Parlamentskorrespondenz Nr. 602 vom 24.06.2014

Hypo-Sondergesetz passiert Finanzausschuss mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit

Insolvenz oder Sondergesetz? - Experten und Abgeordnete uneinig

Wien (PK) – Die Hypo Alpe Adria soll in eine Gesellschaft übergeführt werden, die das Vermögen der Bank geordnet abbauend verwaltet und im Interesse von GläubigerInnen und SteuerzahlerInnen optimal verwertet. Das Hypo-Sondergesetz, das der Finanzausschuss heute mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit plenumsreif machte, umfasst vier neue Gesetzen und begleitende Rechtsanpassungen (178 d.B.). Dazu gehört auch die Erhöhung des fast ausgeschöpften Rahmen des Finanzmarktstabilitätsgesetzes von 15 Mrd. € auf 22 Mrd. €. Vor der  Umwandlung der Hypo in ein Abbauinstitut soll die Finanzmarktaufsicht per Bescheid die Kostenbeteiligung von Gläubigern nachrangiger Verbindlichkeiten und von Gesellschaftern an der Hypo Alpe Adria anordnen. Grundlage dafür ist ein Gesetz über Sanierungsmaßnahmen für die Hypo Alpe Adria Bank International AG (HaaSanG) auf Basis der EU-Richtlinie über Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten aus dem Jahr 2001. Das Erlöschen von Verbindlichkeiten der Hypo Alpe Adria sowie von Sicherheiten und Haftungen begründet die Regierung mit dem Hinwies auf insgesamt 5,55 Mrd. € an Rekapitalisierungsmaßnahmen der Republik für die Hypo. Gesellschafter, die die Bank nach Staatszuschüssen mit Fremdkapital finanziert haben und Gläubiger nachrangiger Verbindlichkeiten wussten um das Gebot der Sparsamkeit beim Einsatz öffentlicher Mittel, argumentiert die Regierung und merkt an, dass eine Insolvenz der Hypo alle Hypo-Gläubiger massiv getroffen hätte.

Die Beteiligung von Nachranggläubigern und Gesellschaftern an den Abbaukosten einerseits und die Frage, ob ein Insolvenzverfahren über die Bank nicht die bessere Methode eines budgetschonenden Abbaus der maroden Bank gewesen wäre, stand im Mittelpunkt einer lebhaften, öffentlich geführten Debatte, die die Abgeordneten mit Finanzminister Michael Spindelegger und hochrangigen Experten führte, die der Ausschuss einstimmig zu einer Anhörung lud.

Hypo-Abbau durch Sondergesetz oder Insolvenzverfahren? 

Abgeordneter Werner Kogler (G) eröffnete die von Ausschussobmann Andreas Zakostelsky geleitete Debatte und anerkannte vorweg das Bemühen des Finanzministers, nachrangige Anlagegläubiger und ehemalige Gesellschafter der Bank an den Abwicklungskosten zu beteiligen. Wie und mit welchen Methoden dieses Ziel zu erreichen sei, darüber könne man aber unterschiedlicher Ansicht sein, sagte der Abgeordnete. Vor allem stelle sich die Frage, ob das bestehende Insolvenzrecht - bei Abwägung aller Risiken, auch des zu befürchtenden Reputationsverlustes – nicht bessere Chancen geboten hätte. – Mit der Tatsache, dass es kein Insolvenzrecht für Bundesländer gebe, setzte sich Koglers Fraktionskollege Bruno Rossmann auseinander, und meinte, dies bedeute nicht, dass die Insolvenz eines Bundeslandes ungeordnet ablaufen müsste. In der Vergangenheit sei das bestehende Insolvenzrecht bereits auf insolvente Gebietskörperschaften angewandt worden, nämlich Gemeinden. Dem Finanzminister warf Abgeordneter Rossmann vor, die Kosten einer Insolvenzlösung nicht berechnet zu haben, in den Erläuterungen zum Sondergesetz aber zu behaupten diese werden in jedem Fall höher als die Folgekosten, die vom vorliegenden Gesetz zu erwarten wären.

