Parlamentskorrespondenz Nr. 1179 vom 04.12.2014

Saubere Luft: EU will Schadstoffausstoß stärker eindämmen

Umweltminister Rupprechter stellt im EU-Unterausschuss Maßnahmenplan für höhere Luftqualität vor

Wien (PK) – Schlechte Luftqualität verursacht in der Europäischen Union mehr vorzeitige Todesfälle als der Straßenverkehr und führt immer öfter zu Asthma oder Atembeschwerden, zeigt die Europäische Kommission auf. Vielfach seien auch Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen auf Luftverschmutzung zurückzuführen. Um hier Abhilfe zu leisten, hat die Kommission im Vorjahr ein Maßnahmenpaket für saubere Luft in Europa geschnürt. Dadurch sollen schädliche Emissionen aus Industrie, Verkehr, Energieerzeugung, Landwirtschaft und Haushalten weiter vermindert werden. Der EU-Unterausschuss des Nationalrats diskutierte heute zwei Richtlinienvorschläge aus dem Maßnahmenkatalog zur Luftqualität: Vorschriften zur Emissionsreduktion bei mittelgroßen Feueranlagen und strengere Begrenzungen der schädlichsten Luftschadstoffe in den Nationalstaaten. Grundlage für die Maßnahmen zur Schadstoffminderung bietet das Göteborger Abkommen zur internationalen Luftreinhaltung.

Umweltminister Andrä Rupprechter betonte im Ausschuss, der strategische Ansatz zur Reduktion der Schadstoffemissionen sei gerade im Sinne der Gesundheit grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings müssten die Reduktionsziele realistisch und sozial vertretbar umzusetzen sein. Rupprechter bezog damit Position zu einem Antrag auf Stellungnahme der Grünen, in dem sie ein klares Auftreten des Ministers für ambitionierte Emissionsgrenzwerte bei den Ratsverhandlungen einfordern. Der Antrag blieb jedoch in der Minderheit, denn SPÖ, ÖVP und Team Stronach meinten ähnlich wie Rupprechter, die Verbesserungen bei der Luftqualität dürften nicht mit drastischen Einschnitten in Arbeitsmarkt und Wirtschaft einhergehen. Karin Kadenbach, die als SPÖ-Mandatarin des EU-Parlaments an der heutigen Ausschusssitzung teilnahm, gab zu bedenken, letztlich müsse das Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Luftqualität in allen Mitgliedsländern verwirklicht werden können.

Luftverschmutzung kennt keine Grenzen

Mit dem "Übereinkommen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung" ("LRTAP-Übereinkommen") wurden 1979 deutliche Schritte zur grenzübergreifenden Luftreinhaltung gesetzt. Dieses völkerrechtliche Protokoll durchlief in der Zwischenzeit mehrmals Änderungen und Verschärfungen, zuletzt 1999 bzw. 2012 in Göteborg. Das aktuelle Protokoll enthält neue nationale Verpflichtungen zur Emissionsreduktion, die ab 2020 (gegenüber 2005) für die Luftschadstoffe Schwefel (vor allem Schwefeldioxid (SO2)), Stickstoffoxide (NOx), Ammoniak (NH3) und flüchtige organische Verbindungen außer Methan (VOC) sowie für Feinstaub (PM2,5) eingehalten werden müssen. Für die Zeit bis 2030 sind weitere Vorgaben inkludiert, die unter anderem Methan (CH4) umfassen. Wert gelegt wird im Protokoll außerdem darauf, dass die Vertragsparteien Technologie und Forschung zur Luftreinhaltung vorantreiben; die Fortschritte in diesem Bereich müssen ebenso gemeldet werden wie jene bei der Minderung von Emissionen. Ziel ist die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung – also der Belastung von Böden durch Schwefel- und Stickstoffeinträge aus der Luft – und bodennahem Ozon. Die Kommission schlägt den Mitgliedsstaaten nun die Annahme des ergänzten Übereinkommens vor (COM (2013) 917), womit auch Österreich dem Abkommen beitreten würde.

