Parlamentskorrespondenz Nr. 465 vom 21.05.2014

Skandal um Stein-Häftling sorgt auch im Nationalrat für Aufregung

Innenministerium für ÖVP Vorbild bei Strukturreformen

Wien (PK) – Der von der Wiener Wochenzeitschrift "Falter" aufgezeigte Skandal rund um einen monatelang vernachlässigten Häftling in der Justizanstalt Krems-Stein sorgte heute auch im Nationalrat für Aufregung. Der Sicherheitssprecher der Grünen Peter Pilz brachte das Thema im Rahmen der Beratungen über die Bundesfinanzgesetze 2014 und 2015 und über das neue Bundesfinanzrahmengesetz zur Untergliederung Inneres zur Sprache. Pilz meinte, derartiges sei ihm in seiner 27-jährigen Abgeordnetentätigkeit noch nicht untergekommen und hätte er auch nicht für möglich gehalten, umso mehr begrüßte er die rasche Reaktion von Justizminister Wolfgang Brandstetter, der drei verantwortliche Beamte vorläufig suspendiert hat.

Für einen heftigen Schlagabtausch mit der FPÖ sorgte der Hinweis von Pilz, dass der suspendierte Abteilungskommandant ein hoher Funktionär der FPÖ sei und auf Platz 15 der Kandidatenliste für die Europawahl stehe. Pilz forderte die FPÖ auf, Konsequenzen zu ziehen und den Betroffenen von der Liste zu nehmen, was die FPÖ zu massiver Kritik veranlasste. Pilz verfahre wie in vielen anderen Fällen, sagte Abgeordneter Herbert Kickl (F). Bevor noch der Sachverhalt geklärt sei, nutze Pilz seine Immunität zur Vernaderung und zur Kriminalisierung einer Person ohne Rücksicht auf die Menschenrechte. Kickl glaubt an eine Verkettung unglücklicher Umstände und bekräftigte, dass eine Suspendierung noch lange keine Verurteilung sei. Von einer "letztklassigen" Menschenhatz sprach auch sein Fraktionskollege Gernot Darmann.

Ausdrücklich hinter Pilz stellte sich ÖVP-Abgeordneter Johann Rädler. Er sprach von einem der schwärzesten Kapitel in der Geschichte des Justizvollzugs der Zweiten Republik und forderte gemeinsam mit seinem Parteikollegen Johannes Rauch die FPÖ auf, den suspendierten Abteilungskommandanten von der EU-Liste zu nehmen. Auch Menschen in Haft hätten ein Recht auf Sicherheit, hielt Rauch in diesem Zusammenhang fest.

Innenministerium erhält 1.000 zusätzliche Planstellen bis 2018

Was das Budget des Innenministeriums betrifft, ging es in der Debatte vor allem um die 1.000 zusätzlichen Planstellen für das Ressort und das Projekt "Moderne Polizei". Die Abgeordneten Christian Lausch (F) und Christoph Hagen (T) bezweifelten, dass die 1.000 zusätzlichen Planstellen auch zu 1.000 zusätzlichen Polizeibeamten auf der Straße führen werden. Schließlich seien von den 1.000 Stellen nur 500 für die Exekutive vorgesehen, brachte Abgeordneter Hagen vor. Rechne man das zuletzt verzeichnete Minus von 270 Köpfen bei der Exekutive ein, bleiben ihm zufolge in Summe überhaupt nur mehr 230 zusätzliche PolizistInnen übrig.

Hagen nutzte die Debatte zudem dazu, um die Forderung des Team Stronach nach einem eigenen Exekutivdienstgesetz zu bekräftigen. Die FPÖ forderte in zwei Entschließungsanträgen eine bessere Entlohnung für PolizistInnen in der Grundausbildung, mehr Planstellen bei der Polizei zur Reduktion von Überstunden sowie eine spezielle Belastungszulage für BeamtInnen in Polizeidienststellen mit besonders hoher Mehrbelastung.

In Zusammenhang mit dem Projekt "Moderne Polizei" bedauerte FPÖ-Abgeordneter Walter Rauch, dass in der Steiermark am 1. Mai die ersten acht von 23 Dienstposten geschlossen wurden. Auch Posten in unmittelbarer Grenznähe seien darunter, obwohl die Zahl der Wohnhauseinbrüche und KFZ-Diebstähle im letzten Jahr deutlich zugenommen habe, kritisierte er.

Kein Verständnis für die Kritik der Opposition am Budget des Innenministeriums hatte SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl. Trotz des Sparkurses gebe es mehr Geld und mehr Planstellen für die innere Sicherheit, unterstrich er. Gleichzeitig erinnerten er und sein Fraktionskollege Rudolf Plessl daran, dass während der schwarz-blauen Regierung 3.500 ExekutivbeamtInnen wegrationalisiert worden seien. Pendl ist überzeugt, dass das Innenministerium gut für die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen gerüstet ist.

Gerstl: Innenministerium ist Vorzeigeressort in Sachen Verwaltungsreform

Seitens der ÖVP hoben die Abgeordneten Wolfgang Gerstl und Michael Hammer die zahlreichen Strukturreformen der vergangenen Jahre im Innenministerium hervor. Durch die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, die Zusammenlegung von 31 Sicherheitsbehörden zu 9 Landespolizeidirektionen und etliche weitere Reformen sei es gelungen, 1.500 Planstellen für Exekutivaufgaben frei zu machen, gab Gerstl zu bedenken. Für ihn ist das Innenministerium in diesem Sinn ein Vorzeigeministerium. Abgeordneter Hammer sprach von einem konsequenten Weg der Professionalisierung und der Reformen.

