Parlamentskorrespondenz Nr. 665 vom 08.07.2014

Nationalrat: Debatte über Finanzierung der Breitband-Offensive

Gemeinsame Stellungnahme anlässlich des 100. Jahrestags des Ersten Weltkriegs

Wien (PK) -  Mit einer Aktuellen Stunde zum Thema Breitband-Internet begann die heutige Nationalratssitzung, die eine sehr intensive Arbeitswoche für die Abgeordneten einläutete. Auf Verlangen der SPÖ befasste sich das Hohe Haus mit der digitalen Zukunft des Landes, die nach Auffassung des Erstredners der sozialdemokratischen Fraktion, Philip Kucher, von einer möglichst flächendeckenden Verfügbarkeit von Hochleistungs-Breitband-Infrastruktur in  ganz Österreich abhängt. Die Grundlagen für einen Ausbau seien bereits gelegt, nun liege es an Finanzminister Spindelegger die dafür notwendigen Mittel frei zu geben. Auch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, Doris Bures, lud alle Parteien zu einem gemeinsamen Schulterschluss in dieser Frage ein, weil davon nicht nur die Standortqualität abhänge, sondern vor allem die Zukunft der jungen Menschen. Die VertreterInnen der Oppositionsparteien kritisierten unisono die Blockade zwischen den Regierungsparteien und forderten eine rasche Umsetzung der Breitbandoffensive.

Vor Eingang in die Sitzung übermittelte der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf der erkrankten Präsidentin Barbara Prammer die allerbesten Genesungswünsche und sprach im Nahmen aller die Hoffnung aus, dass sie bald wieder in ihr Amt zurückkehren könne. Außerdem lobte er Josef Schellhorn (NEOS) und Erwin Angerer (FPÖ) als neue Abgeordnete an, da Angelika Mlinar und Harald Vilimsky, die ins Europaparlament einziehen, auf ihre Mandate verzichtet haben.

Gemeinsame Stellungnahme zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs: "Die Waffen nieder"

Da sich in diesen Tagen zum 100. Mal der Beginn des Ersten Weltkriegs jährt, sei man in der Präsidialkonferenz übereingekommen, dazu heute gemeinsam Stellung zu beziehen, erklärte der vorsitzführende Präsident Karlheinz Kopf. Dieser Weltkrieg, der eine Tragödie unvorstellbaren Ausmaßes war, sollte auch die Grundlage für weitere verheerende Katastrophen in der Geschichte des 20. Jahrhunderts werden. In den gigantischen Schlachten fanden fast 10 Millionen Soldaten einen grausamen Tod, weitere 20 Millionen wurden verwundet. Massive Auswirkungen gab es aber auch auf die Gesellschaft und das Staatengefüge in Europa, erinnerte Kopf, die Monarchien in Österreich, Deutschland, Russland sowie das Osmanische Reich gingen unwiderruflich unter, Revolutionen und Bürgerkriege waren die Folge. Gleichzeitig gründete sich auf den Trümmern der Schlachtfelder die Republik Österreich. Die gemeinsame Erinnerung an den kollektiven Alptraum des Ersten Weltkriegs, seine Ursachen und Auswirkungen sind unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Integrationsprozesses. Trotz unterschiedlicher nationaler Gedenkkulturen gelte die grundsätzliche Überzeugung, dass die Europäische Union auch heute mehr ist als eine Interessengemeinschaft zur Lösung finanz- und wirtschaftspolitischer Fragen; sie ist und bleibt die Grundlage für ein friedliches Miteinander auf dem Kontinent, betonte der Zweite Nationalratspräsident.

