Parlamentskorrespondenz Nr. 882 vom 08.10.2014

Bundesrat lehnt EU-Vorschlag zum Tierzuchtrecht energisch ab

EU-Ausschuss beschließt weiters kritische Mitteilung zu Datenverbreitung von Erdbeobachtungssatelliten

Wien (PK) – Wie bereits in seiner Sitzung vom 18. September 2014 angekündigt, beschloss der EU-Ausschuss des Bundesrats heute zwei einstimmig angenommene Mitteilungen an die europäischen Institutionen, in denen sich die Ländervertreter äußerst kritisch zu EU-Vorhaben äußern. Auf große Bedenken stieß insbesondere der Verordnungsentwurf der EU-Kommission über die Tierzucht- und Abstammungsbestimmungen für den Handel mit Zuchttieren und deren Zuchtmaterial. Einerseits befürchten die Ausschussmitglieder gravierende negative Auswirkungen auf das innerstaatliche Tierschutzrecht, das in Österreich Ländersache ist, andererseits wird die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Detailregelungen und der delegierten Rechtsakte massiv in Zweifel gezogen. Aber auch der Vorschlag für eine Richtlinie über die Verbreitung der Daten von Erdbeobachtungssatelliten für kommerzielle Zwecke, bei der es um sensible Daten geht, bedarf nach Ansicht des Bundesrats einer weiteren Präzisierung.

EU-Vorschlag zum Tierzuchtrecht gefährdet österreichische Besonderheiten

Was den Verordnungsentwurf zur Tierzucht betrifft, sollen laut Kommission alle tierzuchtrechtlichen Bestimmungen für Rinder, Schweine, Pferde, Schafe und Ziegen zusammengefasst werden. Der Entwurf bündelt daher auf weite Strecken schon bisher geltende Rechtsbestimmungen, Neuregelungen gibt es hinsichtlich der Rechte und Pflichten von Zuchtorganisationen und Züchtern und der grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Zuchtorganisationen. Auch im Bereich der Kontrolle sind Änderungen vorgesehen, die in ihrem Umfang und Inhalt von Österreich negativ beurteilt werden.  

Im Antrag auf Mitteilung unterstreichen die Bundesrätinnen und Bundesräte, die Bestimmungen des Vorschlags seien überschießend, sie verletzten somit auch das Subsidiaritätsprinzip und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene würde die Fortführung der bisherigen Aufgabenteilung und Behördenzuständigkeit sowie jegliche Unterstützung grundlegend in Frage gestellt. Darüber hinaus würden zusätzliche bürokratische und tierzuchtfachlich nicht nachvollziehbare Hürden aufgebaut, anstatt Verwaltungskosten bei den Behörden und Züchtern zu reduzieren. Zusätzliche Detailvorschriften erachten die Ausschussmitglieder deshalb nicht für notwendig, weil der Binnenmarkt und freie Warenverkehr derzeit zufriedenstellend funktioniere, lediglich beim grenzüberschreitenden Tätigwerden von Zuchtorganisationen bestehe Regelungsbedarf. Hinterfragungswürdig hält man zudem Sonderregelungen für bestimmte Tierarten. Die im Verordnungsentwurf vorgesehene hohe Anzahl an delegierten Rechtsakten wird mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Darüber hinaus würde die Rechtsform der Verordnung, die in den Mitgliedsstaaten direkt gilt, den notwendigen Spielraum nahezu beseitigen und möglicherweise auch nationalen bzw. regionalen Besonderheiten in der Tierzucht nicht mehr ausreichend Rechnung tragen, so die Argumentation. Die in Österreich so wichtigen Generhaltungsrassen und aussterbenden Rassen wären laut Bundesrat von der Verordnung im höchsten Ausmaß betroffen und gefährdet.

Der Vertreter des Landwirtschaftsressorts informierte den Ausschuss, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten mit dem Verordnungsentwurf unzufrieden sei und sich deren Kritikpunkte mit jenen von Österreich vielfach decken. Das Ratssekretariat habe daher auch vor, Ende des Jahres ein überarbeitetes Dokument vorzulegen. Im Europäischen Parlament findet derzeit die Erste Lesung statt, er selbst habe in einem direkten Gespräch mit dem Berichterstatter des Ausschusses Verständnis für die Bedenken Österreichs gefunden.

In der anschließenden Diskussion erörterten die Bundesräte Edgar Mayer (V/V), Martin Preineder (V/N) und Stefan Schennach (S/W) nochmals die delegierten Rechtsakte, wobei Schennach vom Versuch der Kommission sprach, sich "Blanko-Schecks" ausstellen lassen zu wollen. Das sei insbesondere auch im Hinblick auf die Kleinräumigkeit der österreichischen Landwirtschaft, die erhalten werden müsse, nicht akzeptabel. Preineder machte auf die Länderkompetenzen im Tierzuchtrecht aufmerksam und warnte davor, dass der EU-Entwurf die bisherige Aufgabenteilung und Behördenzuständigkeit sowie jegliche Unterstützung grundlegend in Frage stelle und es zu Erschwernissen bei der Tierzucht kommen könnte, die nationale und regionale Besonderheiten gefährden.   