Im Licht des LRTAP-Protokolls sind grundsätzlich die zwei Richtlinienentwürfe der Kommission zu sehen. Zum einen will die Kommission damit die Emissionen bei mittelgroßen Feuerungsanlagen, die etwa zur Stromerzeugung, Beheizung und Kühlung von Haushalten und Dampferzeugung in der Industrie genutzt werden, begrenzen (COM (2013) 919). Neue und bestehende Anlagen dürften demnach nur betrieben werden, wenn sie genehmigt oder registriert sind. Zum anderen sollen restriktivere nationale Höchstmengen von emittierten Schadstoffen die Luftverschmutzung und deren schädigende Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt in der gesamten Union verringern, wobei den Mitgliedsstaaten überlassen wird, mit welchen Maßnahmen sie die Reduktion verwirklichen (COM (2013) 920). Insgesamt drängt die Kommission auf eine bessere Abstimmung der EU-Mitglieder in Sachen Emissionsreduktionen zur Hebung der Luftqualität.

Rupprechter strebt realistische Verbesserungen der Luftqualität an

Für Umweltminister Rupprechter ist die unionsweite Harmonisierung der Emissionsgrenzwerte ein wichtiger Schritt, da immer noch eine große Zahl der UnionsbürgerInnen unter gesundheitsschädlichen Luftschadstoffen leiden. Gesundheitliche Folgen von Luftverschmutzung sollten sich gemäß EU-Plan bis 2030 im Vergleich zu 2005 halbieren, verwies der Bundesminister erneut auf die hohe Sterbeziffer wegen Luftverschmutzung. Einer Schätzung der Kommission zufolge würde sich das auch wirtschaftlich rentieren, weil zum Beispiel weniger für die Gesundheitsfürsorge auszugeben sei, die Produktivität aber ansteige. Zudem würden EU-weit festgelegte Emissionsbegrenzungen für mehr Wettbewerbsgleichheit sorgen, unterstrich Rupprechter. Österreich verfüge bereits über hohe Standards der Luftreinhaltung, ging er näher auf die heimischen Regelungen ein. Zum Betrieb mittelgroßer Feuerungsanlagen benötige man hierzulande eine Genehmigung und in Rechtsvorschriften des Bundes wie der Gewerbeordnung bzw. in den Ländergesetzen für Heizungsanlagen seien überdies Emissionsgrenzwerte für klassische Luftschadstoffe festgelegt. Die bestehenden Gesetze müssten deshalb kaum geändert werden.

Wenig Handlungsbedarf sieht die EU-Kommission ebenfalls bei der Umsetzung des Protokolls in seiner neuen Fassung in der Zeit bis 2020. Die vollständige Einhaltung der Luftqualitätsvorschriften könne kurz- und mittelfristig ohne große Probleme erreicht werden, wenn die Mitgliedsstaaten nicht von ihren Plänen zur Luftreinhaltung abweichen. Bis 2030 müssten aber weitaus strengere Emissionsreduktionsziele greifen, als im LRTAP-Übereinkommen vorgesehen, mahnt die Kommission. Nur so könne das langfristige EU-Ziel zum Schutz von Luftqualität und folglich der Biodiversität in den Ökosystemen Europas verwirklicht werden. Minister Rupprechter sagte dazu, Österreich trete für fortschrittliche Standards der Luftreinhaltung ein, die Zielsetzungen bei der Schadstoffreduktion müssten aber realistisch ein. Immerhin würden fast alle Mitgliedsstaaten mit den geplanten Vorgaben bis 2030 vor große Herausforderungen gestellt.

