Parlamentskorrespondenz Nr. 886 vom 09.10.2014

Bundesrat diskutiert 6-Punkte-Programm Schulstart Neu

Aktuelle Stunde mit Bildungsministerin Heinisch-Hosek

Wien (PK) – Die Länderkammer startete heute in ihrer ersten Herbstsitzung mit einer Aktuellen Stunde über das sechs Punkte umfassende Bildungsprogramm "Schulstart Neu", das die Bundesregierung vor kurzem bei ihrer Klausur im September vorgelegt hat. Wesentlich darin ist, dass PädagogInnen näher zusammenrücken und die Kinder in der Übergangsphase vom Kindergarten in die Volksschule begleiten. In einem Stufenplan wird diese Schuleingangsphase 2014/15 an 35 Standorten erprobt und evaluiert. Flächendeckend soll diese Maßnahme im Schuljahr 2016/17 umgesetzt werden.

In einer Trauerminute gedachten die BundesrätInnen eingangs der Sitzung der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Bundesratspräsidentin Ana Blatnik würdigte Prammer als liebenswerten Menschen und herausragende Politikern, die unermüdlich für einen gestärkten Parlamentarismus weit über Österreichs Grenzen hinaus eintrat, sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzte und immer ein offenes Ohr für die Angelegenheiten und Anliegen von Minderheiten hatte. Ihr Engagement für eine positive Zukunft werde Inspiration und Auftrag sein, diesen Weg weiterzugehen, sagte Blatnik. Als neue SPÖ-Bundesrätin wurde Daniela Gruber-Pruner aus Wien angelobt.

Heinisch-Hosek: "Schulstart Neu" ermöglicht sanften Übergang

Die neue Eingangsphase, in der die Entwicklungsphasen der Kinder mehr bedacht werden, trage ein stückweit dazu bei, dass nicht nur PädagogInnen und auch Eltern und andere BildungspartnerInnen im Sinne eines besseren pädagogischen Nutzens verstärkt zueinander finden können, sondern auch unterschiedliche Systeme zu verbinden, sagte Heinisch-Hosek und verwies dabei etwa auf die unterschiedlichen Gesetzeslagen in den Bundesländern. Demnach soll das Programm "Schulstart Neu" durch die Vernetzung der Pädagoginnen für die Kinder einen sanften Übergang ermöglichen. Ängste würden dadurch abgebaut und Informationsdefizite aus dem Weg geräumt, zeigte sich die Bildungsministerin zuversichtlich. Sie finde es bemerkenswert und von neuer Qualität, die Kleinen in den Fokus zu rücken, aber auch die Erwachsenenbildung zu stärken. Man sei bemüht, von Anfang an für Kinder aber auch für Erwachsene die beste Bildung zu ermöglichen. Es sei zudem zu kurz gegriffen, Deutsch vor Schulantritt zu fordern, man verfolge in der Koalition aber das Ziel, dass möglichst viele Kinder bei Schuleintritt die Bildungssprache Deutsch beherrschen.

Zudem würden im Bildungssystem sehr wohl neue Wege beschritten, wenn man etwa an den Bereich der ganztägigen Schulen denkt, warf Heinisch-Hosek ein und verwies darauf, dass hier viel Geld in die Hand genommen werde, um Bildungsnachteile auszugleichen und Vereinbarkeitsfragen für Eltern zu lösen. Einiges stehe zwar schon im Regierungsprogramm, räumte die Ministerin ein, neu sei aber vor allem auch das Tempo der Umsetzung. Nicht bis 2018 wolle sich die Bundesregierung Zeit lassen, sondern bereits demnächst vorlegen, was bereits für das nächste Schuljahr, etwa ein Autonomiepaket, als Gesetzesvorlage aufbereitet wird.

Die Anforderungen an das österreichische Bildungssystem seien riesig und sehr herausfordernd, konstatierte Heinisch-Hosek zudem, sie glaube jedoch, dass ein gutes Commitment darüber herrsche, wie die Zukunft des österreichischen Bildungssystems aussehen soll. Vor allem, dass Maßnahmen rasch passieren und bereits bei den Kleinen anzusetzen ist, so die Ministerin.