Sensible Daten von Erdbeobachtungssatelliten sensibel behandeln

Skepsis war heute im Bundesrat auch gegenüber dem Richtlinienvorschlag über die Verbreitung der Daten von Erdbeobachtungssatelliten für kommerzielle Zwecke angesagt. Im Rahmen ihrer Raumfahrtpolitik möchte die EU unionsweit eine einheitliche Rechtsgrundlage für die zivile Nutzung hochauflösender Satellitendaten (HRSD) schaffen. Derzeit, merkt die Kommission an, bestünden nämlich unter den Mitgliedsländern unterschiedliche Rechtsvorschriften für kommerzielle Tätigkeiten, bei denen HRSD genutzt werden. Das behindere oftmals den freien Datenverkehr zwischen den Ländern im Binnenmarkt.

Insbesondere die technische Definition und Kontrolle von hochauflösenden Satellitendaten gelte es zu harmonisieren, so die Kommission, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen, die im Unionsraum mit diesen Daten arbeiten, zu verbessern. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Datenanbieter würden so Fuß fassen. Jeder Mitgliedstaat sollte außerdem eine zuständige Behörde als Kontaktstelle benennen. Daten, die für Sicherheits- und Verteidigungszwecke gesammelt werden, fallen allerdings nicht unter die Bestimmungen. Das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus zur Erhebung von Umwelt- und Klimadaten, an dem Österreich maßgeblich beteiligt ist, umfasst der Richtlinienvorschlag ebenfalls nicht.

Dieser positiven Sichtweise des Vorschlags konnte sich der Bundesrat nicht anschließen. Man befürchtet, dass jeder Mitgliedstaat innerhalb seiner verfassungsrechtlichen Struktur dazu gezwungen sein könnte, die vom Entwurf umfassten Satellitendaten anzukaufen oder für bestimmte Anwendungen zu nützen. Auch wenn im Dokument selbst keine Rede von einem diesbezüglichen Zwang enthalten ist, müsse man Vorsicht walten lassen, da es zu einem Kontrahierungszwang kommen könnte, argumentierte Stefan Schennach (S/W).

Die Bundesrätinnen und Bundesräte vermissen darüber hinaus eine genau Begriffsbestimmung, was unter sensiblen Daten zu verstehen ist, und bestehen auf einer genauen inhaltlichen Trennung von "sensiblen Daten" und "sensibler Verbreitung".

Dass die Länderkammer mit ihrer Skepsis nicht allein dasteht, hätten auch die Reaktionen aus den anderen Mitgliedsstaaten gezeigt, berichtete der Vertreter des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Es gebe derzeit keinen Hinweis auf Markt- und Wettbewerbsverzerrungen, auch nicht darauf, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Marktverbesserung führen könnten. Die Rechtfertigung für den Vorschlag sei daher unzureichend, auch fehle eine Quantifizierung der Kosten sowie eine Analyse anderer Systeme. Österreich habe sich daher gegen die Aufnahme der Verhandlungen über diese Materie ausgesprochen und befinde sich damit im Einklang mit anderen Ländern.     

Arzneifuttermittel: EU will Risiko der Antibiotikaresistenz verringern

Mit einer Verordnung möchte die Europäische Kommission einheitliche Standards für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Arzneifuttermitteln und Zwischenprodukten in der EU festlegen. Angestrebt werde eine Qualitätssteigerung bei der Behandlung von Krankheiten, speziell in großen landwirtschaftlichen Tierbeständen. Die Verordnung soll eine Richtlinie zur gleichen Thematik ersetzen, deren Vorschriften einer Aktualisierung bedürfen, so die Kommission. Neu sind im Entwurf beispielsweise Regeln zur Zulassung von Betrieben, die Arzneifuttermittel herstellen und vertreiben, und Grenzwerte für die Verschleppung von Tierarzneimitteln in gewöhnliches Futtermittel. Die Vorgaben zu Produktion und Mischen der Arzneifuttermittel wurden an den technischen Fortschritt auf diesem Gebiet angepasst. Intention der Kommission ist es überdies, das Risiko der Antibiotikaresistenz zu verringern und die Tiergesundheit durch eine exakte Dosierung von Tierarzneimitteln zu verbessern. Außerdem will man für innovative, neuartige Arzneifuttermittel Hindernisse beseitigen.

Martin Preineder (V/N) machte gegenüber Cornelia Michalke (F/V) und Heidelinde Reiter (G/S) darauf aufmerksam, dass in Österreich eine prophylaktische Anwendung von Antibiotika verboten ist und daher solche in Futtermitteln nicht zulässig seien.

Das Dokument wurde erst kürzlich von der EU-Kommission vorgelegt und eine erste Präsentation ist für kommenden Freitag vorgesehen. Der zuständige Experte des Gesundheitsministeriums geht davon aus, dass eine Umsetzung des Entwurfs auf Österreich kaum Auswirkungen haben werde, zumal innerstaatlich vor einigen Jahren ein modernes Tierarzneimittelkontrollrecht geschaffen wurde. Dieser Einschätzung schlossen sich auch Martin Preineder (V/N), Ferdinand Tiefnig (V/O) und Stefan Schennach (S/W) an. Der Tiergesundheitsdienst stelle ein Erfolgsmodell dar, sagte Tiefnig, andere Staaten innerhalb der EU seien aber noch nicht so weit, gab er zu bedenken. Dennoch warnten die genannten Ausschussmitglieder vor einem möglichen unzulässigen Eingreifen in die österreichische Behördenstruktur und bestanden darauf, das Thema nochmals auf die Tagesordnung zu nehmen, sollten sich in den kommenden Verhandlungen diesbezügliche Probleme im Rahmen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit ergeben. (Fortsetzung EU-Ausschuss Bundesrat) jan


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