Parlamentskorrespondenz Nr. 683 vom 09.07.2014

Duale Ausbildung: Weiterentwicklung und Qualitätssicherung

Nationalrat debattiert Stand der Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung

Wien (PK) – Die Perspektiven der österreichischen Lehrlingsausbildung stehen im Zentrum des Berichts über die Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung 2012 und 2013. Der Bericht beruht auf einer Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) und des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung (öibf). Auf Verlangen des Team Stronach war er vom Wirtschaftsausschuss nicht enderledigt worden, sondern wurde auch in der heutigen Nationalratssitzung debattiert, wobei sich letztlich die FPÖ und das Team Stronach gegen die Kenntnisnahme des Berichts aussprachen. Ein Antrag der FPÖ auf Einführung eines "Blum-Bonus neu" zur Förderung der Lehrlingsausbildung durch Betriebe blieb in der Minderheit.

FPÖ will "Blum-Bonus neu"

Der Bericht lasse die wirtschaftspolitischen Versäumnisse der Regierung in den letzten Jahren erkennen, sagte Christian Höbart (F). Die Anzahl der Lehrbetriebe sinke Jahr für Jahr. Die Freiheitlichen würden daher seit langem ein Maßnahmenbündel fordern, das unter anderem eine Senkung der Lohnnebenkosten, die Wiedereinführung des Blum-Bonus und eine Übertragung der Arbeitsagenden aus dem Sozial- ins Wirtschaftsressort umfasst. Der Bericht zeige auch massive Bildungs- und Ausbildungsprobleme bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf. Zuwanderung überbelaste die sozialen Sicherungssysteme, folgerte Höbart daraus. Fraktionskollege Thomas Schellenbacher fügte hinzu, viele Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit seien zwar kostspielig, brächten jedoch nur bescheidene Erfolge. Lehrlingsausbildung überfordere viele KMUs. Die gelte besonders für die Tourismus– und Freizeitwirtschaft.

Bernhard Themessl (F) kritisierte den Bericht als Versuch einer Beschönigung der tatsächlichen Situation. Die darin angeführten Optimierungsvorschläge für die Lehrausbildung würden sei Jahren keine greifbaren Erfolge bringen. Statt auf überbetriebliche Ausbildung zu setzen gelte es, mehr Anreize für Betriebe zu schaffen, selbst Lehrlinge auszubilden, argumentierte Themessl. Er sprach sich in einem Entschließungsantrag für einen "Blum-Bonus neu" aus.

ÖVP: Duale Ausbildung ist weiterzuentwickeln

Das System der dualen Ausbildung habe sich bewährt, hielt Angelika Winzig (V) ihm entgegen, es habe dementsprechend zentrale Stellung im Regierungsprogramm. Das Problem des Lehrlingsmangels entstehe nicht zuletzt aufgrund eines demographischen Wandels. Wichtig sei es, Jugendliche direkt in den ersten Arbeitsmarkt, also in Betriebe, zu integrieren und sie nur ausnahmsweise in überbetrieblichen Lehrwerkstätten unterzubringen. Eine Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr werde das Problem hier eher noch verschärfen, meinte Winzig und warb für das Schweizer Modell der modularen Ausbildung. Der Ausbau der Teillehre wäre aus ihrer Sicht eine sinnvolle Ergänzung der Lehrwerkstätten. Mit mehr Berufsorientierung und besserer Nutzung der Potenzialanalyse durch die Schulen könnte man dazu beitragen, dass Jugendliche den für sie richtigen Beruf wählen. Brigitte Jank (V) stellte fest, Österreich könne mit seinem Ausbildungssystem im immer härter werdenden internationalen Wettbewerb bestehen. Selbstverständlich müsse man die Lehre aber weiterentwickeln. Der Rückgang der Zahl an Lehrberufen sei auch eine Folge des Wandels hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft, gab sie zu bedenken.

Team Stronach: Jugendarbeitslosigkeit ist Gefahr für die Zukunft

Waltraud Dietrich (T) befürchtete, die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern bei einem gleichzeitigen Facharbeitermangel sei Teil einer Fehlentwicklung, welche die Zukunft Europas in Frage stelle. Österreich sei mit der dualen Ausbildung zwar auf einem gutem Weg, es gebe aber auch hier Defizite. Dietrich nannte unter anderem die mangelhafte Integration vieler Jugendlicher mit Migrationshintergrund. Immer mehr Lehrlinge würden Mängel bei der Beherrschung der elementaren Kulturtechniken zeigen, beklagte sie. Es gelte daher weniger auf die formale Erfüllung der Schulpflicht zu achten sondern darauf, welches Ausbildungsniveau letztlich erreicht werde, sagte sie.

