Parlamentskorrespondenz Nr. 553 vom 12.06.2014

Nationalrat: Breite Mehrheit für Kürzung von Sonderpensionen

Obergrenze liegt künftig bei rund 9.060 Euro

Wien (PK) – Bis zum Schluss wurde verhandelt, schließlich gab es doch einen recht breiten Konsens. SPÖ, ÖVP, Grüne und Team Stronach stimmten im Nationalrat dem von der Regierung vorgeschlagenen Gesetzentwurf zur Begrenzung von Sonderpensionen in Dritter Lesung zu und sorgten damit für die notwendige Zweidrittelmehrheit. Zuvor waren auf Initiative der Koalitionsparteien noch Abänderungen vorgenommen und die absolute Obergrenze für künftige Sonderpensionen von 13.590 € auf 9.060 € – der zweifachen statt der dreifachen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage – gesenkt worden. Bestehende Sonderpensionen werden wie schon in der Regierungsvorlage vorgesehen durch progressiv gestaffelte Pensionssicherungsbeiträge gekürzt.

Grüne und Team Stronach bedauerten zwar, dass nicht noch stärker in hohe Pensionen eingegriffen wird, sie sehen im Gesetz aber einen ersten wichtigen Schritt zur Begrenzung von "Luxuspensionen". Auch SPÖ und ÖVP zeigten sich insgesamt mit dem Beschluss zufrieden. Scharfe Kritik kam hingegen von der FPÖ, sie sprach von einer "Verhöhnung der ASVG-Pensionisten". Die NEOS begründeten ihre Ablehnung vor allem damit, dass künftige Sonderpensionen nicht mit der ASVG-Höchstpension gedeckelt sind.

Der gesetzliche Eingriff in Sonderpensionsrechte ist eine Gratwanderung. Die gestaffelten Pensionssicherungsbeiträge wurden zwar durch eine Verfassungsbestimmung abgesichert, um einer etwaigen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu entgehen, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der VfGH im Falle einer Beschwerde Teile des Gesetzes dennoch für verfassungswidrig erklärt, wie der Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt Gerhard Hesse im Sozialausschuss erläutert hatte (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 516/2014). Betroffene haben auch schon in Aussicht gestellt, gegebenenfalls bis zum Europäischen Menschenrechtegerichtshof (EMRG) zu gehen. Ihrer Meinung nach wird in unzulässiger Weise in vertraglich zugesicherte Pensionen und somit in Eigentumsrechte eingegriffen und dadurch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verletzt. Mit einer solchen Argumentation konnte Pensionsexperte Bernd Marin im Ausschuss allerdings wenig anfangen, er hält die Pensionseinschnitte für zu gering und die Übergangsregelungen für viel zu großzügig.

Gesetz umfasst unter anderem Kammern, ORF, ÖIAG, Nationalbank und AMA

Insgesamt sind neben dem Bund über 70 Institutionen vom Gesetz umfasst, darunter der ORF, die Sozialversicherungen, die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer, der Verbund-Konzern, die Agrarmarkt Austria, die ÖIAG, die ASFINAG und die Bundesmuseen. Auch für Kreditinstitute, die aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung oder einer beherrschenden Stellung des Bundes der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, gelten die neuen Bestimmungen.

Die Pensionssicherungsbeiträge sind progressiv gestaffelt, das heißt je höher die Sonderpension desto größer fällt die prozentuelle Kürzung aus. So wird dem betroffenen Personenkreis für Pensionsteile über der einfachen Höchstbeitragsgrundlage (derzeit 4.530 €) künftig ein Sicherungsbeitrag von 5 % vorgeschrieben, der dann in mehreren Schritten auf bis zu 25 % – für Ruhe- und Versorgungsgenüsse über der dreifachen Höchstbeitragsgrundlage – steigt. Laut Sozialministerium führt das in Einzelfällen zu Pensionskürzungen von bis zu 4.000 € im Monat, im Schnitt rechnet Minister Rudolf Hundstorfer mit 2 % bis 4 %. Personengruppen wie AltpolitikerInnen oder BeamtInnen mit hohen Pensionen, die schon jetzt Pensionssicherungsbeiträge zahlen, wird künftig ein höherer Beitrag abverlangt, im Bereich der Sozialversicherungen werden teilweise auch die Pensionsbeiträge erhöht.

