Parlamentskorrespondenz Nr. 1079 vom 18.11.2014

Bures: Starkes Europa braucht auch Sozial- und Werteunion

Nationalratspräsidentin eröffnet Jubiläumsfeier im Parlament zu 20 Jahre EU-Beitrittsbeschluss

Wien (PK) – "Vor 20 Jahren wurde hier im Hohen Haus große österreichische und zugleich europäische Geschichte geschrieben", betonte heute Nationalratspräsidentin Doris Bures anlässlich der Jubiläumsfeier im Parlament zum EU-Beitrittsbeschluss von 1994. Eine breite Mehrheit von 141 Abgeordneten habe damals Ja zum Beitritt in die Europäische Gemeinschaft gesagt. Wenige Monate zuvor, am 12. Juni 1994, waren die Österreicherinnen und Österreicher direkt am Wort erinnerte Bures und unterstrich, die Volksabstimmung hatte eine Zwei-Drittel Mehrheit für Europa zum Ergebnis – und sei Anlass für Freude und Erleichterung in breiten Teilen der Republik gewesen.

Diese klaren Voten markieren den Beginn der österreichischen EU-Mitgliedschaft, resümierte Bures, und bildeten zugleich den Abschluss intensiver Auseinandersetzungen und Debatten im Vorfeld. Über viele Monate seien Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken des EU-Beitritts leidenschaftlich, heftig, ohne thematische Schranken - ernsthaft und manchmal auch weniger ernsthaft diskutiert worden. "Alle Aspekte der europäischen Integration wurden beleuchtet, Hoffnungen formuliert, Ängste ausgesprochen und entkräftet." Debattenthemen waren der Präsidentin zufolge die Chancen des freien Warenverkehrs ebenso wie sozialpolitische Fragen, Konsumentenschutz und Umweltpolitik. Im Blickpunkt seien auch sicherheitspolitische Fragen und Auswirkungen auf die österreichische Souveränität und Identität gestanden. "Am Ende all dieser Debatten stand ein klares JA zu Europa!", unterstrich Bures.

Zweifelsohne, hielt die Präsidentin fest, gehört der EU-Beitritt zu den wichtigsten und weitreichendsten Entscheidungen der Zweiten Republik. "Die Entscheidung für ein gemeinsames Europa war auch eine Entscheidung für ein friedliches, weltoffenes und modernes Österreich!" Viele VisionärInnen, die Europa als Chance begriffen, hätten maßgeblich zum EU-Beitritt Österreichs beigetragen, so Bures und sie würdigte dabei besonders den damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky, Vizekanzler a.D. Erhard Busek, den früheren Außenminister Alois Mock sowie Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer. Sie alle hätten ihre proeuropäische Überzeugungsarbeit in den Mittelpunkt ihres politischen Handelns gestellt.

Inzwischen sind 20 Jahre vergangen, zwei Jahrzehnte, in denen die europäische Integration weiter vorangetrieben wurde, zog Bures Bilanz. Gemeinsam mit Finnland und Schweden ist Österreich einer Gemeinschaft von damals 12 Staaten beigetreten - heute zählt die Union 28 Mitglieder. Für Bures zeigt dies, dass die EU kein statisches Gebilde, sondern stets in dynamischer Entwicklung begriffen ist.

In Folge der Finanzkrise stehe Europa heute vor einer großen Bewährungsprobe: Steigende Arbeitslosigkeit und soziales Ungleichgewicht lassen Bürgerinnen und Bürger an Europa zweifeln, gab die Präsidentin zu bedenken. Überwunden geglaubte Nationalismen würden wieder erstarken. "Die Antwort kann nur ein starkes Europa sein. Ein Europa, das neben einer Wirtschafts- und Währungsunion auch eine Sozial- und Werteunion ist." Bures sieht hier ganz besonders die Politik gefragt und präzisierte, die Herausforderung bestehe darin, die Europäische Union in die Nähe der Bevölkerung zu holen und greifbar zu machen. "Noch allzu oft ist die EU in unseren Köpfen ein Ort im Nirgendwo, ein Ort, an dem Ängste und Sorgen abgeladen werden." Um dem entgegenzuwirken, seien die Parlamente zu stärken, woraus sich mehr Mitsprache, größere Transparenz und Nachvollziehbarkeit und damit ein Mehr an demokratischer Legitimation ergebe.

Im österreichischen Parlament seien die Mitwirkungsrechte in EU-Fragen bereits fest verankert, etwa die Möglichkeit, Regierungsmitglieder im Rat an eine im Nationalrat festgelegte Position zu binden. Diesen bereits eingeschlagenen Weg zur Stärkung des Parlamentarismus müsse man fortzusetzen.

Außerdem sei das Europabewusstsein zu stärken, so Bures weiter, die PolitikerInnen sollten Debatten über europäische Angelegenheiten in das österreichische Parlament tragen. Dazu gebe es schon Initiativen, beispielsweise ein Rederecht für Europa-Abgeordnete im österreichischen Nationalrat. Im Sinne von mehr Akzeptanz von Europa sei zudem eine sinnvolle Balance und das richtige Augenmaß gefragt, wenn es um die Frage geht, was Angelegenheit der EU ist und was im Entscheidungsbereich der Nationalstaaten geregelt wird.

"Ein starker Parlamentarismus ist beides: Treibende Kraft für den europäischen Integrationsprozess und zugleich Garant für die demokratische Legitimation der EU", schloss Bures und sie verlieh ihrer Überzeugung Ausdruck, dass der Weg aus der Krise und die Vermeidung künftiger Krisen ähnlichen Ausmaßes durch ein gestärktes Europa führt. "Deshalb sind wir auch heute gefordert, Europa in Köpfen und Herzen seiner Bürgerinnen und Bürger zu verankern!" (Schluss) red

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