SPÖ sieht überbetriebliche Lehrwerkstätten als Erfolg

Es gebe für Österreich trotz einer hohen Jugendbeschäftigung sicherlich keinen Grund, sich auf den Lorbeeren ausruhen, waren sich die SPÖ-Abgeordneten Cornelia Ecker, Wolfgang Katzian und Hermann Krist einig. Ecker wies auf den drohenden Facharbeitermangel hin und betonte, alle Jugendlichen, gleich welcher sozialen Herkunft, müssten die Chance erhalten, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Österreich sei aufgrund gut ausgebildeter Menschen ein reiches Land geworden. Die Ausbildung der Jugend müsse daher im Mittelpunkt stehen, wolle man die Zukunft meistern.

Wolfgang Katzian sah keine Alternative zum Angebot der überbetrieblichen Lehrausbildung, wenn man vermeiden wolle, dass Jugendliche auf der Straße landen. Das Image der Lehre könne langfristig nur verbessert werden, wenn die angebotene Ausbildung entsprechende Qualität aufweise. Er setze daher auf Qualitätsmanagement und -sicherung, unterstrich er. Hermann Krist forderte besondere Aufmerksamkeit für Jugendliche mit Migrationshintergrund und war für die Einführung einer Ausbildungspflicht bis 18 Jahre.

Grüne fordern mehr Anstrengungen zur Qualitätssicherung der Lehre

Die Qualitätssicherung der Ausbildung gehe viel zu langsam voran, stellte Birgit Schatz (G) fest. Es fehle auch eine unabhängige Kontrollinstanz für die Qualität der Ausbildung. Die Wirtschaftskammer könne diese ihrer Meinung nach unabhängige Rolle nicht erfüllen, sagte die Abgeordnete. Sie wies auf eine für sie beispielhafte Initiative von Jugendlichen aus Villach zur Verbesserung der dualen Ausbildung hin. Die Erhebungen der Jugendlichen zeigten, dass viele Betriebe Fachkräfte nicht ausreichend ausbilden können, da Berufsbilder, etwa im Tourismus, einem raschen Wandel unterliegen. Die duale Ausbildung sei an sich gut, brauche aber ein viel rascheres "Update", wie Schatz formulierte.

NEOS kritisch zu überbetrieblichen Lehrwerkstätten

Gerald Loacker (N) sah im hohen Prozentsatz von Jugendlichen, die in überbetrieblichen Lehrwerkstätten ausgebildet werden, ein Signal für Mängel der Wirtschaftspolitik. Die Lehrwerkstätten seien ursprünglich als Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik für einen bestimmten Zeitraum gedacht gewesen, nicht als Ersatz oder Konkurrenz für die Ausbildung in den Betrieben, argumentierte er. Der vorliegende Bericht weise explizit darauf hin, dass der Anteil der Lehrlinge, deren Ausbildung in den Betrieben erfolge, nicht weiter sinken dürfe. Um diesem Trend entgegenzuwirken, müsse man beim Bildungssystem ansetzen, befand Loacker.

Mitterlehner: Lehre ist nach wie vor gefragt

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wies darauf hin, dass in Österreich seit Jahren konstant etwa 40 % eines jeden Geburtsjahrganges eine Lehre beginnen. Er folgere daraus, dass sich die Lehre im Wettbewerb mit der Schule bewähre und nach wie vor gefragt sei, sagte der Minister. Sie stelle nach wie vor einen guten Einstieg in die berufliche Selbständigkeit dar. Österreich habe ein Vorzeigemodell anzubieten, das von anderen Ländern anerkannt werde. Die Wirtschafts- und Ausbildungspolitik der Regierung sei erfolgreich, das gelte auch für die überbetriebliche Ausbildung. Mitterlehner konzedierte, dass es vieles zu verbessern gebe, meinte aber auch, der Blum-Bonus entspreche nicht mehr der heutigen Situation auf dem Arbeitsmarkt. Das gebe auch die FPÖ mit der Formulierung, einen "Blum-Bonus neu" zu wollen, indirekt zu. Für Betriebe, die Jugendliche aus überbetrieblichen Lehrewerkstätten übernehmen, gebe es zudem bereits Förderungen. Eine Evaluierung der Lehre und Weiterentwicklungen zur Verbesserung des dualen Ausbildungssystem finde laufend statt, unterstrich der Minister. (Fortsetzung Nationalrat) sox