Parlamentskorrespondenz Nr. 620 vom 26.06.2014

Karmasin stellt Individualität und Partnerschaft in den Mittelpunkt

Aktuelle Stunde im Bundesrat zur Familienpolitik

Wien (PK) – Das Prinzip der Individualität und der Partnerschaft stehen für sie im Mittelpunkt ihrer politischen Zielsetzungen, betonte heute Familienministerin Sophie Karmasin in der Aktuellen Stunde des Bundesrats zum Thema "Familien im Mittelpunkt – Maßnahmenpaket zur Unterstützung unserer Familien". Dafür müsse man Rahmenbedingungen und Angebote finanzieller und struktureller Natur schaffen, so die Ministerin, und alles tun, um die Väter mehr in Familienaufgaben einzubeziehen. Zudem kündigte Karmasin ab Herbst Verhandlungen zur Reform des Kinderbetreuungsgeldes an.

Die Aussagen Karmasins trafen weitgehend auf Zustimmung der Bundesrätinnen und Bundesräte aller Parteien, wobei Marco Schreuder (G/W) die Sachlichkeit der Debatte begrüßte. Es sei wohltuend, dass die Familienpolitik in der heutigen Diskussion nicht zu einem "Schlachtfeld der Ideologien" wie sonst üblich ausgeartet sei, sagte er.

Karmasin: Familien sind wertvoll, in welcher Konstellation auch immer

Die Familie stelle einen unschätzbaren Wert dar, der gestärkt werden müsse, appellierte die Ministerin, denn Familien schlössen sich aufgrund von Werten, Solidarität und Liebe zusammen. Familien seien für sie wertvoll, in welcher Konstellation auch immer, unterstrich Karmasin ausdrücklich und warnte in diesem Zusammenhang vor einer  Idealisierung bestimmter Formen des Zusammenlebens. 

In der Debatte waren sich alle Rednerinnen und Redner einig, dass Familien stärker in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gestellt werden müssen, wobei die verschiedensten Themenbereiche von  der Justiz- über die Wirtschafts- und Sozialpolitik bis hin zur Bildungs- und Kulturpolitik angesprochen seien. Dennoch waren unterschiedliche Akzente innerhalb der einzelnen Parteistandpunkte hörbar. Während SPÖ und Grüne sich besonders auf den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen konzentrierten, strichen ÖVP und FPÖ vor allem die Wahlfreiheit hervor. Die Freiheitlichen forderten in diesem Zusammenhang eine finanzielle Unterstützung für Frauen, die bei ihren Kindern daheim bleiben.

Karmasin meinte dazu, dass es in der Frage von Berufstätigkeit und Hausfrauentätigkeit kein Schwarz-Weiß-Denken geben dürfe. Berufstätige Frauen würden ihre Kinder genau so betreuen, die Verwebung der verschiedenen Lebensbereiche müsse möglich sein. Sie wolle daher die Teilzeitmöglichkeiten für Frauen und Männer in allen Branchen und Hierarchiestufen fördern. Eine besondere Herausforderung für die Familien sah die Ministerin vor allem nach dem Schuleintritt der Kinder in Bezug auf die Betreuung, da man sich bislang in erster Linie auf die Betreuung der bis zu 6-Jährigen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie konzentriert habe.

Transferleistungen sind nicht alleiniger Schlüssel zur Erhöhung der Geburtenrate

Mit Sorge machte Karmarin in ihrer Stellungnahme darauf aufmerksam, dass der Anteil der Familien an der Gesamtgesellschaft zu Gunsten von Singlehaushalten ständig sinke. Die Geburtenrate bleibe mit 1,43% konstant auf niedrigem Niveau, die Form der Mehrkindfamilie werde radikal weniger. Angesichts der Tatsache, dass in Österreich das Niveau an Direktzahlungen an die Familien mit mehr als 6 Mrd. € international sehr hoch sei, müsse man darauf schließen, dass Transferleistungen nicht der alleinige Schlüssel sein können, um die Geburtenrate zu steigern. Am Beispiel anderer Länder zeige sich, dass hier Sachleistungen ebenfalls von großer Bedeutung seien. Die Ministerin machte aber für die niedrige Geburtenrate auch das gesamtgesellschaftliche Klima für Kinder verantwortlich und sprach dabei das Problem des Kinderlärms, Schwierigkeiten für Familien in Gastronomie und Hotellerie, aber auch mangelnde Familienfreundlichkeit in Unternehmen an. Ihr ausdrückliches Ziel sei es daher, Österreich zum familienfreundlichsten Land zu machen.

