Parlamentskorrespondenz Nr. 505 vom 27.05.2014

Heinisch-Hosek: Schulische Inklusion sorgfältig vorantreiben

Unterrichtsausschuss macht Verlängerung der Sprachförderung plenumsreif

Wien (PK) – Inklusion an Schulen bedürfe einer "Politik der kleinen Schritte", erklärte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek heute im Unterrichtsausschuss des Nationalrats. Sie wandte sich daher gegen eine Abschaffung der Sonderschulen "von heute auf morgen". Immerhin könnten Österreichs Regelschulen derzeit nicht allen sonderpädagogischen Bedürfnissen von SchülerInnen Rechnung tragen, gab sie zu bedenken, wiewohl sie Inklusion grundsätzlich klar befürwortete. Insgesamt waren auch alle Fraktionen im Ausschuss für eine Ausweitung des inklusiven Unterrichts an Österreichs Schulen, nicht einer Meinung waren sie allerdings, wie rasch sie erfolgen sollte. Während FPÖ und Grüne für die Abschaffung der Bezeichnung "Sonderschule" als erste wichtige Reformmaßnahme plädierten, hielten SPÖ, ÖVP und NEOS eine breitere gesellschaftliche Debatte über Inklusion für notwendig, ehe die Namen der betroffenen Schulen tatsächlich geändert werden können.

Auslöser dieser Inklusionsdebatte war zunächst eine Regierungsvorlage zur legistischen Übertragung des Aufgabenbereichs der Bezirksschulräte, die aufgelöst werden, an die Landesschulräte; darunter fällt auch die Bestimmung von Sonderschulen als Sonderpädagogische Zentren zur Unterstützung des inklusiven Unterrichts. Weiters ermöglicht die Regierungsvorlage eine Verlängerung der Sprachförderkurse an Pflichtschulen für die nächsten beiden Schuljahre. Während zwei Abänderungsanträge der Grünen dazu vom Ausschuss mehrheitlich abgelehnt wurden, erhielt der Gesetzesentwurf selbst die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

Der heurige Strategiebericht des Bildungsressorts, der einstimmig zur Kenntnis genommen wurde, eröffnete darüber hinaus eine breite Diskussion über Bildung als Kern der EU-2020-Wachstumsstrategie und die Entwicklung des heimischen Bildungswesens. Oppositionsvorschläge für neue Strukturen im Schulbereich wurden zwar ebenfalls intensiv diskutiert, letztendlich vertagten SPÖ und ÖVP jedoch alle Anträge von FPÖ, Grünen und NEOS.

Ausschuss drängt auf mehr Inklusion im Schulunterricht

Mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP nahm der Ausschuss die Regierungsvorlage an, durch die im ganzen Schulrechtsbestand die Aufgaben der Bezirksschulräte dem jeweiligen Landesschulrat übertragen werden. Einem Nationalratsbeschluss aus dem Vorjahr zufolge werden ja die Bezirksschulräte mit 1. August aufgelöst. Neben der deswegen anstehenden Rechtsbereinigung soll die Sammelnovelle auch dazu dienen, die heuer auslaufende Sprachförderung an allgemein bildenden Pflichtschulen bis 2015/16 zu verlängern. Ein Abänderungsantrag der Grünen, womit die unbefristete Verlängerung der Sprachförderkurse realisiert werden sollte, fand aber nur Unterstützung bei den NEOS und blieb daher in der Minderheit.

Allerdings führte auch FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz ins Treffen, die immer nur zweijährige Verlängerung der Sprachförderkurse gewährleiste den Schulen nicht die nötige Rechtssicherheit und biete nicht ausreichend Zeit, um die Methoden in diesen Kursen hinlänglich zu verbessern. Mit seinem Plädoyer für die Einrichtung eigener Klassenverbände zur speziellen sprachlichen Förderung stieß der Freiheitliche bei den Grünen aber auf Widerstand; Harald Walser (G) warnte vor einer Exklusion von SchülerInnen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch, wenn sie automatisch in eine "eigene Sprachklasse" gesetzt würden. Einig waren Grüne und FPÖ hingegen, in ganz Österreich würden weisungsfreie Schulombudsstellen für SchülerInnen und deren Eltern benötigt. In jedem Landesschulrat bzw. im Stadtschulrat sei eine solche Mediatoreninstanz für schulische Konflikte einzurichten, drängten die Bildungssprecher Harald Walser (G) und Walter Rosenkranz (F), damit Problemfelder unbürokratisch aus dem Weg geräumt werden können ((370/A[E]), (324/A[E])).