SPÖ: "Schulstart Neu" bedeutet große Unterstützung für Eltern und Kinder

Die neue Schuleingangsphase werteten die Bundesrätinnen der SPÖ als äußerst positiv im Sinne der Kleinsten. Man habe nun eine langjährige Forderung umgesetzt, was sie ganz besonders freue, meinte Inge Posch-Gruska (S/B). Zum Wohle der Kinder sollen nun die beiden Bildungseinrichtungen stärker zusammenarbeiten, um Ängste und Unsicherheiten aus den Weg zu räumen. Auch für die Eltern bringe die neue Schuleingangsphase mehr Informationen über die Betreuung der Kinder, indem sie in den Werdegang eingebunden werden und Rückmeldungen über Stärken und Schwächen der Kinder bekommen. Für LehrerInnen ist es wiederum positiv, dass sie ihre zukünftigen SchülerInnen schon ein Jahr früher kennenlernen. Der Schulstart ist aber auch oft in finanzieller Hinsicht für Eltern sehr schwierig. Deshalb gebe es im Burgenland den sogenannten Schulstart-Hunderter, der oft wesentliche Unterstützung bedeute. Denn jeder Euro, der auch von Seiten der Gemeinden in Bildung gesteckt werde, sei sinnvoll, unterstrich Posch-Gruska. Auch ihre Fraktionskollegin Elisabeth Reich (S/O) wertete das neue Konzept als spannendes Programm für die PädagogInnen und eine große Unterstützung für Eltern und Kinder, zumal es auch Ziel ist, neben kognitiven, motorischen, körperlichen, emotionalen und sozialen Aspekten auch Aspekte der sprachlichen Entwicklung besonders zu berücksichtigen. Eine durchgängige Sprachförderung fördere die Bildungssprache Deutsch, nutze aber auch die Potentiale der Mehrsprachigkeit, machte sie aufmerksam. Es sei wissenschaftlich fundiert, dass nur jene Kinder, die ihre Muttersprache gut beherrschen, die Chance haben, andere Sprachen zu erlernen. Mit dem Programm werden auch Maßnahmen gesetzt, die die Entwicklung der Sprache und Lesekompetenz bereits im Kindergarten fördern, unterstrich Reich. Für die persönliche Lernerfahrung der Kleinen sei es zudem wichtig, den Leistungsdruck zu minimieren.

ÖVP: Im Sinne der Kinder rücken Kindergarten und Volksschule enger zusammen

Mit dem 6-Punkte-Programm sei eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Kindergartenpädagoginnen und dem Volksschulbereich möglich, konstatierte Günther Köberl (V/St). Mit der Volksschule beginne ein neuer Bildungsabschnitt, in dem die Geschichte, Stärken und Schwächen der Kinder von VolksschullehrerInnen oft neu entdeckt werden müssten, da meist Eindrücke und Erfahrungen der Pädagoginnen am Ende des Kindergartenjahres nicht weitergegebenen werden. Das alles sei nun möglich, begrüßte der Bundesrat und verwies zudem auf die Bedeutung der Sprach- und Leseförderung von Beginn an. Ziel sei es, dass Kinder dem Regelunterricht folgen, merkte er an und sprach sich zudem für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr für Kinder aus, die in diesem Bereich Defizite aufweisen.

Was das Thema Schulautonomie betrifft, plädierte Köberl zudem dafür, autonome Entscheidungen in Schulen, die gemeinsam vom Schulleiter, vom Kollegium und den SchülerInnenvertretern getroffen werden zu unterstützen. Die Schulen würden selbst am besten wissen, wo ihre Stärken und möglichen Schwächen liegen. Man müsse Individualisierung zulassen, wenn es um Schwerpunktsetzung geht, das Blocken von Stunden, Projektarbeiten oder eine flexiblere Pausengestaltung. Man könne nicht alle Schulstandorte vergleichen und auch nicht Schulkonzepte selbst, rief er ins Bewusstsein.  

"Unsere Kinder sind unsere Zukunft", konstatierte die niederösterreichische VP-Bundesrätin Angela Stöckl und verwies darauf, dass die Voraussetzung für einen guten Start ins Berufsleben eine gute Bildung beziehungsweise Ausbildung seien, die bereits bei den Kleinsten beginne. Daher laute der Auftrag der Politik, Kinder so früh wie möglich gezielt zu fördern, Schwächen und Stärken jedes Einzelnen zu erkennen und ihnen vor allem den Übergang vom Kindergarten in die Schule einfacher zu gestalten. Dafür müssten Schule und Kindergarten näher zusammenrücken, was nun auch passiere. Zudem sei wichtig, neue Möglichkeiten zu schaffen, um mehr körperliche Aktivitäten in den Unterricht zu integrieren. "Der gemeinsame Weg ist das Ziel", so die Bundesrätin.

