Parlamentskorrespondenz Nr. 1050 vom 11.11.2014

Die EU will bei weltweiter Internet-Politik mehr mitreden

EU-Unterausschuss diskutiert Mitteilung der Kommission zu Internet-Governance

Wien (PK) – Einen Blick hinter die Kulissen der weltweiten Internet-Politik und der "Internet Governance" machten heute die Mitglieder des EU-Unterausschusses des Nationalrats. Grundlage dafür war die diesbezügliche Mitteilung der Kommission, in der der Fokus darauf gelegt wird, wie sich die EU einbringen kann, die dominante Stellung der USA zurückzudrängen und das System auf breite internationale Füße zu stellen. Kürzlich hat auch der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Telekommunikation als ein zentrales Thema bezeichnet.

In der Diskussion sprachen die Abgeordneten vor allem den Vertrauensverlust in Bezug auf das Internet im Zuge der NSA-Affäre sowie die Notwendigkeit eines hohen Datenschutzes an. Allgemein wurde bekräftigt, dass der freie Zugang zum Internet gewährleistet bleiben muss und eine Demokratisierung notwendig sei. Da jedoch nicht alle Staaten die gleichen liberalen und rechtstaatlichen Werte vertreten, sei es notwendig, sich auf einen steuernden Rahmen zu einigen, räumte Infrastrukturminister Alois Stöger ein.

Stöger betonte insbesondere auch den wirtschaftlichen Stellenwert der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und bezeichnete diese als eine tragende Säule der Wirtschaft. Der Anteil der IKT sei innerhalb der EU auf einen Wert von 3,8% des BIP gestiegen, man erwarte ein weiteres Wachstum bis 2016 auf 5,7%, informierte er. Deshalb halte er es für entscheidend, auf EU-Ebene an einem Strang zu ziehen und ein freies, sicheres und nicht fragmentiertes Internet sicherzustellen. In diesem Sinne begrüße er auch den EU-Ansatz.

Grundrechte und demokratische Werte sollen global für Internet bestimmend sein

Der A-Root-Server ist in den USA. Über ihn und dessen Kopien sind die einzelnen Top-Level-Domains (etwa at., de., fr., uk., com etc.) über nationale Server erreichbar – man nennt das das DNS-System. Das US-Department of Commerce (Handelsministerium) hat die Verwaltung 1998 privatisiert, sodass sie nun bei ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) liegt. Diese Gesellschaft ist nach kalifornischem Recht gestaltet, das US-Handelsministerium hat aber nach wie vor die Aufsicht, womit die US-amerikanische Dominanz bestehen blieb. Die Regierung der USA behält sich weiterhin das letzte Wort bei allen wichtigen Entscheidungen vor.

Viele Länder äußern dagegen zunehmend Bedenken und versuchen diese US-Amerikanische Dominanz zu Gunsten einer breiteren Einbeziehung anderer Staaten zu relativieren. Zuletzt hat die Netmundial-Konferenz (Global Multistakeholder Meeting on the Future of Internet Governance) am 23. und 24. April 2014 in Sao Paulo im Schlussdokument den Multistakeholder-Ansatz bekräftigt und weitere Schritte zur Internationalisierung begrüßt. Die EU unterstützt diesen Ansatz für die Internet-Governance und befürwortet die Festlegung von globalen und den Grundrechten und demokratischen Werten entsprechenden Grundsätzen unter Einbeziehung aller Akteure. Man favorisiert eine klare Rollenverteilung im Interesse eines offenen, freien Internet. Gleichzeitig muss die Stabilität und Sicherheit des Domänennamensystems weiterhin gewährleistet bleiben, heißt es in der Mitteilung. Konkret tritt die EU auch dafür ein, einen genauen Zeitplan für die Globalisierung der ICANN festzulegen.

