Parlamentskorrespondenz Nr. 951 vom 23.10.2014

Nationalrat: Reform der Ärzteausbildung beschlossen

Oberhauser informiert über aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf Ebola

Wien (PK) – Die Ausbildung der Ärzte und Ärztinnen in Österreich wird ab Mitte nächsten Jahres auf neue Beine gestellt; die entsprechende Regierungsvorlage wurde heute Vormittag im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und Team Stronach beschlossen. Schwerpunkte der Reform sind u.a. die Einführung einer neunmonatigen Basisausbildung nach dem Medizinstudium für alle angehenden ÄrztInnen, der modulartige Aufbau der Sonderfachausbildung für FachärztInnen, die verpflichtende Lehrpraxisausbildung (mindestens 6 Monate) im Fach Allgemeinmedizin, die Erstellung von Ausbildungsplänen sowie die Zertifizierung von anerkannten Ausbildungsstätten.

Die Neugestaltung der Ausbildung werde zu einer Attraktivierung des Arztberufs beitragen, war die zuständige Ministerin Sabine Oberhauser überzeugt. Außerdem informierte sie über den aktuellen Stand in Sachen Ebola, wo ihr Ressort eine sehr offene und klare Kommunikationspolitik betreibe. Es wurden bereits eine Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet, wie u.a. eine umfassende Informationskampagne, das Anbringen von Plakaten in drei Sprachen an Flughäfen und Bahnhöfen sowie die Einrichtung einer Hotline (050 555 555, täglich 8-22 Uhr). Österreich sei gut vorbereitet, war die Ministerin überzeugt, dennoch werden die täglichen Entwicklungen sorgfältig beobachtet.

Im Zuge der ausführlichen Gesundheitsdebatte wurden noch eine Reihe von Anträgen mitverhandelt, die keine Mehrheit fanden. Die Themenpalette reichte von Forderungen nach mehr Transparenz bei der Umsetzung der Gesundheitsreform (NEOS) sowie nach einem Konzept zur Generalüberholung des österreichischen Gesundheitswesens (FPÖ) über den Kostenersatz für alternative Heilmethoden (FPÖ) und die Aufnahme von PatientenvertreterInnen in die unabhängige Heilmittelkommission (Team Stronach) bis hin zum gemeinsamen Antrag aller vier Oppositionsparteien, das derzeit geltende Gesundheits- und Krankenpflegegesetz an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung anzupassen.

FPÖ lehnt Entwurf ab und kritisiert vor allem unsichere Finanzierung

Die Gesundheitssprecherin der Freiheitlichen, Dagmar Belakowitsch-Jenewein, räumte zwar ein, dass der vorliegende Entwurf zur Neugestaltung der ÄrztInnenausbildung gewisse Verbesserungen bringt. Sie bezweifelte jedoch, dass damit den zahlreichen negativen Entwicklungen in den letzten zehn Jahren – Abwanderung der StudentInnen und AbsolventInnen ins Ausland, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, zu niedrige Anfangsgehälter, Ärztemangel insbesondere im ländlichen Bereich etc. – effizient entgegengewirkt werden könne. Kritik übte die Rednerin vor allem an der unsicheren Finanzierung der Lehrpraxis, die zudem nur sechs Monate dauert, sowie an der Öffnung des Arbeitsmarktes für alle ausländischen Mediziner. Ähnliche Kritikpunkte führte auch der FPÖ-Mandatar Andreas Karlsböck an, der zudem längere Wartezeiten auf Ausbildungsplätze befürchtet. Seiner Meinung nach werde es dazu kommen, dass TurnusärztInnen weiterhin als Systemerhalter eingesetzt werden, eine Verbesserung der Ausbildung werde damit nicht erreicht.

Koalitionsparteien begrüßen Modernisierung der Ausbildung und Einführung der Lehrpraxen

Eine ganz andere Position vertrat SPÖ-Abgeordneter Erwin Spindelberger, der davon überzeugt war, dass die vorliegende Novelle eine zeitgemäße und moderne Ausbildung für angehende MedizinerInnen gewährleistet. Davon profitieren letztendlich nicht nur die ÄrztInnen selbst, sondern auch die PatientInnen. Dieser Meinung schloss sich auch Johann Hechtl (S) an, dem vor allem der Praxisbezug in der Ausbildung ein wichtiges Anliegen war.

