Parlamentskorrespondenz Nr. 762 vom 09.08.2014

NR-Präsidentin Barbara Prammer als herausragende Demokratin gewürdigt

Österreich verliert eine große Tochter

Wien (PK) – Den Menschen und die Politikerin Barbara Prammer würdigten prominenten RednerInnen bei der heutigen Trauerfeier für die verstorbene Nationalratspräsidentin. So beschrieb etwa Bundespräsident Heinz Fischer, der selbst zwölf Jahre lang an der Spitze des Nationalrats stand, Prammer als "Stimme der Vernunft". Neben Fischer sprachen auch Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf, Bundesratspräsidentin Ana Blatnik, Journalistin und Herausgeberin Barbara Coudenhove-Kalergi, Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Bundeskanzler Werner Faymann. In sämtlichen Reden kam die Betroffenheit über den Verlust der im In- und Ausland anerkannten Staatsfrau, wie Kopf sie nannte, deutlich zum Ausdruck.

Genauso groß wie unter den politischen Entscheidungsträgern ist die Anteilnahme in der Bevölkerung: Im elektronischen Kondolenzbuch für die Nationalratspräsidentin trugen sich bis Freitagabend mehr als 5.400 Personen ein und rund 5.000 trauernde Bürgerinnen und Bürger erwiesen der Präsidentin am Donnertag und Freitag am Sarg in der Säulenhalle des Parlaments ihre Ehrerbietung. Auf der zum Zweck der Trauerfeier gesperrten Ringstraße vor dem Parlament hatten sich rund 2.000 Menschen versammelt, um der im 61. Lebensjahr ihrem Krebsleiden erlegenen Präsidentin zu gedenken.

Kopf: Barbara Prammer hat als Präsidentin des Hauses tiefe Spuren hinterlassen

Mit einem Zitat von Bertrand Russell eröffnete Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf seine Traueransprache: "Der weise Mensch wird sterben wollen im Bewusstsein, dass andere fortführen werden, was zu vollenden ihm versagt war, und glücklich in dem Gedanken, getan zu haben, was in seinen Kräften stand." Barbara Prammer durfte in dem Gedanken sterben, getan zu haben, was in ihren Kräften stand, betonte Kopf und fügte an, dies sei viel mehr gewesen, als anderen zu tun vergönnt ist. Er wage aber auch zu hoffen, dass Barbara Prammer in der Gewissheit gestorben ist, dass wir uns verpflichtet fühlen, jene Dinge zu vollenden, deren Vollendung ihr durch ihren allzu frühen Tod versagt geblieben ist.

Dem Nationalrat habe der Tod eine Präsidentin genommen, die in den knapp acht Jahren ihrer Präsidentschaft tiefe Spuren hinterlassen hat. Kopf beschrieb Barbara Prammer als engagierte Kämpferin für den unverzichtbaren Stellenwert und die Würde des Parlaments als Zentrum des demokratischen Österreich und die stetige Weiterentwicklung der parlamentarischen Demokratie. Barbara Prammer habe sich zudem unermüdlich bemüht, das Wissen und das Verständnis um bzw. für die Demokratie vor allem bei den jungen Menschen zu stärken, erinnerte Kopf und bezeichnete in diesem Zusammenhang die Errichtung der "Demokratiewerkstatt" als großes Verdienst und Vermächtnis der Verstorbenen. Barbara Prammers Wirken war aber, wie Kopf unterstrich, auch geprägt von ihrem Einsatz für die gesellschaftliche Gleichstellung der Frauen, gegen jede Form von Rassismus, Gewalt und Diskriminierung, von einem klaren Bekenntnis zur Aufarbeitung der Geschichte sowie von ihrem Engagement für die Rechte der ethnischen Minderheiten.

"Ich verneige mich heute respektvoll vor einer großen Demokratin und einer großen Österreicherin", sagte Kopf und bedankte sich namens des Nationalrates, seiner Abgeordneten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Parlaments bei Barbara Prammer für deren umsichtige, überparteiliche und menschliche Art der Führung des Hauses. Er verneige sich aber auch vor dem Menschen Barbara Prammer – vor einer Frau, die mit großer Demut ihre schwere Erkrankung angenommen hat, diese Krankheit gleichzeitig mit enormer Willensstärke bekämpft und trotzdem ihr Amt mit unglaublicher Disziplin bis vor wenigen Wochen nahezu uneingeschränkt ausgeübt hat.

"Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt", betonte Kopf Berthold Brecht zitierend und schloss mit den Worten: "Liebe Frau Präsidentin, wir werden weiterhin sehr oft an Sie denken und Sie in ehrenvoller Erinnerung halten. Der Herrgott möge Ihnen Ihre vielen guten Taten vergelten und Ihnen den ewigen Frieden schenken".    