Abgeordneter Hubert Fuchs (F) warnte vor den Folgekosten des Hypo-Sondergesetzes für Banken und Bundesländer. Der Entwurf vermeide den Schaden einer Insolvenz nicht, biete aber nicht deren Vorteile.

Abgeordneter Andreas Zakostelsky (V) sah die Schonung der SteuerzahlerInnen als oberstes Ziel des Finanzministers und hielt empfahl, dieses Anliegen des Sondergesetzes international zu kommunizieren.

Abgeordnete Kathrin Nachbaur (T) problematisierte, dass von der Hypo staatlich garantierte Anleihen mit zugleich hoher Verzinsung ausgegeben wurden. Dies sei auf Kosten der Steuerzahler erfolgt, stellte Nachbaur fest.

Abgeordneter Jan Krainer (S) begrüßte die Einrichtung einer Abbaueinheit für die Hypo und die Form des Umgangs mit den ehemaligen bayerischen Eigentümern der Bank. Er trage auch die Einbeziehung der Nachranggläubiger in die Kosten der Bankabwicklung mit.

Abgeordneter Werner Groiß (V) mahnte bei der Beurteilung des vorliegenden Gesetzentwurfes ein, die Unterschiede zwischen einer betriebswirtschaftlichen Sichtweise - aus der heraus die Forderung nach einer Insolvenz der Hypo verständlich sei -, und der notwendigen volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beachten.

Abgeordneter Rainer Hable (N) bezweifelte, dass eine Insolvenz der Hypo das Rating des Bundes verschlechtern würde. Zweifel äußerte der Abgeordnete auch daran, dass die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001 eine taugliche Rechtsgrundlage für Sanierungsmaßnahmen bei einer verstaatlichten Bank darstelle. Das Sondergesetz ziele nicht darauf ab, die Hypo zu sanieren, sondern sie abzubauen, gab Hable in Übereinstimmung mit der Expertin zu bedenken. Für rechtlich problematisch hielt Hable auch, dass ein Teil der Hypogläubiger total enteignet werden soll, während Ansprüche anderer Gläubiger zu 100 % erfüllt werden. Das neue europäische Abwicklungsrecht für Banken, das Haircuts auch bei staatlichen Garantien ermögliche, sei noch nicht in Kraft, hielt Hable fest und meinte, der Verfassungsgerichtshof werde das Gesetz wegen Ungleichbehandlung der beiden Gruppen der Hypogläubiger aufheben.

Nationalbank-Gouverneur Nowotny begrüßt Hypo-Sondergesetz

Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank Ewald Nowotny begrüßte das Hypo-Sondergesetz. Eine Insolvenz der Hypo hätte die Insolvenz einer Bank im staatlichen Eigentum und zugleich die Insolvenz eines Bundeslandes bedeutet und das Rating der Republik Österreich, heimischer Banken und der Exporthaftungen gefährdet. Der Gesetzentwurf entspreche der Tendenz auf EU-Ebene, die automatische Unterstützung von Banken durch Staaten zu beenden, auf diesen europäischen Trend müssten sich die Banken einstellen, sagte Nowotny.

Auch er halte rückwirkende Regelungen für problematisch, wichtig sei aber, dass der Bund seine Verpflichtungen ungeschmälert erfülle. Die Nationalbank gehe davon aus, dass die Regierungsvorlage einer rechtlichen Überprüfung standhalte. Der Gesetzentwurf verbessere das Eigenkapital der Hypo, entlaste den Steuerzahler und enthebe das Land Kärnten seiner Verpflichtungen. Hinsichtlich der Haftungen anderer Bundesländer erinnerte Nowotny daran, dass die Nationalbank eine implizierte Gesamthaftung des Bundes für Länder und Gemeinden in der Höhe von 77,2 Mrd. € für problematisch sieht und regte diesbezüglich eine Reform an. Das Hypo-Sondergesetz versteht der Nationalbank-Gouverneur als einen im Interesse des Steuerzahlers nachvollziehbaren einmaligen Sonderfall. Eine Insolvenz hätte hohe Risiken für die Reputation der Republik auf den Kapitalmärkten. Vom Hypo-Sondergesetz seien hingegen keine Folgen für die Republik zu befürchten, sagte Gouverneur Nowotny. 