Der Gesundheitssprecher der ÖVP, Erwin Rasinger, gab gegenüber den Oppositionsrednern zu bedenken, dass Reformen in diesem Bereich nicht vom Himmel fallen, sondern Schritt für Schritt entwickelt werden müssen. Dass sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel getan habe, sehe er jeden Tag in seiner Praxis als Hausarzt. Österreich sei z.B. weltweit führend in der Notfall- und Hubschrauberversorgung sowie bei der Behandlung von Brustkrebs. Wo es noch Handlungsbedarf gibt, sei in der Frage der HausärztInnen, räumte Rasinger ein. Wenn sich nicht die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung verbessern, müsse man bald mit einem Mangel an AllgemeinmedizinerInnen rechnen. Ebenso wie sein Fraktionskollege Karlheinz Töchterle (V) forderte er eine Reform der Hausapotheken-Regelung. Der ÖVP-Mandatarin Claudia Durchschlag war es ein besonderes Anliegen, auf die Work-Life-Balance sowie auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Rücksicht zu nehmen, zumal immer mehr Frauen den Arztberuf ergreifen.

                         

Grüne hätten sich Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin gewünscht

Eva Mückstein von den Grünen befürwortete grundsätzlich die Änderungen, weil damit eine Ausbildung konzipiert werde, die den heutigen Anforderungen und Standards entspricht. Im besonderen hob sie dabei die Einführung der Basisausbildung sowie die verpflichtende Lehrpraxis hervor. Ihre Fraktion hätte sich allerdings gewünscht, dass im Rahmen dieser Novelle auch ein Facharzt für Allgemeinmedizin etabliert worden wäre, zumal es das Ziel gebe, den Hausarzt zu stärken und die Ambulanzen zu entlasten. Problematisch sei aus ihrer Sicht die Ausdehnung der Kernarbeitszeit in der Ausbildungsphase, die nun von 7 Uhr bis 16 Uhr angesetzt ist, was für Personen mit Betreuungspflichten schwierig werden könnte. Weitere Kritik übte sie an der unklaren Finanzierungsregelung sowie an den langen Übergangszeiten (insgesamt 12 Jahre) hinsichtlich der Anhebung der Lehrpraxis auf ein Jahr. Auch fehle ihr in Bezug auf den Ausbildungskanon der direkte Konnex zur Gesundheitsreform; sie brachte dazu einen entsprechenden Entschließungsantrag ein, der keine Mehrheit fand.

Team Stronach: Einige Kritikpunkte, trotzdem grundsätzliche Zustimmung

Es war wirklich höchst an der Zeit, dass die ÄrztInnenausbildung nun modernisiert wird, konstatierte Marcus Franz vom Team Stronach. Auch wenn seine Partei der Vorlage grundsätzlich zustimme, sehe man manche Punkte kritisch, wie etwa die fehlende Finanzierungszusage für die Lehrpraxis. Nicht ganz nachvollziehen könne er auch die Regelung, wonach in der Basisausbildung nur das Wissen über die 15 häufigsten Krankheiten vermittelt werden soll; hier müsse nachgebessert werden. Unterstützen werde seine Fraktion auch das Anliegen der Grünen, die Frist für die Anhebung der Lehrpraxiszeiten zu verkürzen, sowie den FPÖ-Antrag auf Kostersatz für alternative Heilmethoden, kündigte Franz an.

NEOS: Zu kleine und zu langsame Schritte

Auch wenn einzelne Punkte gutzuheißen sind und es Schritte in die richtige Richtung gibt, werde seine Fraktion die Novelle ablehnen, kündigte Abgeordneter Gerald Loacker von den NEOS an. Besonders bedauerlich sei der Umstand, dass ein Gesetz auf Schiene gebracht wird bevor noch die Finanzierung sichergestellt ist. Außerdem habe man es verabsäumt, eine Facharztprüfung für den Allmeinmediziner einzuführen. Die NEOS hätten sich zudem eine unkompliziertere Form der Anstellung von Ärzten bei Ärzten, flexiblere Modelle in Bezug auf die Gruppenpraxen sowie eine Einbettung der Ausbildungsfrage ins gesamte Gesundheitskonzept gewünscht.