Die Regierungsvorlage initiierte auch die Debatte über inklusiven Unterricht in der heutigen Ausschusssitzung, da die Bestimmung von Sonderschulen als Sonderpädagogische Zentren zur Unterstützung des inklusiven Unterrichts zukünftig die Landesschulräte anstatt der Bezirksschulräte durchführen sollen. Das brachte wiederum die Grünen-Abgeordnete Helene Jarmer und ihren Parteikollegen Harald Walser dazu, mit einem Abänderungsantrag die Umbenennung der Sonderschulen zu verlangen. Ein positives Zeichen würde die Politik damit setzen und dadurch die notwendige Strukturänderung im Sinne eines wirklich inklusiven Unterrichts unterstützen, war Jarmer überzeugt. Anneliese Kitzmüller (F) brach ebenfalls eine Lanze für die Abschaffung der Bezeichnung "Sonderschule" und trat dafür ein, sonderpädagogische und andere Schulen in dienstrechtlichen Fragen auf eine Ebene zu stellen, darüber hinaus ist in ihren Augen ein Objektivierungsverfahren für LeiterInnen sonderpädagogischer Schulen hoch an der Zeit.

Franz-Joseph Huainigg (V) hielt demgegenüber fest, eine Namensänderung reiche für die dringend benötigte Reform im Sonderschulwesen nicht aus. Es gelte vielmehr, mit allen Betroffenen sowie mit ExpertInnen und mit den Bundesländern eingehende Gespräche über die Situation der Sonderschulen und über inklusiven Unterricht zu beginnen, unterstrich Huainigg. Problematisch erachtete er vor allem die Praxis, dass Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache häufig in Sonderschulen angemeldet würden, um die nötige Sprachförderung für diese SchülerInnen zu umgehen: "Das verbaut ihnen den Weg in den Arbeitsmarkt", kritisierte der ÖVP-Mandatar.

Als erklärter "Fan der Inklusion" pflichtete NEOS-Bildungssprecher Matthias Strolz im Grunde allen VorrednerInnen bei, er mahnte aber die zufriedenstellende Abdeckung des sonderpädagogischen Bedarfs im Regelschulwesen ein, bevor weitere Schritte der Inklusion folgen könnten.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek betonte, ihr liege die schulische Inklusion überaus am Herzen und sie verwies auf das Regierungsprogramm, in dem die Weiterentwicklung Sonderpädagogischer Zentren sowie Inklusive Modellregionen bzw. eine Steigerung der Inklusion in der Sekundarstufe II verankert seien. An einzelnen Pädagogischen Hochschulen erhielten angehende PädagogInnen schon  Grundkompetenzen der Sonderpädagogik, merkte sie darüber hinaus an. Es dürften aber Kinder, die spezielle Bedürfnisse wie Kleingruppenunterricht haben, nicht durch eine plötzliche Abschaffung der Einrichtung Sonderschule überfordert werden, so die Ministerin. Deswegen plane sie mit allen Stakeholdern intensive Gespräche, um ab dem Schuljahr 2015/16 konkrete Inklusionsinitiativen setzen zu können.

Um dem tatsächlichen sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) unter Österreichs SchülerInnen zu entsprechen, machte sich Walser (G) in einem Entschließungsantrag dafür stark, die derzeit gesetzlich mit 2,7% festgelegte SPF-Quote auf 5% anzuheben (435/A[E]). Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Finanzierung von Sonderschulen und von integrativem Unterricht wäre das ein bedeutender Schritt hin zu einem inklusiven Schulsystem, betont er im Antrag, verdeutlichte aber zugleich, eigentlich sollte die Ressourcenzuteilung für sonderpädagogische Förderung je nach Bedarf der Schulstandorte erfolgen. Anneliese Kitzmüller (F) befand ebenso, sonderpädagogische Förderung sei immer wichtiger an den Schulen, daher forderte sie deutlich mehr Lehrkräfte für diesen Bereich ein.

