Parlamentskorrespondenz Nr. 827 vom 24.09.2014

Nationalrat: Verkauft der Staat Liegenschaften zu günstig?

Rechnungshof kritisiert Immobiliengeschäfte und fordert bessere Planung bei umfangreichen Beschaffungen

Wien (PK) – Anhand von Berichten des Rechnungshofs debattierte der Nationalrat nach Ende der Europadebatte zunächst über die Vergabe und Kontrolle von Umsatzsteuernummern, Liegenschaftsverkäufe der Sozialversicherungen und über Beschaffungen im Innenressort, insbesondere über das Digitalfunk-Projekt. Steuernummern und Umsatzsteuer-Identifikationsnummern (UID) seien korrekt aufgenommen, vergeben und gelöscht worden, hatte der Rechnungshof dem Finanzministerium attestiert, zugleich aber Kritik an einer uneinheitlichen Vorgangsweise geübt, die Prüfungen bei neuen Unternehmen unterschiedlich wahrscheinlich machten.

Beim Thema Liegenschaftsverkäufe von Sozialversicherungen erfuhren die Abgeordneten, dass Sozialversicherungsanstalten beim Verkauf von Liegenschaften ein unzweckmäßiges Bewertungssystem anwendeten und werterhöhende Faktoren nicht berücksichtigten, was die Erlöserwartungen senkte. Bei Verkäufen werde auf eine öffentliche Interessentensuche verzichtet und Termine für Bieter so kurzfristig angesetzt, dass dies den Wettbewerb einschränkte. Bei der Anmietung der Roßauer Lände 3 schließlich habe die Universität Wien einen nachteiligen Mietvertrag abgeschlossen, registrierte der Rechnungshof, der Handlungsbedarf sah und die ordnungsgemäße Abwicklung von Bewertungsverfahren empfahl. Der RH-Bericht wurde vom Plenum des Nationalrats einstimmig zur Kenntnis genommen.

Dass die Universität Wien die Liegenschaft an der Roßauer Lände angemietet statt gekauft habe, bedauerte Abgeordnete Ruth Becher (S) in ihrer einleitenden Stellungnahme ausdrücklich und schlug vor, das Universitäts-Konzept für eine zentralisierte Struktur in der Innenstadt zu prüfen. Becher macht auf das Entwicklungspotential des Standorts Aspern seit der U2-Anbindung aufmerksam und ließ Präferenzen für dezentrale Universitätsstandorte in Wien erkennen.

Klarere Vorgaben für Finanzämter und Unternehmen, wie sie der Rechnungshof beim Thema Umsatzbesteuerung empfiehlt, hielt auch Abgeordneter Josef Lettenbichler (V) für notwendig, machte aber zugleich auf das grundsätzlich positive Zeugnis des Rechnungshofs für die Finanzämter aufmerksam.

Missstände bei Immobiliengeschäften ausgegliederter Gesellschaften 

Warum die Universität Wien das Objekt an der Roßauer Lände nicht direkt vom ursprünglichen Eigentümer erworben oder angemietet habe, fragte Abgeordneter Axel Kassegger (F). Er sah Ungereimtheiten beim Verkauf dieser Liegenschaft an eine Genossenschaftsbank, die das Gebäude zum Nachteil der Universität Wien an diese weiter vermietete. Kassegger drängte auf die raschere Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofs zur Vorgangsweise beim Liegenschaftsverkauf durch Sozialversicherungen. 

Auch für Abgeordnete Gabriele Moser (G) ist das Geschäft "Roßauer Lände" ein himmelschreiendes Beispiel für Misswirtschaft bei Immobilienverkäufen öffentlicher Gesellschaften. Eine Genossenschaftsbank erwirbt ein Objekt um 30 Mio. € und vermietet es langfristig um 400 Mio. € an die Republik zurück. Die Abgeordnete problematisierte an dieser Stelle Ausgliederungen, sprach den Vorwurf von "Geschäften unter Freunden" aus und forderte, die Empfehlung des Rechnungshofs auf transparentere Vergabeverfahren umzusetzen. Einmal mehr zeige sich, so Moser, wie wichtig die Kontrolle des Rechnungshofs sei.  