FPÖ: Kritik am Betreuungsschlüssel und PädagogInnengehalt

Die FPÖ wertete das neue Konzept der Übergangsphase für Kinder vom Kindergarten in die Volksschule zwar grundsätzlich positiv, Kritik erntete die Ministern von der Oppositionspartei aber im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsschlüssel und den PädagogInnengehältern. Als Zäsur bezeichnete Monika Mühlwerth (F/W) den Übertritt vom Kindergarten in die Volksschule, in der die Kinder oft auch eine gewisse Ängstlichkeit empfinden, erläuterte sie. Deswegen seien Eltern und auch die Politik aufgerufen, Kinder in diesem Abschnitt bestmöglich zu begleiten und ihnen Freude darauf zu machen, etwas lernen zu dürfen. Es gehöre aber für das Selbständigwerden auch dazu, gewisse Empfindungen auszuhalten, räumte sie ein. Die Notwendigkeit der Akademisierung von Kindergartenpädagoginnen stellte Mühlwerth zudem in Zweifel. Die Frage sei, nachdem sich viele AbgängerInnen von Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik dafür entscheiden würden, nicht den Beruf auszuüben, ob diese Ausbildung zu früh angesetzt ist, gab sie zu bedenken. Zudem gebe es auch den Fall, dass manche an der Matura scheitern, obwohl sie gute KindergartenpädagogInnen sind. Warum viele den Beruf der KindergartenpädagogIn nach der Ausbildung auch vermeiden würden, habe zudem mit den Arbeitsbedingungen zu tun. Eine Gruppengröße von 25 Kindern sei zu viel, räumte Mühlwerth ein, wobei man dabei noch nicht berücksichtigt habe, wie viele Kinder nicht deutsch sprechen. Die FPÖ halte das Prinzip "erst Deutsch, dann Schule" auf jeden Fall aufrecht. Die nächste Hürde sei das viel zu geringe Gehalt. Was Österreich brauche sei eine bestmögliche LehrerInnenausbildung, forderte sie. 

Diese beiden Kritikpunkte griff auch ihr Fraktionskollege Gerhard Dörfler (F/K) auf. Ein Defizit, das weiterhin zu beheben sei, sei der Betreuungsschlüssel in Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Überlastung in diesem Bereich sei ein Faktum und unter diesen Bedingungen vorschulische Lerninhalte zu vermitteln sei oft nicht möglich. Es sei deswegen an der Zeit, den Betreuungsschlüssel per nationalem Rahmengesetz zu verbessern. Außerdem sei die Entlohnung im Kinderbetreuungsbereich nicht mehr zeitgemäß. Es sei unzumutbar, dass hochkarätige Bildungsarbeit mit Löhnen, die etwas höher als die Mindestsicherung sind, abgespeist wird, bemängelte er.

Grüne vermissen neue Inhalte im 6-Punkte-Programm

Nicht wirklich zufrieden zeigten sich die Grünen in der Länderkammer über das von der Regierung vorgelegte Programm "Schulstart Neu". Es sei mutig, etwas 6-Punkte-Programm zu nennen, das schon seit einem Jahr im Regierungsprogramm stehe, kritisierte Marco Schreuder (G/W) und vermisste neue Inhalte. "Eine Bildungsreform ist das noch nicht", sagte der Grünen-Bundesrat, immerhin gebe es aber ein bisschen Bewegung. Bildungspolitik dürfe keine Parteipolitik sein, sondern müsse im Interesse der Kinder, der Eltern und der Zukunft des Landes passieren. Bildung sei nämlich keine Ausgabe, sondern eine Investition in die Zukunft, stellte er klar und rief dazu auf, Rahmenbedingungen zu schaffen, um Kindern den Spaß und die Lust am Lernen zu geben. Schulpolitik müsse die Lust, Neues zu erfahren, individuell bei jedem Kind fördern. Kein einziges Kind dürfe in der Schule aufgrund von unterschiedlichen Backgrounds und Entwicklungen zurückgelassen werden. "Was wir verhindern müssen ist, dass Kinder mit sechs Jahren schon die Arschkarte des Lebens gezogen haben", sagte er. Hierfür müssen Schulen flexibler werden, um diese unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder wahrzunehmen.

Geht es nach den Grünen, sollen die sogenannte Vorschule und die ersten zwei Volksschulklassen komplett neu organisiert werden, führte Schreuder zudem aus und verwies auf die von seiner Fraktion vorgeschlagene flexible Schuleingangsphase. Die Grünen wollen keinen ideologischen Streit in der Bildung, sondern das Beste für die Kinder, betonte er.

Als nicht zufriedenstellend bezeichnete Nicole Schreyer (G/T) das Programm in Hinblick auf Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gerade diese sei beim Übergang vom Kindergarten in die Volksschule schwierig, zumal es für Kinder diesen Alters vor allem in ländlichen Regionen so gut wie keine Betreuungseinrichtungen existieren. Es gebe viele Eltern, die nicht auf die Hilfe etwa von Großeltern zurückgreifen können und ihre Berufstätigkeit in dieser Situation einschränken müssen, erläuterte sie. Was das zudem für Alleinerzieherinnen bedeute, liege auf der Hand.

In einer abschließenden Stellunghamen versicherte die Ministerin beim Thema Sport und Schule, dass in Zukunft in ganztätigen Schulen täglich zumindest eine Stunde Sport stattfinden wird. Aber auch in der Volksschule soll mehr Bewegung angeboten werden, geht es nach Heinisch-Hosek. Was die PädagogInnengehälter betrifft, seien diese Sache der Länder, verwies die Ministerin, zudem arbeite man bereits an der Vereinbarkeitsfrage. (Fortsetzung Bundesrat) keg


Format