Parlamentskorrespondenz Nr. 1089 vom 19.11.2014

Rechnungshof vermisst Kostenwahrheit der Justizbetreuungsagentur

Prüfberichte des Rechnungshofs zu Altenbetreuung in Kärnten und der Steiermark, Koralmtunnel und AMS im Nationalrat

Wien (PK) - Die externe Personalrekrutierung im Justizressort wurde in der heutigen Sitzung des Nationalrats einer kritischen Bewertung unterzogen. Die Debatte stützte sich dabei auf einen Prüfbericht des Rechnungshofs. Neben der Frage der Kostenwahrheit in der Justizbetreuungsagentur gibt dieser Bericht Auskunft über die Effizienz der Altenbetreuung in Kärnten und der Steiermark, die Vergabepraxis der ÖBB beim Koralmtunnel und die Sinnhaftigkeit der Eingliederungsbeihilfen des AMS für Langzeitarbeitslose. Der Bericht wurde schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen. Ein Entschließungsantrag der NEOS auf Evaluierung der Justizbetreuungsagentur und ihre eventuelle Wiedereingliederung ins Justizressort blieb in der Minderheit.

Abgeordnete fordern Evaluierung der Justizbetreuungsagentur

Die Justizbetreuungsagentur wurde aufgrund fehlender Planstellen im Ministerium seit dem 1. Jänner 2009 damit beauftragt, vor allem dem Strafvollzug zusätzliches Personal zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile wird dieses Instrument, das nur kurzzeitig eingesetzt werden sollte, sehr breit und intensiv genutzt, stellt der Rechnungshof fest. Der Rechnungshofs ist daher zu der Auffassung gekommen, dass die Justizbetreuungsagentur auch benützt wurde, um den Personalplan zu unterlaufen. Laut RH-Präsident Josef Moser widerspricht das den Prinzipien der Kosten- und Budgetwahrheit. Die Einsparungseffekte, die angestrebt wurden, habe man hingegen nicht erreicht.

FPÖ-Mandatar Christian Lausch nahm die zahlreichen Kritikpunkte des Rechnungshofs an der Justizbetreuungsagentur auf. Personalaufwand sei als Sachaufwand verbucht und damit verschleiert worden. Die Verwaltungskosten erhöhten sich in wenigen Jahren unerklärlicherweise, teure Software wurde völlig unnötigerweise angekauft und Büroräume in teuren Lagen gemietet. Alles das sei Verschwendung von Steuergeld und gehöre rasch abgestellt, forderte Lausch. Sein Fraktionskollege Erwin Angerer sah die Arbeit der Justizbetreuungsagentur als verfehlt an, da sie nicht ihren ursprünglichen Zweck erfülle, der Justizwache mehr Personal zur Verfügung zu stellen. Er habe auch kein Verständnis dafür, dass straffällig gewordene AusländerInnen nicht konsequent abgeschoben werden und in Folge den Strafvollzug in Österreich belasten, sagte der Abgeordnete.

Albert Steinhauser (G) erinnerte an die ernsten Bedenken der Grünen gegen die Einrichtung der Agentur. Diese erledige sicher wichtige Aufgaben, konzedierte er, doch sei ihre Struktur intransparent. Personalkosten dürften nicht als Sachkosten "versteckt" und auch für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben keine Parallelstrukturen geschaffen werden, deren Tätigkeit sich der Kontrolle entzieht. Es müsse daher grundsätzlich über die Sinnhaftigkeit solcher Auslagerungsmodelle diskutiert werden, sagte Steinhauser.

Martina Schenk (T) schloss sich der von ihren Vorrednern geäußerten Kritik an. Bei der Einrichtung habe das Justizministerium zwar große Einsparungspotenziale ins Treffen geführt, diese hätten sich jedoch nicht realisiert. Schenk hofft daher, dass der Justizminister die von ihm in Aussicht gestellten Änderungen rasch durchführen wird.

NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak verwies auf Personalmangel in den Gefängnissen. Die Justizbetreuungsagentur sei jedoch nicht geeignet, dieses Problem zu lösen, argumentierte er und forderte per Entschließungsantrag die Evaluierung der Agentur als Grundlage einer Entscheidung über ihre weitere Zukunft. Allenfalls müsste sie auch wieder ins Justizressort eingegliedert werden. Im Sinne der Budgetwahrheit und Transparenz sei der notwendige Personalaufwand der Justiz korrekt auszuweisen, forderte Scherak. Er entnahm dem Rechnungshofbericht auch, dass die Projektplanung des Justizressorts mangelhaft ist, was immer wieder zu zusätzlichen Kosten führt.

Einen parteienübergreifenden Konsens, dass die Justiz für Strafvollzug, Korruptionsbekämpfung und anderes mehr Personal brauche, ortete Andreas Hanger (V). Es stellte die Frage, welche Ausgliederungen sinnvoll sind und betonte, einige ausgelagerte Einheiten hätten sich sehr bewährt. Das gelte grundsätzlich auch für die Arbeit der Justizbetreuungsagentur.

Erwin Spindelberger (S) hielt in Richtung Opposition fest, die Kritik an der Justizbetreuungsagentur werde von niemandem beschönigt. Es sei aber auch der Hintergrund für die Entwicklung zu beachten. Allgemein werde nämlich von den Ressorts eine Personalreduktion erwartet, gleichzeitig wolle man aber, dass sie immer neue Aufgaben übernehmen. Das habe im Fall der Agentur zu einem raschen Wachstum und strukturellen Problemen geführt. Es sei ernsthaft die Frage zu stellen, wie sinnvoll eine Auslagerung von Arbeitsplätzen der Justiz ist. Die Kritik des Rechnungshofs müsse daher ernst genommen und die Agentur rasch evaluiert werden, forderte Spindelberger.