Fritz Kleiner: Insolvenz würde Steuerzahler stärker entlasten

Der Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner beurteilte den Gesetzentwurf als mutig, zumal ein Teil der Gläubiger zu einem Schuldennachlass gezwungen werde und der der Entwurf auch Bezug auf Gesellschafterdarlehen nehme. Dieser Schuldenschnitt greife in Rechtsverhältnisse ein, stellte der Experte fest, stellte Kleiner fest und meinte, es wäre besser, mit einem neuen Bankinsolvenzrecht vorzugehen, das eine Geschäftsaufsicht für 12 Monate vorsieht, um Zeit zu gewinnen, alle Gläubiger kennenzulernen und mit ihnen zu verhandeln. Die Haftung würde nicht wegfallen, man müsste nicht mit einem Konkurs beginnen, sondern könnte sich etwa auf eine Quote von 70 % einigen. Mit Gläubigern könne man verhandeln, nicht aber mit Finanzmärkten, die keine Fairness und keine Compliance-Regeln kennen. 

Markus Fellner: Kärnten haftet im Insolvenzfall

Demgegenüber erinnerte Rechtsanwalt Markus Fellner daran, dass im Falle einer Geschäftsaufsicht für die Hypo-Alpe-Adria Kärnten mit allen Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe herangezogen und damit insolvent würde. Ein ungeordnetes Verfahren wäre die Folge, weil es kein Insolvenzrecht für Bundesländer gebe. "Es ist daher nicht empfehlenswert, über eine Insolvenz der Hypo nachzudenken." Der vorliegende Gesetzentwurf erlaube eine Zwangsstundung bis 2019 und die Möglichkeit, per Verordnung einen Schuldennachlass auszusprechen. Ziel sei es zudem, 4 Mrd. € von Bayern durch den Nachweis zurückzubekommen, dass deren Darlehen einen Eigenkapitalersatz darstellen. Der Schuldenschnitt sei vertretbar und in Übereinstimmung mit der Bankenrichtlinie, die ausdrücklich vorsehe, dass auch abgesicherte Gläubiger "geschnitten" werden können.

Auf Nachfrage von Abgeordneten erklärte der Jurist, die Haftung Kärntens würde im Konkursfall "in der Sekunde" schlagend und zu einer Insolvenz Kärntens führen. "Kärnten haftet im Insolvenzfall", daran führe kein Weg vorbei, hielt Fellner fest.

Die EU-Richtlinie anzuwenden sei wichtig, weil dieses Recht damit in der EU geltend werde. Weil Österreich dieses Recht anwende, müsse es in anderen EU-Ländern, auch in Deutschland, angewandt werden. Das Hypo-Sondergesetz befreit Kärnten automatisch aus einer Haftung – im Falle einer Insolvenz wäre dies ganz anders. Der Gesetzentwurf sei verfassungsrechtlich begutachtet worden, EU-rechtlich bewege man sich nach ähnlichen Vorgangsweisen in Island und Frankreich nicht auf Neuland, erfuhren die Abgeordneten von Rechtsanwalt Fellner.

Enteignungsmaßnahmen seien europarechtlich möglich, teilte der Experte mit und gab jenen Abgeordneten, die für ein Insolvenzverfahren eintreten, zu bedenken, dass es praktische Probleme mit sich bringe, mit tausenden unbekannten Gläubigern in Verhandlung zu treten. Was Kritiker als Willkür bezeichnen, sei sachlich begründet, sagte der Experte, der davon ausgeht, dass dieses Gesetz auch vor Gerichten standhalten werde.