Diskussion über Reform der Schulverwaltung

Mit dem Hinweis auf den Hauptteil des Novellenentwurfs, die Verankerung des Wegfalls der Bezirksschulratsbehörden im gesamten Schulrecht, stellte Erwin Preiner (S) fest, damit bewirke man eindeutig eine Effizienzsteigerung im Schulwesen. Die NEOS geben sich aber mit der Auflösung einer Behördeninstanz in der Schulverwaltung nicht zufrieden. In zwei Entschließungsanträgen fordert Matthias Strolz vielmehr einen umfassenden Bürokratieabbau im Bildungsbereich (379/A[E]) sowie die Übertragung der gesamten Schulverwaltung an den Bund (380/A[E]). Bei Belangen des Dienstrechts, der Bestellung und Tätigkeit von SchulleiterInnen, der Personalsteuerung, der Aus- und Fortbildung, der Schulaufsicht und des Gebäudemanagements bestehe dringender Handlungsbedarf, um die Leistungszersplitterung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden endlich zu beseitigen, finden die NEOS. Die Oberhoheit bei Gesetzgebung und Vollziehung soll ihrer Meinung nach beim Bund liegen, dafür wäre den Schulen, speziell in der Personalverwaltung, mehr Autonomie einzuräumen. Abzuschaffen seien darüber hinaus der Parteienproporz in der Schulverwaltung und die Schulsprengel, so Strolz. Für Team Stronach-Bildungssprecher Robert Lugar war die angekündigte Reduktion von insgesamt 30 Planstellen durch die Einsparung der Bezirksschulräte gänzlich ungenügend. Ministerin Heinisch-Hosek hielt dem entgegen, im Mittelpunkt dieses Reformvorhabens stehe die Verwaltungsvereinfachung, wie die Bundesländer sie organisatorisch verwirklichen, liege in deren Zuständigkeitsbereich.

Mit der Erklärung, angesichts der laufenden Reformen im Schulbereich seien die erhobenen Forderungen zur Strukturänderung im Bildungswesen verfrüht, vertagten die Regierungsfraktionen mehrheitlich alle Entschließungsanträge der Opposition, die zusammen mit der Regierungsvorlage zur Debatte standen.

Heinisch-Hosek sieht Österreich bei Erasmus auf Erfolgskurs

Die Bildungsziele der EU als wesentlicher Bestandteil der Europa 2020-Strategie, die zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen soll, waren ebenfalls Thema in der Ausschusssitzung. Begrüßt wurde dabei besonders die Mittelaufstockung für das neue EU-Bildungsprogramm Erasmus+, dessen AdressatInnenkreis auf Lehrlinge ausgeweitet wurde. Differenziert äußerten sich mehrere Ausschussmitglieder aber zur EU-Vorgabe einer höheren Akademikerquote.