In diesem Sinne sei auch die Erhöhung der Familienbeihilfe ab 1. Juli 2014 trotz budgetär angespannter Situation sowie die monatliche Auszahlung zu bewerten. Um sich dem Prinzip der Wahlfreiheit und der Individualität anzunähern, strebe sie an, die Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen für Kinder bis zum 3. Lebensjahr von derzeit 23% auf wenigstens 33%, wie es das Barcelona-Ziel vorsieht, anzuheben, auch wenn damit die Wahlfreiheit bei weitem noch nicht gegeben sei, räumte sie ein. Für ländliche Gebiete schweben der Ministerin gemeindeübergreifende Einrichtungen und generationenübergreifende Projekte vor, darunter auch das Modell der Tageseltern, wodurch

für kleinere Gemeinden individuellere und flexiblere Möglichkeiten eröffnet würden.

Karmasin ging zudem auch auf die kürzlich getroffene Vereinbarung mit den Bundesländern zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ein und hob dabei besonders die verbesserten Kofinanzierungsmöglichkeiten hervor. Für 1 € aus dem eigenen Land könnten 2 € vom Bund abgeholt werden, erklärte sie. Was die Öffnungszeiten betrifft, so gehe es nicht allein um die Anzahl der Wochen, an denen Kindergärten im Jahr geöffnet haben, sondern auch um Tagesöffnungszeiten. Für die Kleinsten sei auch ein verbesserter Betreuungsschlüssel von 1:4 vorgesehen, außerdem sollen Sprach- und Entwicklungsstandards gefördert werden. Auf keinen Fall arbeite man mit Zwang, sondern schaffe mit der neuen Vereinbarung Anreize.

Familien in den Mittelpunkt zu stellen ist ein politischer Auftrag

Im Mittelpunkt müsse immer das Wohl der Kinder stehen, unterstrich Bundesrat Andreas Pum (V/N), sie müssten als Individuen akzeptiert werden. Die Entwicklung habe es jedoch mit sich gebracht, dass mehr und mehr die Konsumgesellschaft und die eigene Entwicklung in das Zentrum des Interesses rückten, weshalb Pum dafür plädierte, der gesellschaftlichen Verantwortung für Familie und Kinder wieder stärkeres Augenmerk zu schenken. Eine überalterte Gesellschaft sei kein Zukunftsbild und würde das Land nicht nur im Hinblick auf den Generationenvertrag, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht vor große Probleme stellen.

Auch für Pum steht fest, dass nicht nur die Kosten einer Familie den entscheidenden Grund für den mangelnden Mut zum Kind darstellen. Dazu gehöre auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sagte er, wobei die Wahlfreiheit erhalten bleiben müsse. Der Bundesrat wies zudem darauf hin, dass zu viele Menschen an ihren Wunschvorstellungen von Freunden, Familie, eigenem Heim und Arbeitsplatz scheitern, was wohl auch an teilweise ungeeigneten Rahmenbedingungen liege. In die Familien und deren Entwicklung zu investieren, sei daher wichtig, denn die Kosten für die Reparatur seien wesentliche höher.

Für die Beibehaltung der Wahlfreiheit setzte sich Ferdinand Tiefnig (V/O) genauso ein, indem er pointiert meinte, ein ganzer Lebensweg dürfe nicht in einem staatlichen Internat stattfinden. Tiefnig wies jedoch auch darauf hin, dass in der Familie Pflege stattfindet und die Familien in diesem Bereich ebenfalls Unterstützung nötig hätten. Dem stimmte Familienministerin Karmasin vollinhaltlich zu, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dürfe nicht nur im Hinblick auf die Kindererziehung gelten. Sie trat daher für eine Forcierung der mobilen Betreuung und der Tagesbetreuung ein.

Die Familien in allen Lebensformen in den Mittelpunkt zu stellen, sei ein klarer Auftrag an die Politik, hielt auch Inge Posch-Gruska (S/B) fest. Niemand habe zudem das Recht, eine bestimmte Familieform in den Vordergrund zu rücken. Sie begrüßte daher die in der letzten Zeit errungenen Fortschritte und hob dabei insbesondere den Papamonat als eine wichtige Errungenschaft hervor. Viel zu tun gibt es ihrer Ansicht nach noch bei der Väterkarenz.

Ein eigener Ausschuss für Kinderrechte?