Oberhauser sieht Finanzierung gesichert

Bundesministerin Sabine Oberhauser sprach von einem sehr wichtigen Gesetzesvorhaben, das die Ausbildung der ÄrztInnen modernisieren und verbessern werde. Ein Eckpunkt sei etwa die Einführung einer Basisausbildung, wo Kenntnisse über die 15 häufigsten Diagnosen erworben werden sollen; die entsprechende Verordnung dazu sei bereits in Ausarbeitung. Was die vieldiskutierte Finan zierung der Lehrpraxis anbelangt, so wies die Ministerin erneut darauf hin, dass man sich dabei am Vorarlberger Modell orientieren werde. Ganz genaue Zahlen könne sie deshalb nicht nennen, weil man jetzt noch nicht sagen könne, wie viele AbsolventInnen dies in Anspruch nehmen werden und wie die Kollektivertragsverhandlungen zwischen den beiden Kurien der Ärztekammer ausfallen. Es soll jedenfalls so viel Geld in den Topf hineinkommen, damit die jungen Mediziner gut bezahlt werden können. Gleichzeitig soll durch die Zertifizierungsvorschriften auch eine hohe Qualität der Ausbildung in den Lehrpraxen gewährleistet werden, unterstrich die Ressortchefin. Oberhauser verteidigte die vorgesehenen Übergangsfristen, die von manchen Rednern als zu lang qualifiziert wurden, weil man garantieren wolle, dass genug Ausbildungsstellen zur Verfügung stehen. Dem T-Abgeordneten Marcus Franz teilte die Ministerin noch mit, dass die unabhängige Heilmittelkommission abgeschafft wurde; sein Antrag sei daher hinfällig.

Österreich ist für Ebola ausreichend gerüstet

Weiters informierte die Gesundheitsministerin noch über die aktuellen Entwicklungen im Bereich Ebola. Seit 1976 gab es immer wieder Epidemien in den verschiedensten Ländern, erklärte Oberhauser, die jetzige Epidemie verlaufe aber sehr schwerwiegend und sehr rasch. Generell müsse man wissen, dass man sich nur beim direkten Kontakt mit einer Person anstecken könne, die "fulminant" an Ebola erkrankt oder daran gestorben ist. Die in manchen Ländern eingeführten Fieberkontrollen an Flughäfen mögen optisch vielleicht beruhigend sein, bringen aber keine 100 %ige Sicherheit, gab die Ministerin zu bedenken, da die Betroffenen Medikamente zur Fiebersenkung nehmen könnten. Strenge Kontrollen machen zudem nur an Direktflughäfen wirklich Sinn, wo Flugzeuge aus Afrika landen; dies treffe in der EU auf Großbritannien, Frankreich und Belgien zu. Der gemeinsame Tenor beim informellen Gesundheitsministertreffen in Brüssel war, dass vor allem bei der Ausreise angesetzt werden müsse, teilte die Ministerin mit.

In Österreich sei man darin übereingekommen, auf großflächige Information zu setzen. Neben der Einrichtung einer Hotline würden an allen Flughäfen und Bahnhöfen wurden Plakate in drei Sprachen ausgehängt, die nicht nur über Ebola, sondern auch über MERS (Middle East Respiratory Syndrome) informieren und Kontaktdaten angeben. Außerdem wird es eine Task-Force geben, in der alle betroffenen Ministerien einbezogen sind. Im Fokus stehen weiters die Bereitstellung von Betten sowie die effiziente Schulung des Krankenhauspersonals. Auf internationaler Ebene erachtete es Oberhauser für wichtig, dass die Daten der Reisenden vernetzt werden; die EU-Kommission habe dafür bereits eine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert. Außerdem versucht die Europäische Union derzeit, Flugzeuge bereitzustellen, um die betroffenen HelferInnen auch wieder in ihre Heimatländer zurückfliegen zu können.

