Parlamentskorrespondenz Nr. 39 vom 21.01.2015

Nationalrat: Petitionen und Bürgerinitiativen immer wichtiger

NR-Plenum wählt die Abgeordneten Pendl (S), Hammer (V) und Bösch (F) zu neuen Vorsitzenden der Bundesheer-Kommission

Wien (PK) - Der Kampf von Landgemeinden um die Erhaltung ärztlicher Hausapotheken, der Protest gegen die Benachteiligung von Beamtinnen mit Kindererziehungszeiten beim Zugang zur Korridorpension, Verkehrsprobleme im Südburgenland, Unmut über die Änderung des Originaltextes der Bundeshymne und das Verlangen auf Änderung der Flurverfassung zur Klärung der Rechtsprobleme bäuerlicher Agrargemeinschaften – mit diesen Anliegen von BürgerInnen befassten sich die Abgeordneten anhand eines mehrheitlich akzeptierten Sammelberichts des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen spätabends in der heutigen Plenardebatte.

Abgeordnete: Petitionen und Bürgerinitiativen entwickeln sich positiv  

SprecherInnen aller Fraktionen gaben ihrer Freude über die gute Entwicklung der Arbeit des Ausschusses Ausdruck sowie über das wachsende Interesse der BürgerInnen für die direkte Teilnahme an der Arbeit des Parlaments, nicht zuletzt auch durch die rege On-Line-Unterstützung von BürgerInnenanliegen. Dadurch sei es etwa gelungen, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu einem Recht einer parlamentarischen Minderheit zu machen, sagte Wolfgang Pirklhuber (G). Das Pilotprojekt für die Abhaltung von Hearings im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen, etwa beim Thema TTIP, fand allgemeine Zustimmung, insbesondere auch bei Hannes Weninger (S) und Martina Schenk (T). Das Selbstbewusstsein der Ausschussmitglieder sei gewachsen, wurde in der Debatte allgemein festgestellt. Dennoch hielt es Michael Pock (N) für notwendig, die BürgerInnen noch intensiver über die Instrumente Bürgerinitiative und Petitionen aufzuklären.

Korridorpension - Beamtinnen mit Erziehungszeiten benachteiligt

Die Petition zur Beseitigung der Ungleichbehandlung von Beamtinnen mit Karenzurlauben bei der Korridorpension unterstützte Abgeordneter Hermann Gahr (V). Mit der Anhebung der für die Versetzung in den Ruhestand notwendigen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 450 auf 480 Monate wurden 2012 Frauen ab dem Jahrgang 1954 mit längeren Karenzurlauben bei der Korridorpension massiv benachteiligt, schreiben die Initiatorinnen und weisen darauf hin, dass Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt werden. Allen Frauen dieser Gruppe sollten zumindest zwei Karenzjahre pro Kind angerechnet werden.

SüdburgenländerInnen verlangen Schnellstraße und Ausbau der Bahn 

Den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im südlichen Burgenland, vor allem den Ausbau der Fürstenfelder Schnellstraße fordern Bürgermeister des Bezirks Jennersdorf in einer von Nikolaus Berlakovich (V) eingebrachten und ausdrücklich auch von Erwin Preiner (S) unterstützten Petition. Elektrifizierung und Ausbau der Bahnstrecke von St. Gotthard bis Graz steht ganz oben auf der Prioritätenliste der Südburgenländer.

Landgemeinden kämpfen um ärztliche Hausapotheken

700 BürgerInnen der Gemeinde Kirchdorf in Tirol kämpfen mit Unterstützung der Abgeordneten Josef Lettenbichler (V), Hermann Gahr (V), Johann Hechtl (S), Johannes Rauch (V), Johann Hell (S) und Friedrich Ofenauer (V) um die Erhaltung der Hausapotheke ihrer Arztpraxis. Älteren Menschen und Eltern mit Kindern sei es kaum zumutbar, für Medikamente jedes Mal zur nächsten öffentlichen Apotheke im knapp fünf Kilometer entfernten St. Johann zu fahren, sagte Ofenauer, der eine Änderung des Apothekengesetzes verlangte, weil seiner Meinung nach die bestehende gesetzliche Regelung nicht nur für viele Tiroler Gemeinden, sondern für den gesamten ländlichen Raum in Österreich unbefriedigend ist. Eine Novellierung des Österreichischen Apothekergesetzes verlangt auch eine Bürgerinitiative mit dem Titel "Erhaltung der Hausapotheken in der Wildschönau". Die UnterzeichnerInnen setzen sich mit Unterstützung der Abgeordneten dafür ein, ärztliche Hausapotheken in abgelegenen und weit zerstreuten Gemeinden auch dann weiterbestehen zu lassen, wenn dort eine öffentliche Apotheke betrieben wird. Etwa in der Gemeinde Wildschönau im Tiroler Unterland, deren Siedlungsgebiet sich über ein Tal von 24 km Länge erstreckt und manche Höfe auf bis zu 1.300 Meter Seehöhe liegen. Dennoch dürfen die beiden praktizierenden Ärzte derzeit keine Hausapotheke führen, klagt die Bürgerinitiative.

Agrargemeinschaften verlangen Novellierung der Flurverfassung

Eine Bürgerinitiative für die Novellierung des Flurverfassungsgrundgesetzes beklagt "Verwerfungen" im Bodenreformrecht, die infolge nicht durchgeführter Gesetzesreparaturen entstanden sind und "heute jede zweite Tiroler Ortsgemeinde in einen juristischen Kampfplatz verwandeln". Der Nationalrat sollte daher die Zuständigkeit des Flurverfassungsrechts für agrargemeinschaftliche Grundstücke neu klären, um einer unseligen Entwicklung wie in Tirol dauerhaft entgegen zu treten, verlangen die UnterzeichnerInnen.