Blatnik: Barbara Prammer hat Demokratie mit Leben erfüllt

"Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, man muss sie ständig mit Leben erfüllen". Bundesratspräsidentin Ana Blatnik erinnerte an diesen Ausspruch Barbara Prammers und meinte, gerade im Wirken und in der Persönlichkeit der verstorbenen Nationalratspräsidentin haben jene Werte, die Demokratie ausmachen, immer wieder aufs Neue Gestalt angenommen: Das Bekenntnis zu Toleranz und Menschenrechten, zur Chancengleichheit, zu Dialog und Kompromiss sowie das Auftreten gegen Diskriminierung, Antisemitismus Rassismus und Rechtsextremismus. Barbara Prammer konnte Demokratie mit Leben erfüllen, sagte Blatnik, weil Politik für sie nichts Abstraktes war, sondern die Chance und konkrete Möglichkeit, Alltagswirklichkeiten mitzugestalten. Ihre Beharrlichkeit und Ernsthaftigkeit im Bemühen um ein humanes Miteinander werden wir alle vermissen, sie sind uns aber zugleich Inspiration und Auftrag, ihren Weg weiterzugehen.

Ein konstruktives Miteinander zu leben, hieß für Barbara Prammer aber auch, weit über Grenzen zu blicken, Mehrsprachigkeit als Bereicherung wahrzunehmen und interkulturelle und internationale Begegnung zu forcieren. Aus dieser Überzeugung heraus habe die Verstorbene immer wieder ihre Stimme für die Rechte der Volksgruppen in Österreich erhoben, betonte Blatnik und rief das Engagement Barbara Prammers für die Kärntner Slowenen, aber auch für die Roma in Erinnerung. Besondere Bedeutung hatte für die Nationalratspräsidentin überdies auch die Förderung der parlamentarischen Diplomatie, die sie, wie Blatnik unterstrich, nutzte, um sich für die weltweite Stärkung des Parlamentarismus und der Menschenrechte sowie für Abrüstung und Frieden einzusetzen. So habe sie sich bei ihren zahlreichen internationalen Kontakten nie gescheut, auch gegenüber hochrangigen Persönlichkeiten schwierige Themen dialogorientiert anzusprechen. "Liebe Barbara, Danke für alles", schloss Blatnik und fügte daran auch ihre Dankesworte in slowenischer Sprache an.

Coudenhove-Kalergi: Barbara Prammer war eine Politikerin mit Anstand

Barbara Coudenhove-Kalergi erinnerte sich in ihrer Trauerrede an Barbara Prammer als Politikerin, die ihr Amt nicht nur mit Anstand, sondern auch mit Anmut ausgefüllt hatte. Barbara Prammer ging es bei ihrer politischen Arbeit nicht um Macht oder Geld, sondern einzig und allein um eine bessere Gesellschaft. Sie habe gezeigt, dass man Politikerin sein kann, ohne sich zu "verbiegen". Coudenhove-Kalergi würdigte die Verstorbene aber auch als Politikerin mit fester Ideologie, die aus dem Arbeitermilieu kam und durch die Ereignisse im Jahr 1934 in ihrer Heimatgemeinde geprägt war. Barbara Prammer sei selbst auf einem festen Wertefundament gestanden und sei gerade deshalb offen für die Ideen und Überzeugungen anderer gewesen.

Als vorbildlich bezeichnete Coudenhove-Kalergi überdies den Umgang Barbara Prammers mit ihrer Krankheit. Die Nationalratspräsidentin habe, so lange es ging, ohne Wehleidigkeit und Getue ihre Arbeit geleistet und damit nicht nur gezeigt, wie man mit Anstand lebt, sondern auch wie man mit Anstand stirbt. Barbara Prammer wäre eine gute Bundespräsidentin geworden, war Coudenhove-Kalergi überzeugt. 

Heinisch-Hosek: Barbara Prammer war große Tochter Österreichs

Gabriele Heinisch-Hosek würdigte in ihren Worten die sozialdemokratische Frauenpolitikerin Barbara Prammer, die für sie Freundin und Mentorin war. Die Arbeit Barbara Prammers sei immer von dem festen Willen geprägt gewesen, das Leben der Frauen besser zu machen und ihnen eine Zukunft ohne Hürden zu ermöglichen – eine Zukunft, in der Frauen gleichberechtigt und selbstbestimmt leben können. Zuhören, beraten, Schicksale und Lebensgeschichten aufnehmen und aktiv Hilfestellung geben, waren Motivation und Antrieb ihrer beruflichen Tätigkeit und all ihres frauenpolitischen Handelns. Heinisch-Hosek sprach in diesem Zusammenhang Barbara Prammers Wirken als Frauenministerin an und erinnerte an das in ihrer Amtszeit erlassene Gewaltschutzgesetz. Darüber hinaus habe die Verstorbene aber auch die Basis für die Kindergartenmilliarde gelegt, da sie von der Überzeugung ausgegangen sei, dass Kinder und Beruf für Frauen kein Widerspruch sein dürfen. Schließlich habe Barbara Prammer auch die Weichen für die Verankerung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Verfassung gestellt.