Stöger: Kein neuer Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung

Der EU-Ansatz fand bei den Ausschussmitgliedern breite Unterstützung, wobei Johannes Hübner (F) Skepsis dahingehend äußerte, dass die EU tatsächlich gegenüber den USA energisch genug auftritt. Ähnlich sah die Lage auch der Europaabgeordnete Georg Mayer von der FPÖ. Es werde nicht leicht sein, die USA zurückzudrängen, gab auch Minister Stöger zu bedenken, er gehe aber davon aus, dass die EU die Bedeutung des Themas erkannt hat und alles daran setze, in dieser Frage mit einer Stimme zu sprechen.  

Die aktuelle Dominanz der USA sowie der amerikanischen Konzerne bei der Gestaltung des Internet geht den Abgeordneten zu weit, das war aus den Wortmeldungen deutlich zu erkennen, wobei die Bedenken insbesondere auch vor dem Hintergrund des NSA-Skandals geäußert wurden. Wie Christine Muttonen (S) es ausdrückte, ist der Vorwurf, die EU sei eine digitale Kolonie der USA, durchaus berechtigt. Europa sei daher gefordert, am Ausbau seiner digitalen Infrastruktur zu arbeiten, sagte Muttonen, zudem sei es notwendig, in den Datenschutz zu investieren und auch diesem Bereich der technischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Sie zeigte sich hier eines Sinnes mit dem Minister.

Strengere Datenschutzregeln würden das Vertrauen in das Internet wieder stärken, bemerkte Philip Kucher (S), hier könnte sich die EU auch international gut positionieren, meinte er. Albert Steinhauser (G) und Gerald Loacker (N) sprachen in diesem Zusammenhang die Vorratsdatenspeicherung an, worauf der Minister dezidiert festhielt, dass es von seiner Seite keinen Vorstoß zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung geben werde. Wichtig sei, dass Polizei und Justiz Zugang zu Informationen bekommen, dies könne jedoch nur im Rahmen rechtstaatlicher und vom Verfassungsgerichtshof und europäischen Gerichtshof festgelegter Kriterien erfolgen.

Aufgrund einiger Wortmeldungen unterstrich Minister Stöger, das Internet habe viele Freiheiten gebracht, berge aber auch viele Gefahren. Der freie Zugang zum Internet sei zu gewährleisten, gleichzeitig habe man die Grenzen der Kommerzialisierung zu erkennen. Um Missbrauch beim freien Zugang hintanzuhalten, brauche es einen steuernden Rahmen, der international festgelegt ist. Er stimmte damit Albert Steinhauser (G) zu, der die Festlegung eines Grundprinzipienkatalogs für unumgänglich hält, damit einzelne Staaten nicht jene Richtung einschlagen, die einem liberalen und rechtsstaatlichen Zugang entgegenstehen. Von einem angedachten Ausschluss einiger Länder in diesem Zusammenhang hält der Minister wenig, denn es sei falsch zu glauben, dass man durch das Fernhalten einiger Staaten Missbrauch verhindern könne. Notwendiger sei es, einen Austausch über die unterschiedlichen Wertvorstellungen zu führen und gemeinsame Positionen zu erarbeiten, hielt er gegenüber Barbara Rosenkranz (F) fest.

Die Netzneutralität ist dem Minister ein wichtiges Anliegen, es stelle sich dabei nur die Frage wo die Grenzen des freien Zugangs liegen, merkte er gegenüber den Abgeordneten Gerald Loacker (N) und Albert Steinhauser (G) an. Loacker hatte sich im Vorfeld auch kritisch in Bezug auf Netzsperren geäußert und gemeint, löschen sei besser als sperren. Darauf reagierte der Minister mit der Bemerkung, für Netzsperren gebe es in Österreich keine Rechtsgrundlage und eine solche sei auch nicht geplant. Den Abgeordneten Marcus Franz (T), Philip Kucher (S) und Eva-Maria Himmelbauer (V) gegenüber bekräftigte er, dass die Cyberkriminalität ein Thema darstelle, dem man besondere Aufmerksamkeit widmen müsse.

Grundsätzlich versicherte er Eva-Maria Himmelbauer (V) gegenüber, dass im Rahmen des österreichischen Entscheidungsprozesses sämtliche Stakeholder eingebunden werden. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) jan