Töchter und Söhne – Diskussion über Text der Bundeshymne geht weiter

Schließlich verlangt eine Bürgerinitiative die Wiederherstellung der ursprünglichen Fassung der österreichischen Bundeshymne. Die Einfügung der Wortfolge "großer Töchter und" in die erste Strophe der Hymne und der Austausch des Wortes "Brüderchöre" durch "Jubelchöre" habe zu einem sprachlich holprigen, nicht leicht zu singenden und das Versmaß störenden Text geführt. Außerdem stelle die Umtextung einen Eingriff in ein poetisches Werk dar. Es gebe bessere Wege, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern herbeizuführen als die Änderung des Textes der Bundeshymne, meinen die UnterzeichnerInnen der Bürgerinitiative, die ausdrücklich von Abgeordneter Edith Mühlberghuber (F) unterstützt wurde. Die Veränderung eines österreichisches Kulturguts - ohne auf die Stimme des Volkes zu hören – sei ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr die Regierung am Volk vorbeiregiere, sagte Mühlberghuber.

Pendl, Hammer und Bösch neue Vorsitzende der Bundesheerkommission

Die Abgeordneten Otto Pendl (S), Michael Hammer (V) und Reinhard Eugen Bösch (F) sind die neuen Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheer-Kommission. Nach einem entsprechenden Vorschlag des Hauptausschusses erfolgte die Wahl im Nationalratsplenum heute einstimmig.

Die Parlamentarische Bundesheerkommission nimmt Beschwerden von SoldatInnen oder wehrpflichtigen Personen entgegen, prüft diese und legt jährlich einen Bericht vor. Zusammengesetzt ist die Kommission aus vom Nationalrat gewählten und von Parteien entsandten Mitgliedern, wobei – gemäß der jüngsten Novelle zum Wehrgesetz - jede Parlamentspartei mit einem Mitglied vertreten ist. Die Funktionsperiode der Parlamentarischen Bundesheerkommission dauert sechs Jahre.

Christoph Vavrik von den NEOS nahm die Wahl zum Anlass, seine Sorge über den Zustand des Bundesheeres zu äußern. Die Bundesheerangehörigen fühlten sich von Politik und Staat ausgenutzt und im Stich gelassen, sagte er. Die Versprechen seit der Volksbefragung seien nicht eingehalten worden. Er rief daher auf, die Verantwortung gegenüber dem Heer wahrzunehmen und ihm den entsprechenden politischen Rückhalt zu geben. Harsch kritisierte Vavrik in diesem Zusammenhang die vorgenommene Aufstockung der Bundesheer-Kommission, die nur der Machterhaltung der SPÖ und ÖVP in diesem Gremium diene.

Grüne orten Arbeitsmarkt-Diskriminierung von Studierenden aus Drittstaaten

Den Abschluss der heutigen Beratungen bildete die Erste Lesung eines Antrags der Grünen, in dem sich diese gegen Zugangsbeschränkungen für Nicht-EWR-Studierende am Arbeitsmarkt wenden. Die Grünen halten die unterschiedliche Behandlung von Studierenden aus dem EU- und EWR-Raum einerseits und aus Drittstaaten andererseits für eine nicht mehr zeitgemäße Regelung, wie Judith Schwentner (G) ausführte. Sie sah auch keinerlei sachliche und arbeitsmarktpolitische Begründung für die Aufrechterhaltung der bestehenden Bestimmungen und wies zudem darauf hin, dass durch diese Ungleichbehandlung die Betroffenen ihre Qualifikationen am österreichischen Arbeitsmarkt nicht einsetzen können.

Dieser Argumentation konnten sowohl der Wissenschaftssprecher der ÖVP Karlheinz Töchterle als auch Nikolaus Scherak von den NEOS viel abgewinnen. Man sollte die Chancen sehen und nicht nur die Gefahr fürchten, sagte Töchterle, der jedoch einräumte, der Vorschlag der Grünen könnte Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen. Er trat daher dafür ein, sich die Sachlage im Ausschuss genau anzuschauen und dann eine Abwägung zu treffen. Scherak hielt die derzeit bestehende Diskriminierung aufgrund der Herkunft für unhaltbar. Außerdem handle es sich bei den Studierenden aus Drittländern in erster Linie um Personen, die es nötig haben, neben dem Studium zu arbeiten, hielt er fest.

Dezidiert gegen eine derartige Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sprachen sich Rainer Wimmer von der SPÖ und Axel Kassegger von der FPÖ aus. Laut Wimmer stellt die geltende Gesetzeslage eine solide Regelung für Drittstaatsangehörige dar. Kassegger legte sich insbesondere gegen die Streichung der Arbeitsmarktprüfung quer und meinte, Studierende aus Drittländern könnten ohnehin 10 Stunden arbeiten. Mehr sei nicht nötig, da sie in erster Linie studieren sollten.

Der Antrag wurde sodann dem Sozialausschuss zugewiesen.

Der Antrag der NEOS auf Erste Lesung ihrer Initiative, in der es um mehr Sicherheit bei Schultransporten geht, wurde zurückgezogen. Der vorsitzführende Präsident Karlheinz Kopf wies sie daher sogleich dem Verkehrsausschuss zu. (Schluss Nationalrat) fru/jan