Das Engagement Barbara Prammers habe aber auch weit über die Grenzen Österreichs gewirkt – als Vorsitzende der Sozialistischen Fraueninternationale oder etwa als Europabotschafterin des Afrikanischen Netzwerkes gegen weibliche Genitalverstümmelung. Für Heinisch-Hosek war Barbara Prammer überdies eine wichtige Verbündete für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die durch ihr Wirken einen Weg in eine offenere Gesellschaft eingeschlagen hat. Heute eint uns alle der Respekt vor ihrer Haltung und die Bewunderung ihrer Leistungen, unterstrich die Ministerin und fügte an: " Du warst ein liebenswerter Mensch und du bist eine große Tochter Österreichs und Europas. Nicht die Jahre in unserem Leben zählen, sondern das Leben in unseren Jahren. Barbara, ich bin stolz, dich gekannt zu haben."   

Faymann: Österreich verliert eine große Politikerin, Staatsfrau und führende Persönlichkeit

Österreich verliert eine große Politikerin, Staatsfrau und führende Persönlichkeit, würdigte Bundeskanzler Werner Faymann Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Prammer sei eine Leitfigur der Demokratie und ein außerordentlich lieber und wertvoller Mensch gewesen. Wie stark sie gewirkt hat, sehe man auch am unglaublichen Ausmaß an Respekt und Trauer, das ihr früher Tod bei den Menschen ausgelöst hat. Sie habe trotz ihres hohen Amtes nie den Kontakt zur Bevölkerung verloren.

Prammers Grundsatztreue sei nie im Widerspruch zu Toleranz und Offenheit gestanden, sagte der Bundeskanzler, sie habe die Leidenschaft für das Gemeinsame und der Sinn für das Machbare ausgezeichnet. Das demokratische Gemeinwesen brauche Menschen wie Prammer, die unablässig für Demokratie, Menschenrechte und solidarisches Miteinander eingetreten ist und konsequent gegen Verhetzung, Rassismus und Antisemitismus gekämpft hat. Sie hat sich zur Verantwortung vor der Geschichte bekannt und immer wieder gemahnt, diese auch wahrzunehmen, unterstrich der Bundeskanzler.

Als überzeugte Demokratin habe Barbara Prammer mit ihrem Engagement Österreich geprägt, das vor allem auch der politischen Bildung junger Menschen galt, so Faymann. Der Bundeskanzler erinnerte in diesem Zusammenhang an Prammers Überzeugung, dass Kinder Herzensbildung erfahren und gesellschaftliche Zusammenhänge begreifen müssen.

Die Demokratie habe heute mehr denn je Menschen wie Prammer nötig, die mit Beharrlichkeit, Zuversicht und der Fähigkeit, auch zuhören zu können, Ziele verfolgen und das Gemeinsame vor das Trennende stellen, betonte Faymann. Prammer sei daher auch Respekt über die Parteigrenzen hinweg entgegengebracht worden.

Fischer: Eine starke, tapfere, zarte und liebenswerte Frau"

Einen sehr persönlichen Zugang wählte auch Bundespräsident Heinz Fischer in seiner Trauerrede, der von einer "starken, tapferen, zarten und liebenswerten Frau" sprach. Barbara Prammer werde als große Frau und beeindruckende Persönlichkeit in die Geschichte eingehen. Sie habe als eine Stimme der Vernunft gegolten, die über die Grenzen des Landes hinaus gehört wurde.

Der Bundespräsident drückte einmal mehr seine Erschütterung darüber aus, dass Barbara Prammer am Zenit ihres Lebens und Wirkens als anerkannte Nationalratspräsidentin, geachtete Persönlichkeit und geliebtes Familienmitglied so plötzlich von einer heimtückischen Krankheit aus dem Leben gerissen wurde. Ihr 60. Geburtstag, den sie Anfang dieses Jahres gefeiert hat, sei noch eine Kundgebung ihres Lebenswillens gewesen. Prammer sei mit diesem schweren und unerwarteten Schicksalsschlag in bewundernswerter Weise umgegangen, zollte der Bundespräsident Prammer Respekt. Die Krankheit habe diesen Lebenswillen jedoch überwunden.

Fischer ließ es sich aus diesem Anlass nicht nehmen, den Ärztinnen und Ärzten, dem Pflegepersonal sowie der Krebshilfe, aber auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken, die die Nationalratspräsidentin bis zum Schluss begleitet haben.

Er richtete aber auch mahnende Worte an die Öffentlichkeit und die Medien, die Prammer in den Tagen nach ihrem Tod so viel Anerkennung, Zustimmung und Lob entgegengebracht haben. "Barbara Prammer hätte sich über einen Bruchteil davon zu Lebzeiten gefreut", sagte Fischer und schloss daran die eindringliche Bitte und den Appell, zeitgerecht Sensibilität, Fairness und Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den anderen Menschen zu entwickeln.

Musikalisch umrahmt wurden die Reden von Harri Stojka sowie Timna Brauer und Band, in Würdigung an Barbara Prammers Einsatz für Minderheiten und gegen Faschismus. (Schluss) hof/jan/rei

HINWEIS: Fotos von der Trauerfeier finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.