Für die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner gehen die Vorschläge der Kommission dagegen nicht weit genug. Besonders für ein Binnenland wie Österreich, das massiv vom grenzüberschreitenden Schadstofftransport betroffen sei, würde auch die vollständige Umsetzung des Saubere-Luft-Pakets keine nachhaltige Verbesserung bewirken. In ihrem gemeinsam mit Wolfgang Pirklhuber (G) verfassten Antrag drängt sie daher den Umweltminister, im Rat für ein ambitionierteres Maßnahmenpaket einzutreten, mit dem sich signifikante negative Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt vermeiden lassen. Unter anderem fordern die Grünen, die Vorgaben aus dem Göteborg-Protokoll und aus den Kommissionsvorschlägen für nationale Emissionshöchstwerte sowie Feuerungsanlagen entgegen aller Widerstände unbedingt einzuhalten und am Ende der Ratsverhandlungen einen festgeschriebenen Ziel-Pfad zur Reduktionsverpflichtung ab 2030 zu haben. Weiters solle das Reduktionsziel für Methan bereits ab 2020 gelten und die Verminderung von Quecksilber wäre zusätzlich in der Richtlinie zu den Emissionshöchstwerten anzuführen. Wichtig ist den AntragestellerInnen die Einbeziehung von NGOs bei der Erstellung nationaler Luftreinhaltprogramme.

Während dieser Antrag bei den NEOS volle Unterstützung fand, sprachen sich die übrigen Fraktionen aus verschiedenen Gründen gegen die Annahme aus. EU-Abgeordnete Karin Kadenbach gab zu bedenken, der Vorschlag der Grünen sei verfrüht, da die Richtlinienentwürfe noch überarbeitet würden; in etwa einem halben Jahr sollte mehr Klarheit über die Berechnungsgrundlagen und Reduktionsmodelle bestehen. Mit den Grünen-Forderungen, die eine maximale Emissionsreduktion vorsehen, hätten Industrie und Landwirtschaft enorme Probleme weiterzubestehen. Das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg unterziehe derzeit den Kommissionsvorschlag für nationale Emissionsgrenzen einer technischen Analyse, fügte Minister Rupprechter an. Erst mit dem Bericht darüber könnten für alle Mitgliedsländer erreichbare Ziele festgelegt werden. Die Abgeordneten Georg Strasser (V) und Rouven Ertlschweiger (T) zogen nach, die Luftreinhaltung in Europa bedürfe eines Konsenses aller Staaten, ansonsten verfehle die Initiative ihre Wirkung. Ertlschweigers Bemerkung, die kurzfristige Realisierung ambitionierter Ziele sei angesichts der prekären Wirtschaftslage realitätsfremd, ließ Rupprechter allerdings so nicht gelten. Investitionen in saubere Luft, Umwelt- und Klimaschutz seien Investitionen in die Zukunft, wie der Anstieg an Green Jobs zeige.

Der Grünen-Antrag sei mehr als berechtigt, befand Michael Pock (N), nicht zuletzt, da mit ambitionierten Zielen zur Luftreinhaltung enorme Einsparungen im Gesundheitsbereich bewirkt würden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei dies jedenfalls zu unterstützen. Andreas Karlsböck (F) stieß sich indes an dem Appell der Grünen, NGOs bei der Programmausarbeitung zur Luftreinhaltung mitwirken zu lassen. In seinen Augen betreiben zivilgesellschaftliche Organisationen genauso Lobbying wie andere Interessensvertretungen, weswegen ihr Einfluss auf die Gesetzgebung hintangehalten werden müsse.

Barbara Rosenkranz brachte aus aktuellem Anlass die vor kurzem entdeckte Verunreinigung von Milch und Viehfutter in Kärnten durch einen Luftschadstoff zur Sprache. Auf ihre Fragen, wie derartige Vorfälle zukünftig vermieden würden und ob es Entschädigungen für die betroffenen Bäuerinnen und Bauern gebe, antwortete Bundesminister Rupprechter, der Fall sei inzwischen aufgeklärt. Er bestätigte Medienberichte, wonach der Ursprung der Verunreinigung durch die hochtoxische Substanz Hexachlorbenzol (HCB) bei einem Zementwerk liege, das die Produktionsauflagen nicht ausreichend erfüllt habe. Sein Ressort unterstütze die Kärntner Landesregierung bei den Maßnahmen, die gegen solche Zwischenfälle gesetzt werden, so Rupprechter. Schadlos halten könnten sich die Geschädigten beim Verursacher. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) rei