Die beiden ÖVP-Abgeordneten Gabriel Obernosterer und Johannes Rauch wiesen darauf hin, dass auch der Tourismus von der hohen Sicherheit in Österreich profitiere. Laut SPÖ-Abgeordnetem Anton Heinzl nahm Österreich zuletzt die vierte Position unter den sichersten Ländern der Welt ein, hinter Island, Neuseeland und Dänemark. Auch beim Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei ist Österreich seiner Darstellung nach international im Spitzenfeld.

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) bedauerte, dass es nicht mehr Polizistinnen gibt. Sie führt das auch auf schlechte Rahmenbedingungen, etwa fehlende Kinderbetreuungsplätze, zurück. Um die Forderung der Grünen nach einer Öffnung des Auslandsdienstes für Frauen zu bekräftigen, brachte Windbüchler-Souschill einen Entschließungsantrag ein.

Abgeordneter Hannes Weninger (S) klagte über die massive Zunahme von rassistisch und antisemitisch motivierten Straftaten in Österreich und verwies etwa auf die Beschmierung und die Zertrümmerung von Gedenkstätten. Er regt in diesem Zusammenhang an, den im Jahr 2002 eingestellten Rechtsextremismusbericht wiederzubeleben und damit auch ein klares Signal gegen Rechts zu setzen.

Abgeordneter Gernot Darmann (F) machte darauf aufmerksam, dass das Budget für den Detailbereich Recht, Asyl und Migration heuer um rund 70 Mio. € steige, obwohl die Integrationsagenden inklusive des dafür veranschlagten Budgets von rund 30 Mio. € in das Außenministerium gewandert sind. Wenn man mehr Geld für Asylwerber bereitstelle, finanziere man auch Asylmissbrauch und die Verschleppung von Asylverfahren mit, kritisierte er. Dieses Geld fehle dann für Sicherheitsaufgaben. Ein von Darmann eingebrachter Entschließungsantrag zielte auf den Ausschluss von NGOs aus der Mitwirkung in Asylverfahren ab.

Anti-Identitären-Demonstration: Kritik an Vorwürfen gegenüber der Polizei

Thema der Debatte war auch die Gewalteskalation rund um die Anti-Identitären-Demonstration am Wochenende. Unter anderem stellten sich die Abgeordneten Christian Lausch (F) und Nikolaus Prinz (V) demonstrativ hinter die Polizei. Prinz wertete die reflexartigen Vorwürfe gegen die Polizei "von Teilen der linken Reichshälfte" als unerträglich und bekräftigte, wenn Beamte einschreiten, dann geschehe das nicht ohne Grund. Die Vorschläge der Grünen nach einer Kennzeichnung von Polizeibeamten bezeichnete er als "Gipfel der Frechheit". Wenn schon eine Kennzeichnungspflicht, dann eine für Demonstranten, meinte er, wer friedlich demonstriere, brauche sich nicht zu vermummen. Lausch hielt in Richtung der Grünen fest, die Zeiten, wo jemand in Österreich gekennzeichnet wurde, seien lange vorbei.

ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl regte an, die Polizisten mit Kameras auszustatten, um zu verhindern, dass sie zu Unrecht beschuldigt würden. Generell zeigte er sich überzeugt, dass die Polizei weder am rechten noch am linken Auge blind ist.

Auch SPÖ-Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig sprach sich gegen eine Pauschalverurteilung der Polizei aus. Die Polizei leiste unter schwierigen Bedingungen hervorragende Arbeit, bekräftigte sie. Es müsse aber aufgeklärt werden, ob es beim Polizeieinsatz zu Verfehlungen gekommen sei.  Das verlangte auch Grün-Abgeordneter Peter Pilz. Bei der Aufklärung des Sachverhalts müsse ein Grundsatz leitend sein, meinte er: Egal ob jemand Uniform oder Zivilkleidung trage, egal welche Weltanschauung jemand habe, die Gesetze gelten für alle in gleichem Maße.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wies wie schon im Budgetausschuss darauf hin, dass sich die 1.000 zusätzlichen Planstellen für das Innenressort auf 500 Planstellen für den unmittelbaren Polizeidienst, 200 Ausbildungsplanstellen und 300 Planstellen für das "Mobilitätsmanagement" verteilen. Unter den letzten Bereich fallen Beamte aus anderen Ressorts, die sich für eine Polizeiausbildung entscheiden oder in der Verwaltung des Innenministeriums tätig werden. Beim Aufnahmeverfahren für PolizeischülerInnen ist das Innenministerium Mikl-Leitner zufolge bewusst sehr streng.

Zum Projekt "Moderne Polizei" gehöre nicht nur die Zusammenlegung von Polizeiinspektionen, um die Schlagkraft der Exekutive zu erhöhen, unterstrich Mikl-Leitner. Es gehe auch darum, bei der Kriminalitätsbekämpfung mehr Spezialisten einzusetzen und die Polizei von Verwaltungstätigkeit zu befreien. Durch das neue Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hofft Mikl-Leitner, die Asylverfahren weiter beschleunigen zu können. Neun von zehn ÖsterreicherInnen stellten der Polizei ein gutes Zeugnis aus, erklärte Mikl-Leitner, dieses positive Image wolle man beibehalten. In Bezug auf die aktuellen Vorwürfen gegen die Polizei wandte sie sich strikt dagegen, die Polizei reflexartig zum Schuldigen zu machen.

Die NEOS nahmen an den Beratungen zur Budgetuntergliederung Inneres aufgrund ihres fortgesetzten Protests nicht teil. Offenbar wolle man der Sicherheit in Österreich keine Flügel verleihen, hielt dazu ÖVP-Abgeordneter Rauch fest. (Fortsetzung Nationalrat) gs