Österreich nehme die für Erasmus+ bereitgestellten Mittel zur Gänze in Anspruch, informierte Heinisch-Hosek. Der Erfolg dieses Austauschprogramms, von dem jetzt auch Lehrlinge profitieren, sei also unfraglich vorhanden. Im neuen EU-Programm für Bildung sind nunmehr die Programme "Lebenslanges Lernen" und "Jugend in Aktion" sowie fünf internationale Programme und als neuer Bereich der Sport umfasst. Mit 14,7 Mrd. € werden dazu zwischen 2014 und 2020 um 40 % mehr als in der Finanzperiode 2007-2013 zur Verfügung stehen. Die österreichische Beteiligung an den EU-Bildungsprogrammen war bisher sehr erfolgreich, unterstrich Bundesministerin Heinisch-Hosek. Im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedern rangiere Österreich mit einer Inanspruchnahme von 100% der dafür vorgesehenen Mittel überdurchschnittlich hoch. Jährlich nützten rund 15.000 Jugendliche und auch Erwachsene aus Österreich die Mobilitätsmaßnahmen und Partnerschaftsprogramme, die Erasmus+ biete. Um die Sicherstellung der Qualität des Programms und damit seine Anerkennung europaweit zu gewährleisten, gebe es auf Ratsebene Überlegungen, unabhängige nationale Qualitätssicherungsagenturen mit der Überprüfung zu beauftragen, berichtete die Bildungsministerin. Generell seien Berufsbildung und Austausch von best practices, gerade auch bei Lehrlingen, zentrale Anliegen von Erasmus+, skizzierte sie auf Nachfrage der Bildungssprecherinnen Elisabeth Grossmann (S) und Brigitte Jank (V). Grossmann strich in diesem Zusammenhang den Wert von Erfahrungen im Ausland hervor, Jank regte an, auch im Rahmen der Donauraumstrategie den Austausch bei der dualen Ausbildung noch mehr zu forcieren.

Zum europäischen Ziel einer Senkung der Schulabbrecherquote auf unter 10 % sagte Heinisch-Hosek, Österreich habe dies bereits erreicht, da der entsprechende Wert 2013 nur 7,6 % betragen habe. Die seitens der EU angestrebte Erhöhung des Anteils der HochschulabsolventInnen auf mindestens 40 % sei praktisch in Österreich ebenso umgesetzt, wenn man etwa gemäß der Maxime "lebenslanges Lernen" berufsbegleitende Studien hier mitberechne, hob Heinisch-Hosek hervor. In Verbindung mit der heimischen Akademikerquote thematisierte Grünen-Bildungssprecher Harald Walser die bislang unausgegorene tertiäre Ausbildungsmöglichkeit von ElementarpädagogInnen. Heinisch-Hosek gab daraufhin zu verstehen, zwar plane ihr Ressort in diesem Bereich derzeit keine großen Reformen, doch sehe die neue PädagogInnenausbildung durchaus eine masterwertige Ausbildung für Lehrende der Kindergartenpädagogik vor. Zudem gebe es in einigen Bundesländern diesbezügliche Colleges für MaturantInnen. Ihr angestrebtes Ziel, den Übergang vom Kindergarten in die Volksschule zu erleichtern, wolle sie in Pilotprojekten ab Herbst vorantreiben, führte Heinisch-Hosek weiter aus, ein Leitfaden dafür werde über den Sommer fertiggestellt.

FPÖ-Mandatar Wendelin Mölzer stellte überhaupt den Sinn einer obligatorischen Steigerung der Akademikerquote in Abrede, da doch die Wirtschaft eher FacharbeiterInnen benötige. Außerdem hinterfragte er wie auch Eva-Maria Himmelbauer (V) das EU-Bildungsziel, dass bis 2020 mindestens 50 % der 15-jährigen SchülerInnen in der ersten Fremdsprache das Kompetenzniveau "independent user" erreichen und in der Sekundarstufe I zumindest 75 % der SchülerInnen wenigstens zwei Fremdsprachen lernen. Letztendlich, meinte Mölzer, gebe es in vielen Klassen Österreichs schon ein Problem mit der Unterrichtssprache. Heinisch-Hosek versuchte derartige Bedenken mit dem Hinweis auf die erfolgte Streichung der EU-Vorgaben bezüglich Fremdsprachenkompetenz auszuräumen. Für das Nachholen von Pflichtschulabschlüssen werde auch 2015 genügend Geld zur Verfügung stehen, informierte die Ministerin schließlich Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F), die notwendigen Verhandlungen mit den Bundesländern über die Mittel dafür würden gerade beginnen.

Den heurige Strategiebericht des BMBF, der das EU-Arbeitsprogramm als Grundlage hat, nahm der Ausschuss einstimmig an und enderledigte ihn damit.

Eingangs wählten die Abgeordneten Elisabeth Grossmann (S) zur dritten Obmannstellvertreterin des Ausschusses, sie löst in dieser Funktion Laura Rudas ab. (Schluss Unterrichtsausschuss) rei