Es sei aber auch daran zu erinnern, dass in den Monaten vor Beginn des Ersten Weltkriegs bis in das Jahr 1917 das Parlament in Österreich nicht zusammentreten konnte, führte Kopf weiter aus. Die Entscheidungen, die zum Krieg führten wurden vom Monarchen, seiner Regierung und vom Militär getroffen. Der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag, dass wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen. "Gerade für uns in Österreich, das Mitverantwortung für die Ereignisse des Jahres 1914 trägt", gilt es, Lehren aus den Schrecken dieses Krieges und seiner Folgen zu ziehen, unterstrich Kopf. Gerade deshalb bekenne sich Österreich schon seit langem zu seiner Rolle als neutraler Vermittler, der einen Beitrag zu einem friedlicheren Miteinander in Europa und weltweit leisten will. Heute pflegt Österreich zu den Gegnern von einst ausgezeichnete und vorurteilsfreie Beziehungen. Die Ereignisse des Jahres 1914 sollten uns daher stets ermahnen, alle friedlichen Mittel zur Lösung eines Konfliktes auszuschöpfen, um zu verhindern, dass die Welt jemals wieder solche Schrecken sieht wie sie 1914 bis 1918 und auch ihn den Jahrzehnten danach erlebt werden mussten. Der Wunsch der österreichischen Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner "Die Waffen nieder" bleibt daher eine zeitlos gültige politische Forderung, der sich auch der österreichischen Nationalrat verpflichtet fühlt, schloss Kopf.

Kucher: Startschuss für weitere Finanzierung der Breitbandoffensive müsse fallen

Abgeordneter Philip Kucher (S) hielt den Ausbau des Breitband-Internets in Österreich für eine ganz zentrale Zukunftsfrage. Waren es früher die Eisenbahnstrecken, die Telefonanschlüsse und das Straßennetz, die entscheidend dafür waren, dass Regionen aufblühen konnten, so sind es heute die digitalen Autobahnen, die die Weichen für die Zukunft stellen, war Kucher überzeugt. Der Wirtschaftsstandort Österreich verfüge über bestens ausgebildete Fachkräfte, eine gute Lage im Herzen Europas und eine ausgezeichnete Infrastruktur. Was jedoch noch fehle, sei eine flächendeckende Versorgung mit einem Breitband-Internet auf Basis einer Datengeschwindigkeit, die den Anforderungen unserer Zeit entspricht. Egal, ob man am Land lebt oder in der Stadt, bis 2020 sollen alle ÖsterreicherInnen einen Zugang zu einem ultraschnellen Hochleistungsbreitband-Internet (100 Megabit pro Sekunde) haben, forderte Kucher. Der Ausbau des Breitband-Internets sei seiner Ansicht nach der Wirtschaftsmotor für die Zukunft, da der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche sehr gute Wachstumschancen vorausgesagt werden. Ein Viertel des Wirtschaftswachstums in der EU und 40 % der Produktivitätssteigerungen können auf diesen Sektor zurückgeführt werden. Die Grundlagen für die Umsetzung der Breitbandstrategie in Österreich sind schon längst erfolgt, nun gehe es um die rasche Finanzierungszusage und die Freigabe der Breitbandmilliarde. Notwendig dafür sei eine verbindliche Zusage bis spätestens im Herbst, ab 2015 sollten die Mittel dann wirksam werden, appellierte Kucher abschließend an Finanzminister Spindelegger.

Bures für gemeinsamen Schulterschluss in Bezug auf die Breitbandstrategie 2020 der Regierung

Das Internet sei ohne Zweifel die zukunftsträchtigste Technologie in der heutigen Zeit und habe immer mehr an Bedeutung zugenommen, erklärte Bundesministerin Doris Bures. Der Ausbau des Zugangs zu einem flächendeckenden und schnellen Breitband-Internet für alle Österreicherinnen und Österreicher sei aus sehr vielen Gründen ungemein wichtig, betonte die Ministerin, sie wolle davon nur drei herausgreifen: die Effizienzsteigerung der Verwaltung, die Standortqualität eines Landes sowie die Überwindung der digitalen Kluft. Gerade in einer Wissensgesellschaft sei das Erlernen der vierten Kulturtechnik - neben Lesen, Schreiben und Rechnen – für die jungen Menschen eines Landes von entscheidender Bedeutung, war Bures überzeugt. Schon jetzt sind 90 % der Beschäftigten darauf angewiesen, über PC-Wissen zu verfügen; und in diese Richtung wird es weitergehen.

