen, die im Mai durchgeführt werden hätten sollen, betroffen. Heinisch-Hosek wollte allerdings nicht ausschließen, dass es doch noch zu einer Lösung kommt. Die Kritik der Opposition, sie scheue internationale Vergleiche, wies Heinisch-Hosek ausdrücklich zurück.

NEOS-Jugendsprecher Scherak hatte zuvor kein Verständnis für die Vorgangsweise der Ministerin gezeigt. Er glaubt, dass Heinisch-Hosek die Testungen nicht wegen des Datenlecks beim BIFIE abgesagt habe, sondern vermutet andere Gründe dahinter. Schließlich seien gar keine PISA-Daten vom Datenleck betroffen gewesen, skizzierte er. Zudem gehe aus der Anfragebeantwortung der Ministerin klar hervor, dass die Datenübertragung bei PISA nicht über das Internet erfolge und in die Datensicherung auch keine Partnerfirmen des BIFIE involviert seien. Für Scherak ist die abgesagte Teilnahme am PISA-Test "eine katastrophale Ansage" Österreichs, die PISA-Ergebnisse ermöglichten es zu sehen, wo das österreichische Bildungssystem Stärken und Schwächen habe.

Der Beteuerung Heinisch-Hoseks, die Absage des PISA-Tests habe keine politischen Motive, schenkten auch FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz und Grün-Abgeordneter Harald Walser keinen Glauben. Die PISA-Daten würden weder auf einem ausländischen Server liegen noch seien sie direkt personenbezogen, sagte Rosenkranz. Es gebe kein Datenleck, das PISA in irgendeiner Form in Frage stellen würde.

Abgeordneter Walser ist mittlerweile überhaupt überzeugt, dass es gar kein Datenleck beim BIFIE gegeben hat. Vielmehr habe es sich um den kriminellen Akt eines Mitarbeiters gehandelt, erklärte er. Sogar Datenschutzexperten würden keinen Grund für die Absage des PISA-Tests sehen. Österreich gibt sich nach Meinung von Walser international der Lächerlichkeit preis, wenn es die PISA-Testungen nicht durchführt. Außer Einsparungen "von ein paar hunderttausend Euro" gebe es auch gar keinen Grund dafür.

Generell kritisierte Walser "die hartnäckige Weigerung" der Regierung aus den Ergebnissen der PISA-Tests die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und die erforderlichen bildungspolitischen Schritte zu setzen.

Verteidigt wurde die Vorgangsweise der Ministerin von SPÖ-Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann. Datensicherheit sei ein Grundrecht, es sei höchste Sensibilität geboten, bekräftigte sie. Jedes Risiko müsse ausgeschlossen werden. Schließlich könnte es sich beim BIFIE-Datenleck um einen Kriminalfall handeln. Eine vollständige Entwarnung ist nach Ansicht von Grossmann jedenfalls verfrüht.

Dass die Testungen aus politischen Gründen zurückgestellt wurden, ist für Grossmann eine unhaltbare Unterstellung. Schließlich belege PISA regelmäßig, dass die SPÖ mit ihren bildungspolitischen Forderungen, etwa einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen, richtig liege, sagte sie. Dem hielt FPÖ-Abgeordneter Rosenkranz allerdings die jüngsten PISA-Ergebnisse entgegen, die der Neuen Mittelschule kein gutes Zeugnis ausgestellt hätten.

Für ÖVP-Abgeordneten El Habbassi war es zwar eine richtige Entscheidung, die Testungen vorerst zu stoppen, da mit personenbezogenen Daten sorgfältig umgegangen werden müsse. Ein längerer Stopp verschiedener Bildungstests wäre seiner Meinung nach aber fatal, da man für Bildungspolitik Fakten brauche. El Habbassi wies überdies darauf hin, dass bereits eine Millionen Euro für den Druck von Fragebögen ausgegeben wurde. Er habe allerdings die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Tests doch stattfinden können, meinte er.

Ausdrücklich begrüßt wurde die Aussetzung des PISA-Tests von Abgeordnetem Franz (T). Man könne die Verschnaufpause nutzen, um darüber nachzudenken, was PISA überhaupt bringe und wer von PISA profitiere, erklärte er. Franz sprach in diesem Zusammenhang von einem Ranking-, Standardisierungs-, und Gleichmachungswahn im Bildungs- und Universitätsbereich, der seiner Meinung nach den Grundgedanken von Bildung konterkariert. 

Ein von NEOS-Klubchef Matthias Strolz eingebrachter Antrag, die zur Diskussion stehende Anfragebeantwortung der Ministerin nicht zur Kenntnis zu nehmen, wurde vom Nationalrat mehrheitlich abgelehnt. (Schluss Kurze Debatte/Fortsetzung Nationalrat) gs


Themen