Der künftige Pensionsdeckel von 9.060 € gilt für neue Verträge. Für Personen, die bereits eine Anwartschaft auf eine Pension erworben haben, liegt die Obergrenze bei der dreieinhalbfachen Höchstbeitragsgrundlage (15.855 €).

Sonderregeln enthält das Gesetz für Bedienstete der Österreichischen Nationalbank (OeNB) mit bestimmten Altverträgen. Ihnen werden neben höheren Pensionsbeiträgen und Pensionssicherungsbeiträgen u.a. auch ein höheres Pensionsantrittsalter, längere Dienstzeiten und Pensionsabschläge bei einem vorzeitigen Pensionsantritt vorgeschrieben. Zudem sieht der im Plenum von den Koalitionsparteien eingebrachte und bei der Abstimmung mitberücksichtigte Abänderungsantrag in Anlehnung an eine Empfehlung des Rechnungshofs die schrittweise Einführung eines Durchrechnungszeitraums für die Ermittlung der Pensionshöhe vor.

Die Regierung will durch das Gesetz rund 7,1 Mio. € pro Jahr für das Budget lukrieren, dazu kommen Mehreinnahmen für jene Institutionen, die Sonderpensionen auszahlen. Rund 9.600 Personen werden ihrer Schätzung nach betroffen sein. Die Länder sind vom Gesetz nicht umfasst, die verfassungsgesetzlichen Ermächtigungen ermöglichen es ihnen aber, analoge Regelungen einzuführen. Der Nationalrat geht – in Form einer Ausschussfeststellung – davon aus, dass der Rechnungshof spätestens in drei Jahren prüft, inwieweit die Bestimmungen auf Bundes- und Landesebene umgesetzt wurden.

FPÖ: Regierung soll sich für dieses "Machwerk" genieren

Die Oppositionsparteien bekräftigten ihre Positionen durch zahlreiche Abänderungs- und Entschließungsanträge, die bei der Abstimmung jedoch alle in der Minderheit blieben. So forderte die FPÖ in einem Entschließungsantrag "die vollständige Abschaffung von Luxuspensionen und Pensionsprivilegien auf allen Ebenen" in Österreich. Am vorliegenden Gesetzentwurf ließ Abgeordneter Herbert Kickl kaum ein gutes Haar. Der FPÖ sei es zwar gelungen, einige positive Punkte in den Entwurf hinein zu reklamieren, meinte er, grundsätzlich würden unhaltbare Pensionsprivilegien aber einzementiert. Das "Luxuspensionen-Paralleluniversum" werde auf viele Jahre und Jahrzehnte fortgeschrieben. Wie könne man etwa einem ASVG-Pensionisten mit 1.023 € Durchschnittspension eine Obergrenze für Zusatz-Sonderpensionen von 9.060 € erklären, fragte er.

Die Regierung solle sich "für dieses Machwerk genieren", fasste Kickl zusammen. Damit würden weiter Pensionsmultimillionäre produziert. Hauptschuld am heutigen Beschluss tragen seiner Auffassung nach aber die Grünen. Würden diese der Regierung nicht zur notwendigen Zweidrittelmehrheit verhelfen, hätte man in weiteren Verhandlungen ein viel besseres Ergebnis erzielen können, ist er überzeugt. Bedenklich ist für ihn auch, dass die Regelung für die Länder nicht verpflichtend ist und forderte Druck über den Finanzausgleich. Auch in bestehende Pensionen hätte man seiner Meinung nach viel beherzter eingreifen können.

Unterstrichen wurde die Kritik Kickls von seinem Fraktionskollegen Werner Neubauer. Für Neubauer wird durch den Beschluss deutlich, dass die FPÖ die einzige Partei mit sozialem Gewissen in Österreich geblieben ist.