Wie viel Geld der Staat bei Immobiliengeschäften liegen lasse, empörte auch Abgeordnete Martina Schenk (T), die ihrerseits nicht nachvollziehbare Bieterverfahren und Doppelgleisigkeiten bei der Genehmigung von Grundstücksverkäufen kritisierte. Schenk lobte den Rechnungshof für seine engagierte Arbeit und legte einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion vor, der verlangte, dem Rechnungshof angesichts zunehmender Aufgaben die notwendigen Mittel zu geben.

Angesichts der Kritik an Mängeln beim Verkauf von Liegenschaften der Sozialversicherungen schlug Abgeordneter Andreas Ottenschläger (V) vor, bei Geschäften ab einer bestimmten Größe das Know-how der Bundesimmobiliengesellschaft zu nutzen, um optimale Verkaufserlöse zu erzielen.

Kontrolle von Steuernummern wichtig für Staatseinnahmen

Die große Bedeutung der Ausgabe und der Kontrolle der Umsatzsteuerindentifikationsnummern (UID) legte Abgeordneter Erwin Preiner (S) dar. Sie seien die Eintrittskarten für Unternehmen in den EU-Binnenmarkt. Da die Mehrwertsteuerlücke in Österreich auf 3,1 Mrd. € oder 14 % der gesamten Umsatzsteuerschuld geschätzt werde, unterstützte der Abgeordnete die Empfehlungen des Rechnungshofs auf eine einheitlichere Vorgangsweise bei der Vergabe und Kontrolle der UID-Nummern und begrüßte die dabei bereits erreichten Fortschritte. - Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. - Der Entschließungsantrag des Teams Stronach auf bessere budgetäre Ausstattung des Rechnungshofs blieb in der Minderheit der Oppositionsparteien und wurde abgelehnt.

Behördenfunk – Lehrgeld bezahlt, Endausbau bis Ende 2018/Anfang 2019 

Mit einem Sonderprüfungsbericht hatte der Rechnungshof die Abgeordneten über das Beschaffungswesen im Innenministerium informiert, das 2010 mit 72 Mio. € das höchste Beschaffungsvolumen aller Ministerien hatte. Ein vollständiger Überblick über Liefer– und Dienstleistungsaufträge sowie die regelmäßige Kontrolle ausgewählter Beschaffungen fehlten. Auch sei das Bundesvergabegesetz durch unzulässige Direktvergaben verletzt worden, stellte der Rechnungshof kritisch fest. Das besondere Interesse der ParlamentariereInnen galt dem Projekt österreichweites digitales Behördenfunknetz für alle Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Nach der Auflösung des Vertrags mit Master–talk habe das Ressort bei der neuerlichen Ausschreibung das Risiko für die Akquisition der Länder übernommen, kritisierte der Rechnungshof und drängte auf rasche Fortschritte sowie auf die Nutzung von Einsparungsmöglichkeiten bei den Funkdienstentgelten und die Beteiligung des Bundes an Einnahmenüberschüssen. Bis 2018 soll der Vollausbau abgeschlossen werden, um weitere Mehrkosten für den Bund zu vermeiden. Bei vergleichbaren Projekten sollte künftig die Planung verbessert werden, um Mehrkosten für die SteuerzahlerInnen zu vermeiden, lautete der Vorschlag von Rechnungshofpräsident Josef Moser.

Lob für den Rechnungshof für Untersuchungen zum Behördenfunk

"Die budgetäre Situation des Rechnungshofs soll verbessert werden", hielt SPÖ-Abgeordneter Elmar Mayer in seiner einleitenden Stellungnahme als Ziel ausdrücklich fest. Die Vorgänge rund um die Vergabe des Projekts zur Einrichtung eines digitalen Behördenfunks für alle Einsatzorganisationen habe gezeigt, wie wichtig die Arbeit des Rechnungshofs sei, dessen 27 Empfehlungen zu diesem Thema großteils bereits umgesetzt wurden. Froh zeigte sich der Redner auch über die absehbare neue Möglichkeit einer Minderheit der Abgeordneten, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, um politische Verantwortungen im Zusammenhang mit Missständen rasch aufzuklären. 