Ihr Ressort habe in den letzten Jahren sehr intensiv an der Breitbandstrategie 2020 für Österreich gearbeitet, berichtete die Ministerin, und u.a. einen umfassenden Masterplan erstellt sowie eine Anlaufstelle für die Bevölkerung eingerichtet. Außerdem wurden im Rahmen einer Auktion frei gewordene Frequenzen versteigert, wodurch zwei Milliarden € eingenommen werden konnten. Sie habe mit der früheren Finanzministerin Fekter vereinbart, dass die Hälfte dieser Erlöse für den Ausbau der ultraschnellen Netze zur Verfügung gestellt wird, erinnerte Bures. Um die Planungs- und Investitionssicherheit für die Unternehmen zu gewährleisten sollte ihrer Meinung nach so rasch wie möglich gehandelt werden, um 2015 mit den ersten Ausschreibungen der Förderprogramme beginnen zu können. Ab dem Jahr 2016 sollen dann in den darauffolgenden fünf Jahren jeweils 200 Mio. € in den Breitbandausbau investiert werden. Sie bekenne sich zu 100 % zur Budgetkonsolidierung, betonte Bures, dennoch müssen gleichzeitig wichtige Investitionen in die Zukunft getätigt werden; zu diesem gemeinsamen Schulterschluss lade sie alle ein.

Opposition kritisiert Streit zwischen Regierungsparteien über Ausbau des Breitbandinternets

Die SPÖ-Vertreterin Elisabeth Hakel gab zu bedenken, dass nicht nur in den klassischen ländlichen Regionen, sondern etwa auch in manchen Bezirkshauptstädten kein flächendeckender Zugang zum Internet gewährleistet sei. Im Jahr 2014 dürfte eine solche digitale Kluft eigentlich nicht mehr bestehen, da in einer Informationsgesellschaft allen Menschen die gleichen Möglichkeiten geboten werden müssen. Die Bereitstellung von Hochgeschwindigkeits-Internetverbindungen sei gerade für die Regionen eine Überlebensfrage, da sich sonst keine jungen und innovativen Unternehmen ansiedeln werden, war Hakel überzeugt. Auch ihr Fraktionskollege Klaus Uwe Feichtinger (S) schloss sich diesen Argumenten an und hob hervor, dass ohne einem weiteren Ausbau des Breitbands die Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel gesetzt werde. Ebenso wie Hakel appellierte er an den Finanzminister, die so genannte Breitbandmilliarde so bald wie möglich freizugeben.

Es sei unbestritten, dass der Breitbandausbau ein sehr wichtiges Thema ist, räumte Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer aus der Sicht der ÖVP ein. Der Zugang zum Internet sollte ebenso wie der Zugang zu Wasser oder Strom heutzutage eine Selbstverständlichkeit sein und nicht davon abhängen, ob man in der Stadt oder am Land lebt. Im Sinne einer seriösen Herangehensweise an das Problem, sollte jedoch vor einer Mittelausschüttung ein konkreter Plan erstellt werden. Ihrer Meinung nach sei nun die zuständige Infrastrukturministerin gefordert, eine wirkliche Gesamtstrategie zu präsentieren; bis dato habe sie nur Eckpunkte bekannt gegeben. Auch ÖVP-Mandatar Nikolaus Prinz (V) plädierte für einen engagierte Fortsetzung des Breitbandausbaus vor allem am Land, um eine digitale Kluft zwischen den Regionen und den Ballungszentren zu verhindern. Da gerade jene Bundesländer, in denen die ÖVP regiert, auf diesem Gebiet sehr vorbildlich unterwegs sind, sei für ihn die Vorgangsweise von Bures, in dieser Frage der ÖVP den schwarzen Peter zuschieben zu wollen, etwas befremdlich. Vielmehr sollten unter Einbindung aller Gebietskörperschaften und der privaten Investoren ein Masterplan erarbeitet werden, der konkrete Ausbaumaßnahmen und klare Zielvorgaben enthält.