NEOS: Sonderpensionen auf ASVG-Niveau begrenzen

Namens der NEOS legte Abgeordneter Gerald Loacker zwei Abänderungsanträge vor. Unter anderem geht es ihm darum, vertraglich bereits zugesicherte, aber erst in Zukunft fällige Sonderpensionen stufenweise in etwa auf die ASVG-Höchstpension zu senken, abhängig vom Zeitpunkt des Pensionsantritts. Auch für neue arbeitsrechtliche Verträge wollen die NEOS nur noch Sonderpensionen auf ASVG-Niveau zulassen. Außerdem sollen die progressiv gestalteten Pensionssicherungsbeiträge ihrer Vorstellung nach bereits früher greifen und gesetzliche Pensionen, wie etwa eine ASVG-Pension, bei der Berechnung der Beiträge mitberücksichtigt werden.

Loacker wertete es zwar als positiv, dass nach jahrelangen Versäumnissen das Thema Luxuspensionen nun endlich angegangen wurde, und wandte sich auch gegen einen Wettbewerb bei den Pensionseinschnitten nach dem Motto "Wer bietet weniger". Er sprach sich dennoch für stärkere Eingriffe in Sonderpensionen aus. Während man ASVG-PensionistInnen im Zuge der Einrichtung des Pensionskontos Verluste bis zu 3,5 % zumute, würden hohe Sonderpensionen im Schnitt nur um 1 % gekürzt, monierte er. Loacker versteht außerdem nicht, dass auch noch in den Jahren 2015, 2016 und danach Arbeitsverträge abgeschlossen werden können, die eine Zusatzpension zur gesetzlichen Pension von bis zu 9. 060 € vorsehen.

Seine Fraktionskollegin Beate Meinl-Reisinger meinte, mit der verfassungsrechtlich verankerten Obergrenze mache sich das Parlament zu einem Steigbügelhalter für künftige Luxuspensionen. Sie bedauerte außerdem, dass die Übernahme der Bestimmungen für Länder und Gemeinden nicht verpflichtend ist, obwohl es auf Landes- und Gemeindeebene die meisten ausgegliederten Gesellschaften gebe.

SPÖ: Es wird kleiner, aber wichtiger Schritt gesetzt

SPÖ-Sozialsprecherin Sabine Oberhauser erinnerte daran, dass das einzige, was die FPÖ während der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung in Sachen Pensionen getan habe, massive Eingriffe in die ASVG-Pensionen gewesen seien. Diese Eingriffe wären noch viel stärker gewesen, hätten die Gewerkschaften nicht bei strömendem Regen tausende Menschen auf die Straße gebracht, konstatierte sie. Gegen Luxuspensionen habe die schwarz-blaue Koalition hingegen rein gar nichts unternommen. Sich jetzt über eine viel zu hohe Obergrenze für Sonderpensionen zu beklagen, hält sie in diesem Sinn für nicht angebracht. Der Schritt, der jetzt gesetzt werde, sei vielleicht ein kleiner Schritt, sagte Oberhauser, es werde aber immerhin erstmals eine absolute Höchstgrenze für Sonderpensionen eingezogen.

Zur Forderung nach einer verpflichtenden Einbindung der Länder merkte Oberhauser an, zu glauben, man könne gleichzeitig mit dem Sonderpensionengesetz eine Föderalismusreform beschließen, sei unrealistisch. Abgeordneter Rainer Wimmer (S) warf Kickl vor, Birnen mit Äpfel zu verwechseln und äußerte die Vermutung, dass die FPÖ in Wahrheit gar nicht an einer Abschaffung hoher Sonderpensionen interessiert sei.