Barbara Kolm: Geordnete Insolvenz statt Faustrecht des Gesetzgebers

Die Präsidentin des Hayek-Instituts, Barbara Kolm, sah die Reputation des Staates und das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort in Gefahr. All das wäre mit einem geordneten Insolvenzverfahren vermeidbar gewesen. Problematisch sah Kolm rückwirkende Maßnahmen, mahnte Respekt vor dem Eigentum ein und warnte vor der Totalenteignung von Gläubigern. Das aktuelle Downgrading von Banken und Bundesländern zeige den Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten an, sagte Kolm und erinnerte daran, dass die nachrangigen Papiere mit Garantien ausgestattet wurden. Anwendung des Insolvenzrechts statt "Faustrecht" des Gesetzgebers lautet der Vorschlag der Ökonomin, die davor warnte, in die privatrechtliche Autonomie einzugreifen. "Rechtsstaatlichkeit und der Schutz des Eigentumsrechts sind die höchsten Güter des Staates", sagte Kolm. "Die Lex Hypo verfolgt ambitionierte Ziele, schützt die SteuerzahlerInnen aber nicht", sagte Barbara Kolm.

Kolm bezifferte die Folgekosten des Hypo-Sondergesetzes mit 1,5 Mrd. € höheren Refinanzierungskosten der Banken pro Jahr. Man sollte sich vor einer Insolvenz nicht zu Tode zu fürchten, sagte Kolm und meinte, die Haftung Kärntens würde nicht sofort schlagend werden. Ein strukturiertes Verfahren mit den Gläubigern könnte helfen, die Zerstörung von Volksvermögen zu vermeiden. Kolm riet auch dazu, eine Insolvenzordnung für Bundesländer zu schaffen sowie Gläubigerrechte und Schuldnerverpflichtungen für die Zukunft zu definieren. Die Enteignung einer Gruppe von Gläubigern wird die Position Österreichs in internationalen Indizes verschlechtern, zeigte sich Kolm überzeugt. Der nachträgliche Widerruf der Garantie einer öffentlichen Hand habe Auswirkungen auf die Finanzmärkte, sagte die Expertin. Außerdem ortete sie Widersprüche innerhalb des Gesetzentwurfs, der auf ein Abwicklungsverfahren ziele, die Kostenbeteiligung der Nachranggläubiger aber im Rahmen eines Sanierungsverfahrens regle. Dieser Gesetzentwurf verletze Europarecht, schloss Kolm.

Spindelegger: Zinsdifferenz gegenüber Deutschland weiter verbessert 

Finanzminister Michael Spindelegger teilte Abgeordnetem Jakob Auer (V) auf dessen Frage die aktuelle Entwicklung des Zinsenspreads gegenüber Deutschland mit. Am Tag der Entscheidung für die Einrichtung einer Hypo-Abbaueinheit, am 14.3.2014, lag Österreich mit einem Zinsenspread von 37 Basispunkten gegenüber Deutschland an 5. Stelle innerhalb der EU. Diese Position halte Österreich nach wie vor und habe die Differenz aktuell auf 27 Basispunkte verbessert. Die Bundesfinanzierungsagentur erwarte keine Veränderung. Und erst kürzlich habe ein französischer Kreditversicherer die Bewertung Österreich verbessert. Abgeordnetem Hubert Fuchs (F) teilte der Finanzminister mit, er werde bei der Einrichtung der Abbaugesellschaften so sparsam wie möglich vorgehen und stellte Personalunionen in den Vorständen der geplanten Gesellschaften in Aussicht. Die möglichen Kosten einer Hypo-Insolvenz seien von der Hypo-Taskforce errechnet worden, erfuhr Abgeordneter Bruno Rossmann (G).

Michael Spindelegger ging seinerseits auf Fragen der Abgeordneten ein und sah keinen Anlass, im Budget Rückstellungen für Klagen vorzunehmen, weil er davon ausgehe, dass das Hypo-Sondergesetz halten werde. In diesem Zusammenhang zitierte der Finanzminister aus einem Rechtsgutachten, der die Eingriffe in Privatrecht, die das Gesetz mit sich bringe als im öffentlichen Interesse gerechtfertigt sehe. (Fortsetzung Finanzausschuss) fru