Ruth Becher (S) thematisierte in ihrem Beitrag die Familiengerichtshilfe. Diese leiste wertvolle Arbeit in familienrechtlichen Verfahren. Wichtig sei die Umsetzung der RH-Empfehlungen, um Kostendämpfungseffekte im Justizbereich zu erzielen, sagte sie.

Altenbetreuung muss auf demographischen Wandel reagieren

Der Bericht des Rechnungshofs zur Altenbetreuung in Kärnten und Tirol unter Berücksichtigung der Pflegereform 2011/2012 kommt allgemein zu dem Schluss, dass die stationäre Langzeitpflege in Österreich trotz der Schaffung eines Pflegefonds und dessen Dotierung mit rd. 1,3 Mrd. € auf die demographische Entwicklung nicht ausreichend vorbereitet war. Er stellt darüber hinaus kritisch fest, dass wichtige Empfehlungen des Rechnungshofs nicht vollständig umgesetzt wurden.

Elmar Mayer (S) zitierte aus dem Rechnungshofbericht, dass in Kärnten und Tirol weder die Planung der nötigen Heimplätze, noch die rechtlichen und die wirtschaftlichen Grundlagen der Tarife, die Qualitätsvorgaben oder die Transparenz über Leistungen und deren Kosten im notwendigen Ausmaß erfolgt sei. Mangelnde Abstimmung habe zu Effizienzverlusten der Gebietskörperschaften geführt. Der Sozialminister unternehme derzeit vieles, um das österreichische Pflegesystem den aktuellen Anforderungen anzupassen, betonte Mayer.

Für NEOS-Abgeordneten Nikolaus Scherak zeigte der RH-Bericht auf, dass Österreich bei Betreuung und Pflege dringend strukturelle Reformen brauche. Es müsse sichergestellt werden, dass die Mittel richtig eingesetzt werden, um sich auf die demographische Entwicklung einzustellen. Der Rechnungshof kritisiere ganz zu Recht, dass in einigen Bundesländern immer noch große Pflegeheime gebaut werden. Andere Staaten seien bereits einen Schritt weiter und setzten auf kostengünstige und flexible Betreuungsalternativen, in diese Richtung müsse auch Österreich gehen.

Abgeordnete wollen EU-Mittel für das Koralmtunnelprojekt

ÖVP-Mandatar Hermann Gahr (V) nahm Bezug auf die Kritik des Rechnungshofs am Bauprojekt Koralmtunnel. Bauverzögerungen hätten zu beträchtlichen Zusatzkosten geführt. Das Tunnelprojekt selbst wertete der Abgeordnete aber insgesamt als sehr positiv. Es müsse jedenfalls alles unternommen werden, um die Mitfinanzierung durch die EU zu erreichen. Dieser Auffassung war auch Karin Greiner (S). Es handle sich um einen wichtigen Streckenabschnitt in einem bedeutenden europäischen Verkehrskorridor. Sie sah es auch als positiv, dass die Prüfung des Projekts nicht wie in anderen Fällen erst nachträglich erfolgt, sondern dass eine begleitende Kontrolle durchgeführt wurde.

Georg Willi (G) nahm ebenfalls Bezug auf den Prüfbericht zum Koralmtunnel, der einige Mängel der Vergabepraxis der ÖBB aufgezeigt habe. Hier gehe um ein riesiges Bauprojekt mit Kosten in der Höhe von  4,5 Mrd. €. Die EU-Kofinanzierung sei dafür unerlässlich. Die Voraussetzung für deren Beantragung sei aber eine Umsetzung der Wegekostenrichtlinie auch für die Südachse, erläuterte der Abgeordnete. Die Frist für die Antragstellung auf die EU-Mittel dürfe nicht versäumt werden. Eine Verkürzung der Fahrzeiten allein rechtfertige allerdings die hohen Baukosten nicht, gab Willi zu bedenken. Es müsse eine signifikante Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene bewirkt werden, damit es sich rechne. Das Instrument für die Verlagerung sah Willi in einer Alpentransitbörse. Er forderte den Verkehrsminister auf, rasch Verhandlungen mit der EU über deren Umsetzung zu beginnen.

Michael Pock (N) bekräftigte die Kritik seiner Partei an den großen Tunnelbauprojekten. Eine Evaluierung großer Verkehrsprojekte sei unbedingt notwendig, meinte er. Viele Prognosen hätten sich verändert, etwa was die Entwicklung des Güterverkehrs und positive Umwelteffekte betrifft. Ungeachtet aller Zweifel am Projekt meinte Pock, dass unbedingt eine Kofinanzierung durch die EU gesichert werden müsse.

Eingliederungshilfen des AMS für Langzeitarbeitslose grundsätzlich positiv

Johann Hell (S) nahm Bezug auf die Eingliederungsbeihilfe des AMS, die der Integration von Langzeitarbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt und der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen dient. Der Rechnungshof habe grundsätzlich die Effektivität der Maßnahmen festgestellt, aber auch einige Empfehlungen abgegeben, die vom AMS sehr ernst genommen und umgesetzt werden.

Gerald Loacker von den NEOS sagte zu diesem Thema, Eingliederungsbeihilfen seien als befristete Maßnahmen sicher positiv zu werten. Der Rechnungshof habe aber auch Probleme aufgezeigt. So sei nicht klar ausgewiesen geworden, welche Gruppen von der Beihilfe tatsächlich profitierten. Die Mittel könnten effektiver eingesetzt werden, um Mitnahmeeffekte der Betriebe zu vermeiden. Es sei zudem sicherzustellen, dass Langzeitarbeitslose tatsächlich längerfristig beschäftigt werden und nicht nur, um kurz die Arbeitslosenstatistik zu beschönigen. (Fortsetzung Nationalrat) sox