FPÖ-Mandatar Andreas Karlsböck gab im Hinblick auf Ebola zu bedenken, dass es in Österreich noch immer keine geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten für Verdachts- oder Erkrankungsfälle gibt und schon gar kein L4-Labor, das für so eine hochinfektiöse Erkrankung notwendig wäre. Ebola-Proben müssen daher auf dem Landweg nach Deutschland gebracht werden. 

Die Gesundheitsministerin stellte ihrem Vorredner gegenüber richtig, dass Österreich über ein Labor der Klasse 3 verfüge, obwohl nur eines der Klasse 2 für die Untersuchungen erforderlich wäre. Ein Labor der Klasse 4 braucht man nur für Forschungszwecke. Außerdem werde es auch genug Betten geben, versicherte die Ministerin, die generell darum bat, die Bevölkerung in einer so wichtigen Frage nicht zu verunsichern.

Weitere Themen: Betreuung behinderter Menschen, Kinderrehabilitation, alternative Heilmethoden

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) ging insbesondere auf den Antrag der vier Oppositionsparteien auf Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) ein. Diese Initiative zielt darauf ab, dass praktisch alle Personen, die in Behinderteneinrichtungen arbeiten, Tätigkeiten wie z.B. Katheter setzen machen dürfen. Ihre Fraktion lehne diesen Ansatz ab und schlage stattdessen vor, dass die Behindertenbetreuer "aufgeschult werden".

Helene Jarmer von den Grünen erläuterte den angesprochenen Antrag auf Änderung des GuKG und gab einleitend zu bedenken, dass Behinderung nicht mit Krankheit gleichgesetzt werden dürfe. Menschen mit Behinderung haben oft mehrmals täglich Unterstützungsbedarf, um den Alltag zu bewältigen und akzeptieren die Unterstützung meist nur von vertrauten Personen, betonte sie. Die Oppositionsparteien haben nun einen neuen Entschließungsantrag ausgearbeitet, der darauf abzielt, dass BehindertenbetreuerInnen und persönliche AssistentInnen eine Zusatzqualifikation für pflegerische Tätigkeiten erwerben können. Sie hoffe, dass damit die Bedenken der Koalitionsparteien ausgeräumt werden können.

FPÖ-Mandatar Josef Riemer wiederholte seine Forderung nach einem Kostenersatz für alternative Heilmethoden, die von immer mehr Menschen in Anspruch genommen werden. Das österreichische Gesundheitspolitik sollte endlich auf eine Ganzheitsmedizin setzen, die sowohl schul- als auch komplementärmedizinische Behandlungen umfasst.

Walter Schopf (S) hielt seinem Vorredner entgegen, dass schon jetzt alternative Heilmethoden von den Sozialversicherungen bezahlt werden, wenn die Behandlung damit vom fachärztlichen Dienst als hilfreich für die Genesung angesehen wird.

ÖVP-Abgeordneter Johann Rädler trat ebenso wie im Ausschuss mit Nachdruck für eine Verbesserung des Angebots für Kinder- und Jugendrehabilitation ein; hier gebe es einen massiven Nachholbedarf. Es könne jedoch nicht sein, dass solche Institutionen nur im städtischen Bereich geschaffen werden, gab er zu bedenken.

Philip Kucher (S) ging auf die Wortmeldung von Rädler ein und vertrat die Meinung, dass bei dieser Debatte die Interessen der Kinder im Vordergrund stehen müssen und nicht jene der Kommunen.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage mehrheitlich angenommen; die Anträge der Grünen betreffend die Verlängerung der Lehrpraxis, betreffend fehlender Konnex der ÄrztInnenausbildung zur Gesundheitsreform sowie betreffend Regelung der Durchführung von pflegerischen Tätigkeiten in der Behindertenbetreuung fanden keine Mehrheit. (Fortsetzung Nationalrat) sue