Ein  besonderes Anliegen sind Posch-Gruska die Kinderrechte. Sie seien zwar ein Teil der österreichischen Verfassung, die völlige Umsetzung der UN-Konvention sei aber noch ausständig. Die Bundesrätin erinnerte an die Petition im Bundesrat hinsichtlich des Kinderlärms und sprach sich dafür aus weiterzumachen, denn Kinderlärm sei Zukunftsmusik. Ihr Klubkollege Josef Taucher (S/W) schlug in diesem Zusammenhang einen eigenen Ausschuss für Kinderrechte vor. Kinder hätten Rechte im öffentlichen Raum, stellte er dazu fest.

Abgesehen davon zollte Taucher der Ministerin für die Homepage ihres Ressorts besonderes Lob, da sie auf Information und nicht auf Eigenwerbung setze. Die Seite sollte daher viel besser beworben werden.

Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen ist Konsens mit unterschiedlichen Schwerpunkten

Trotz einiger positiver Maßnahmen orteten die Freiheitlichen eine Baustelle in der Familienpolitik. Die Familien hätten durch Inflation und nicht vorgenommene Valorisierungen an Geld verloren, kritisierte Monika Mühlwerth (F/W). Mühlwerth bezeichnete den Ausbau von Kinderkrippen und Kindergartenplätzen als eine wichtige Maßnahme vor allem im ländlichen Bereich, um Frauen und damit Familien davon abzuhalten, aufgrund mangelnder Rahmenbedingungen wegzuziehen. Auch Tagesmütter hält sie für eine wesentliche Option, es fehle aber eine einheitliche hochqualitative Ausbildung dafür, bemerkte sie. Wichtig bleibe aber die Wahlfreiheit, unterstrich Mühlwerth und wandte sich vehement gegen das Leitbild, Frauen so schnell wie möglich in den Beruf zurückzudrängen. Ihrer Meinung nach sollte man es den Frauen ermöglichen, die Kinder bis zum 3. Lebensjahr selbst betreuen zu können. In die selbe Kerbe schlug Cornelia Michalke (F/V), die eine Lanze für jene Frauen brach, die sich entscheiden, ihre Kinder selbst zu erziehen. Für diese Frauen müsse finanziell genau so gesorgt werden wie für Betreuungseinrichtungen, forderte sie.

Seitens der Grünen legten Efgani Dönmez (G/O) und Marco Schreuder wiederum (G/W) den Fokus auf den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Es könne nicht sein, dass die Postleitzahl darüber entscheidet, welches Angebot in welcher Qualität zur Verfügung steht, sagte Dönmez. Er appellierte daher, einheitliche Qualitätsstandards zu schaffen und gemeinsam mit der Wirtschaft Rahmenbedingungen aufzubauen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Dies solle als ein  Angebot verstanden werden, fügte er hinzu. Wie die Ministerin vertritt Dönmez die Auffassung, dass es neben den finanziellen Anreizen geeignete Strukturen brauche, um die Geburtenrate anzuheben, aber auch Menschen, die in diesen Strukturen entsprechend ausgebildet seien und bezahlt werden. Er machte ferner darauf aufmerksam, dass viele Frauen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und in Teilzeit arbeiteten, was eine enorme Herausforderung für die Betreuung darstelle, wenn keine entsprechenden familiären Strukturen vorhanden sind. Die Jobs von 9 bis 17 Uhr seien nicht mehr die Regel, was die Familien oftmals vor große Schwierigkeiten stellt, ergänzte Marco Schreuder (G/W).

Adoptionsrecht für homosexuelle Paare: Karmasin will zuerst Bewusstseinsbildung

Familien in allen ihren Realitäten böten eine große Chance, sie seien aber auch manchmal ein Ort der Gewalt, sagte Schreuder. Er zeigte sich von den Aussagen der Ministerin erfreut und hielt dazu fest, wenn man nicht werten wolle, dann müssten auch für alle die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. Der grüne Bundesrat sprach damit vor allem die von ihm geforderte Möglichkeit der Adoption ohne Ansehen der sexuellen Orientierung an. Die Frage müsse sein, wo das Kind am besten aufgehoben ist, konstatierte er.

Sie sei gegen jegliche Diskriminierung, reagierte darauf Ministerin Karmasin. Laut einer Studie aus Deutschland würden jedoch 43% der Eltern und Kinder aus homosexuellen Verbindungen über Diskriminierung klagen. Daher müsse man vorher in einem gesellschaftspolitischen Bewusstseinsprozess die Diskriminierung abstellen und dann könne man auch über das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare reden, wobei das Kindeswohl im Mittelpunkt bleiben müsse. (Ende Aktuelle Stunde/Fortsetzung Bundesrat) jan


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