Der FPÖ-Abgeordnete Gerhard Deimek zeigte sich etwas verwundert über die Debatte, da niemand gegen einen Ausbau des Breitbands sei. Im Grunde gehe es nur um einen Streit zwischen den Regierungsparteien, was mit den Geldern aus der Versteigerung der Handylizenzen gemacht werden soll. Dass es aber dringenden Handlungsbedarf gebe, zeige die Tatsache, dass Österreich bezüglich Anschlussdichte mit Ländern wie Rumänien, Polen, Bulgarien, Slowakei oder Ungarn vergleichbar ist, zeigte Abgeordneter Christian Hafenecker (F) auf. Er fragte sich zudem, warum sich gerade die ÖVP so schwer tut, die Gelder frei zu geben, zumal der ländliche Raum massiv von den Versorgungslücken betroffen ist.

Die heutige Aktuelle Stunde sei ein guter Beleg dafür, dass sich die Regierung nur mehr gegenseitig blockiert und den Stillstand verwaltet, urteilte Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G). Genau das brauche Österreich aber am wenigsten, zumal es in verschiedenen wichtigen Rankings bereits deutliche Rückschritte gegeben hat. Ebenso wie ihre Kollegin Gabriela Moser richtete sie den dringenden Appell an die Regierung, die Breitbandmilliarde frei zu geben. Es sei ja völlig absurd, wenn alle sechs Fraktionen dieses Hauses geschlossen hinter der Breitbandoffensive stehen, dennoch aber nichts weitergehe. Das grundlegende Problem sei wohl, dass man bei der Verlegung von "unsichtbaren Glasfaserkabeln im Boden" nicht medienwirksam "Bänder durchschneiden" und sich mit diesen Investitionen nicht brüsten könne. Stattdessen versickere das Geld im Milliardenloch der Hypo, beklagte Moser.

Kritik an der Haltung des Finanzministers, der die notwendigen Mittel für den Ausbau des Internets nicht frei gibt, übte auch Abgeordneter Rouven Ertlschweiger vom Team Stronach. Alle Experten bestätigen, dass die Datengeschwindigkeit eine ganz essentielle Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit einer Region hat. Ein Land, das seinen Menschen und vor allem seinen Unternehmen keine ordentliche und zeitgemäße Infrastruktur zur Verfügung stellt, wird im internationalen Wettbewerb nicht konkurrenzfähig bleiben, argumentierte er. Abgeordneter Robert Lugar (T) gab zu bedenken, dass auf Basis der Satellitentechnik ein Breitbandanschluss für jedes Haus in Österreich möglich wäre. Die Regierung wolle aber die Telekom fördern, die nur mehr einen Hoffnungsmarkt, nämlich das kabelgebundene Internet, hat, kritisierte der Redner. Dies sei keine vernünftige Strategie.

Da es offensichtlich einen Konsens darüber gibt, dass in die Breitbandoffensive investiert werden müsse, gehe es nur mehr um die Fragen wie schnell, wieviel und wann, erklärte NEOS-Abgeordneter Nikolaus Alm. Auch wenn der Bundesministerin Bures zugute gehalten werden muss, dass sie in dieser Frage insistiert, sei es symptomatisch für die große Koalition, dass wichtige Fragen verschleppt werden. Abgeordneter Michael Pock (N) ging auf einige Schwachpunkte in der bisherigen Förderpraxis ein, die seiner Meinung nach weder wettbewerbs- noch technologieneutral erfolgte, von der vor allem die Telekom Austria profitierte. Außerdem sollten nicht nur kabelgebundene, sondern auch mobile Breitbandtechnologien entsprechende Berücksichtigung finden. Wichtig sei auch eine effiziente Bedarfserhebung, um eine "Gießkannenförderung" zu verhindern. (Fortsetzung Nationalrat) sue