Das für den Katastrophenschutz so wichtige Projekt digitaler Behördenfunk werde gut umgesetzt und bis Anfang 2019 abgeschlossen, zeigte sich Abgeordneter Hermann Gahr (V) überzeugt. Er erinnerte an Mängel und Fehler bei der Erstausschreibung des Projekts und sah es positiv, dass Innenministerin Mikl-Leitner 22 der 27 Rechnungshofempfehlungen bereits umgesetzt habe. Bei diesem Projekt musste Lehrgeld bezahlt werden, mittlerweile sei es aber gelungen, ÖBB und ASFINAG sowie mittlerweile sieben Bundesländer einzubinden, auch Kärnten und Vorarlberg seien bereit mitzumachen, sagte Gahr.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) informierte darüber, dass die Ermittlungen zum Vorwurf von Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit der Einführung des digitalen Behördenfunks immer noch nicht abgeschlossen seien und lobte den Rechnungshof für seine raschen Untersuchungen. Als besonders fragwürdig bezeichnete die Rednerin, dass Entscheidungen über dieses Projekt getroffen wurden, ohne die Meinung der Bundesländer dazu einzuholen. Dies habe zu Verzögerungen und hohen Kosten für die SteuerzahlerInnen geführt, klagte Moser. Um künftig derartige Missstände zu vermeiden, sollten die Regierungsparteien die Opposition, die im Fall Digitalfunk von Anfang an gewarnt habe, rechtzeitig in die Kontrolle einbinden.

Abgeordneter Martina Schenk (T) sprach beim Thema digitaler Behördenfunk von einem Paradebeispiel für Geldvernichtung und lobte ihrerseits die Arbeit des Rechnungshofs.

Aua der Sicht Niederösterreich sprach sich Abgeordneter Hell (S) für eine bessere Einbindung der Bundesländer in Entscheidungen des Bundes aus. Hell betonte die Bedeutung einer optimalen Zusammenarbeit und Kommunikation der Blaulicht-Organisationen im Katastrophenfall und brachte sein Bedauern über die schlechte Abwicklung des Projekts zum Ausdruck.

Die Einrichtung eines digitalen Behördenfunknetzes ist ein Meilenstein bei der Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes, sagte Abgeordneter Andreas Hanger (V), begrüßte die Umsetzung der meisten Rechnungshofempfehlungen zu diesem Thema durch die Innenministerin und hoffte darauf, dass es Bund und Ländern gelingen werde, das Netz rechtzeitig 100-prozentig auszubauen. 

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (S) erinnerte abschließend daran, dass sich der Rechnungshof nicht nur mit dem Projekt Behördenfunk, sondern auch mit der Vergabepraxis im Innenministerium auseinandergesetzt habe und dabei kritische Anmerkungen gemacht habe. Die Rechnungshofkritik sei im Innenressort ernst genommen und die notwendigen Konsequenzen gezogen worden, lobte Gessl-Ranftl.

Mit einem anderen Thema hatte sich Abgeordneter Christian Hafenecker (F) befasst, nämlich mit der Kritik des Rechnungshofs an der Unterschreitung der für Eurofighter-Piloten notwendigen Zahl von jährlich 110 Flugstunden beim Bundesheer. Besorgt um die Sicherheit im österreichischen Luftraum zeigte sich der Abgeordnete auch wegen geplanter Änderungen bei der Luftraum-Verordnung, die unter anderem flachere Landeanflüge und die Einführung einer Transponder-Pflicht für Sportflieger vorsehen soll. Hafenecker brachte dazu einen Entschließungsantrag ein und schlug eine faire Diskussion mit den Luftsportverbänden vor. – Dieser Antrag blieb bei der Abstimmung in der Minderheit. Der Rechnungshofbericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Nationalrat) fru