ÖVP: Auch für BezieherInnen hoher Pensionen gilt Vertrauensschutz

Seitens der ÖVP machte ihr Sozialsprecher August Wöginger darauf aufmerksam, dass über das vorliegende Gesetz seit Mitte Dezember verhandelt werde. Es sei wie bei anderen Verhandlungen gewesen, meinte Wöginger, als man sich in der Zielgerade befunden und sich eine machbare Lösung abgezeichnet habe, habe sich die FPÖ "vertschüsst". Die FPÖ tue so, als könne man hohe Pensionen einfach wegradieren oder um 70 % und mehr kürzen, kritisierte er. Der verfassungsrechtlich abgesicherte Vertrauensschutz gelte aber auch für Menschen mit hohen Sonderpensionen, schließlich greife die Politik in Eigentumsrechte ein. Würde man stärker hineinschneiden, "fliegt uns das Gesetz sicher um die Ohren", warnte Wöginger, davon habe niemand etwas. Zur Einbeziehung der Länder hielt Wöginger fest, vier Bundesländer hätten öffentlich bereits dezidiert zugesagt, die Bundesregelung auf Punkt und Beistrich umzusetzen.

Grüne: Ohne Zustimmung bliebe alles beim Alten

Scharfe Kritik an der FPÖ übte auch Grün-Abgeordnete Judith Schwentner. Käme für den Gesetzesbeschluss keine Zweidrittelmehrheit zustande, hieße das, dass das alte System mit unverschämt hohen Pensionen weiter bestehen bleibe, skizzierte sie.

Dem schloss sich auch ihr Fraktionskollegen Werner Kogler an. Für ihn sei das Glas, gemessen an dem was möglich sei, zu drei Viertel voll, meinte er. Natürlich könnte man auch auf das zu einem Viertel leere Glas schauen, sagte Kogler, die Grünen wären aber "blöd", würden sie die Kürzung von Sonderpensionen auf Bundesebene verhindern, nur weil die Länder nicht verpflichtend einbezogen sind. Für ihn gibt es eine historische Chance, an den untragbaren Zuständen in der Österreichischen Nationalbank etwas zu ändern.

Dass es überhaupt zu einem Gesetz gekommen ist, führt Kogler auf eine Mischung aus öffentlichem Druck und "aufgeweckten" Oppositionsabgeordneten zurück. Ein von den Grünen eingebrachter Abänderungsantrag zielte darauf ab, die ASVG-Höchstpension und nicht die ASVG-Höchstbeitragsgrundlage als Grundlage für die Berechnung der Pensionssicherungsbeiträge heranzuziehen. Zudem drängten sie auf den Schutz tatsächlich entrichteter Beträge.

Team Stronach: Weg muss noch weitergehen

Abgeordnete Waltraud Dietrich (T) sieht das Gesetz als einen ersten Schritt eines langen Weges, der aber noch nicht zu Ende sei. Mit der Vorlage würden auch Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt, unterstrich sie. Mehr als 9.000 € Sonderpension in Zukunft seien zwar "ein Wahnsinn", stimmte Dietrich mit den KritikerInnen überein, wenn es aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nicht möglich sei, große Schritte zu setzen, müsse man doch einmal einen kleinen Schritt setzen, ist sie überzeugt. Um die Forderung des Team Stronach nach einem a la longue einheitlichen Pensionssystem in Österreich für alle Beschäftigten ohne jegliche Privilegien zu unterstreichen, brachte Dietrich einen Entschließungsantrag ein.

Hundstorfer: Mit Gesetz kann man keine Lorbeeren gewinnen

Sozialminister Rudolf Hundstorfer führte aus, die FPÖ trete dafür ein, ein bestehendes System einzufrieren. Anstatt ernsthaft zu verhandeln habe sie sich letztendlich für Populismus entschieden, bemängelte er und appellierte an die Freiheitlichen, "das Niveau der Argumentation höher zu schrauben".

Zum vorliegenden Gesetz hielt Hundstorfer fest, das, was die Politik jetzt mache, sei ein "Zusammenräumen". Er wisse, dass man mit dem Gesetz keine Lorbeeren ernten könne. Den Betroffenen seien die Eingriffe zu viel, den anderen seien sie viel zu gering. Hundstorfer erwartet sich "ein Packerl Prozesse". Ausdrücklich hob der Minister hervor, dass die Regierung am Beginn des Verhandlungsprozesses absichtlich nur "ein Blatt Papier" vorgelegt habe, um im Zuge der Parteienverhandlungen eine sinnvolle Lösung zu finden. (Fortsetzung Nationalrat) gs