Parlamentskorrespondenz Nr. 718 vom 24.07.2014

Vermeintliche illegale Doppelstaatsbürger beschäftigen Bundesrat

Brandstetter: Es fehlen Daten und Fakten

Wien (PK) – Besitzen mehrere zehntausend in Österreich lebende Türkinnen und Türken unerlaubter Weise sowohl die österreichische als auch die türkische Staatsbürgerschaft? Mit dieser Frage beschäftigte sich heute der Bundesrat. Die FPÖ hatte aufgrund eines Artikels in der "Presse" vom Mai eine Dringliche Anfrage an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gerichtet. Die Beantwortung der insgesamt 19 Einzelfragen fiel allerdings knapp aus: Justizminister Wolfgang Brandstetter konnte in Vertretung von Mikl-Leitner keine konkreten Zahlen nennen und wies in vielen Bereichen auf die Zuständigkeit des Außenministeriums und der Länder hin.

Laut FPÖ liegt der Verdacht nahe, dass mindestens die Hälfte der österreichischen StaatsbürgerInnen mit türkischer Herkunft auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Türken müssten beim Erhalt des österreichischen Passes ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft zwar zunächst aufgeben, hielt der Wiener Bundesrat Hans-Jörg Jenewein im Rahmen der Begründung der Dringlichen Anfrage fest, viele würden später anscheinend aber die Möglichkeit nutzen, diese wieder zurückzuerwerben. Nach türkischem Recht sei das legal, nach österreichischem allerdings nicht, weil Doppelstaatsbürgerschaften nur in Ausnahmefällen gestatten seien. Da Österreich jedoch keine Informationen von den türkischen Behörden erhalte, könne nichts dagegen unternommen werden. Jenewein forderte die Bundesregierung in diesem Sinn auf, Druck auf die Türkei auszuüben, um einen Informationsaustausch sicherzustellen und die türkischen Konsulate zu bewegen, diese Praxis abzustellen.

Ein klares Indiz dafür, dass der Verdacht von zehntausenden Doppelstaatsbürgschaften stimmt, ist für Jenewein der Wahlkampfauftritt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Wien. Wenn es hier nicht viele Stimmen zu holen gäbe, wäre Erdogan nicht nach Österreich gekommen, ist er überzeugt. Erdogans Auftritt wurde auch von Jeneweins Fraktionskollegen Werner Herbert kritisiert. Für ihn ist in diesem Zusammenhang klar, MigrantInnen, die keine Bereitschaft zu Integration zeigten, hätten in Österreich nichts verloren.

Justizminister Wolfgang Brandstetter führte im Rahmen der Beantwortung der Anfrage aus, die Rechtslage in Österreich sei eindeutig: Wer eine andere Staatsbürgerschaft annehme, verliere die österreichische "ex lege". Sollte es solche Fälle, wie von der FPÖ angesprochen geben, seien die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Er vermisst allerdings Daten und Fakten. Brandstetter gab außerdem zu bedenken, dass die Vollziehung des Staatsbürgerschaftsgesetzes Sache der Länder sei und Konsularangelegenheiten in die Kompetenz des Außenministeriums fallen.

Dem Innenministerium sind Brandstetter zufolge jedenfalls keine Fälle bekannt, wo junge türkisch-österreichische Doppelstaatsbürger beim Heimaturlaub Probleme wegen des Militärdienstes bekommen hätten. Auch Informationen über Türken mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die Militärdienst in der Türkei versehen, liegen dem Ressort nicht vor, sagte er. Die einzige Zahl, die Brandstetter nennen konnte, bezog sich auf die eingebürgerten Türken: demnach erhielten in den letzten 20 Jahren 120.549 Türken die österreichische Staatsbürgerschaft.

Der Justizminister teilte den BundesrätInnen darüber hinaus mit, dass die von der FPÖ angeschnittene Thematik im Rahmen der regelmäßigen Konsular-Konsultationen, die vom Außenministerium geleitetet werden, zur Sprache gebracht wurde, und zwar bei einem Termin am 5. Juni.

In der Debatte selbst ging es mangels konkreter Daten weniger um den Gegenstand der Dringlichen Anfrage als um allgemeine Migrationsfragen. So plädierte der Wiener SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach dafür, generell über das Thema Doppelstaatsbürgerschaften nachzudenken. Er hält diese grundsätzlich für kein Problem, wenn einzelne Fragen gelöst werden.

Auch Bundesrat Efgani Dönmez von den Grünen sprach sich für die Ermöglichung von Doppelstaatsbürgerschaften aus. Er wandte sich jedoch strikt dagegen, die Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft an eine bestimmte Aufenthaltsdauer zu koppeln. Voraussetzung für den Erwerb eines österreichischen Passes müsse ein klares Bekenntnis zu Österreich sein.

Für Aufregung sorgte scharfe Kritik von Schennach an der FPÖ. Bundesrat Jenewein habe mit falschen Behauptungen bewusst provozieren wollen und "rhetorischen Müll" produziert, sagte er. Zudem kritisierte er die von der FPÖ bekannt gegebene Bestellung von Maximilian Krauss zum Wiener Vize-Stadtschulratspräsidenten, den er als "Hetzer" und "Rassisten" bezeichnete, ein Vorwurf, den FPÖ-Bundesrätin Monika Mühlwerth umgehend als Verleumdung zurückwies. Sowohl Schennach als auch Jenewein erhielten nachträglich für ihre Wortwahl am Rednerpult bzw. in einem Zwischenruf Ordnungsrufe. In die Debatte um rassistische Hetze, etwa im Zuge von Anti-Israel-Demonstrationen in Österreich, schalteten sich auch Dönmez und sein Fraktionskollege Marco Schreuder ein.

Zur Dringlichen Anfrage merkte Dönmez an, die Lage in Syrien und im Nahen Osten wären weitaus dringlichere Themen als die von der FPÖ angesprochene Problematik. Seitens der ÖVP wies der steirische Bundesrat Franz Perhab darauf hin, dass das Innenministerium nur für wenige der in der Dringlichen Anfrage angesprochen Bereiche zuständig sei. (Fortsetzung Bundesrat) gs


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