Parlamentskorrespondenz Nr. 86 vom 05.02.2015

Schellings Ziele und Zeitplan für Steuerreform und Finanzausgleich

Bundesrat startet mit Megathemen ins neue Arbeitsjahr

Wien (PK) – Die geplante Reform des Finanzausgleichs war im alten Jahr das letzte Thema im Bundesrat und stand heute an der Spitze der Tagesordnung im Bundesrat unter dem Vorsitz der neuen Präsidentin Sonja Zwazl. Am 18. Dezember hatten die BundesrätInnen der Vereinbarung von Bund, Ländern und Gemeinden zugestimmt, den geltenden Finanzausgleich um zwei Jahre, nämlich bis Ende 2016 zu verlängern, um Zeit für die allgemein als schwierig eingeschätzten Verhandlungen zu gewinnen. Heute tauschten Finanzminister Hans Jörg Schelling und die LändervertreterInnen ihre Vorstellungen zur Reform des Finanzausgleichs in einer lebhaften Debatte aus.

Schelling will richtigen Finanzausgleich, keinen populistischen  

Es sei wichtig gewesen, den Finanzausgleich Ende 2014 um zwei Jahre bis 2016 zu verlängern, um Zeit für Verhandlungen über eine neue Struktur der Finanzströme zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu schaffen, sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling in der Einleitung seiner Erklärung zur geplanten Reform des Finanzausgleichs, der ab 2017 in Kraft treten soll. Eine wichtige Voraussetzung für einen neuen Finanzausgleich sei die Harmonisierung das Haushaltsrechts, um saubere, transparente und faire Daten für die Verhandlungen zu schaffen. Diese Verhandlungen sollen im ersten Quartal 2015 abgeschlossen und die Harmonisierung begonnen werden. Auswirkungen auf die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden werde auch die Steuerreform haben - diese Auswirkungen seien transparent darzustellen, bevor die Finanzausgleichsverhandlungen starten, sagte

Schelling und zeigte sich zuversichtlich, bis zum 17. März 2015 einen Vorschlag zur Steuerreform vorlegen zu können. Derzeit werde "rund um die Uhr" darüber verhandelt, aktuell etwa über die Entlastung von Menschen mit einem Jahreseinkommen von weniger als 11.000 €. "Es gibt gute Fortschritte", sagte Schelling dazu. Außerdem werde über Gegenfinanzierungen verhandelt, insbesondere über den Kampf gegen den Steuer- und Sozialabgabenbetrug. Der organisierte Steuerbetrug "koste" in der EU 17 Mrd. € pro Jahr und 500 Mio. € in Österreich, erfuhren die Bundesräte. Gegen den "Karussellbetrug" bei der Mehrwertsteuer schlage Österreich das Reverse Charge-Modell vor, teilte Schelling mit, der dazu einen Vorschlag der EU-Kommission im kommenden Juni erwartet.

Auch bei den Themen Förderungswesen und Verwaltungsreform zeigte sich der Finanzminister optimistisch, bis Mitte März Ergebnisse präsentieren zu können. Mittels Aufgabenkritik sollen Doppelgleisigkeiten festgestellt werden. Auch über die Kompetenzen der Gebietskörperschaften sei zu diskutieren, wobei Schelling das Subsidiaritätsprinzip anwenden und dafür sorgen will, dass staatliche Leistungen so bürgerInnennahe wie möglich erbracht werden. Beim aufgabenorientierten Finanzausgleich gehe es um eine effiziente und zugleich bürgerInnennahe Verwaltung. Falsch sei es, wenn eine Gebietskörperschaft Leistungen bestelle, die eine andere bezahlen müsse, hielt Schelling fest. Er plädierte dafür, die Verantwortung für Leistungen und für deren Finanzierung zusammenzuführen. Bei der Kick-off-Veranstaltung zum Start der Verhandlungen über die Reform des Finanzausgleichs im kommenden Mai plane er daher, die Schweizer Finanzministerin zu einem Vortrag über Vor- und Nachteile kantonaler Steuern einzuladen und eine offene Diskussion über dieses Thema zu führen. Zu vermeiden sei ein ruinöser Steuerwettbewerb zwischen Bundesländern, der letztlich dazu führen würde, dass sich die Verlierer um finanzielle Hilfe an den Finanzminister wenden.

Seinen Zeitplan für die Verhandlungen über den Finanzausgleich skizzierte Schelling wie folgt: Erst sollen einzelne Themen Arbeitsgruppen zugeordnet werden, die ihre Arbeit bis Ende 2015 abschließen sollen. Das Jahr 2016 will der Finanzminister für politische Nachjustierungen und die komplizierte legistische Umsetzung nutzen. Sein ausdrückliches Ziel sei es, Ordnung in die Struktur zu bringen, das System zu vereinfachen und den Wildwuchs an 15a-Vereinbarungen zu reduzieren.  

Die Rede von der Reformunwilligkeit der Bundesländer hält Schelling für einen "Mythos". "Die Reform des Finanzausgleichs wird gelingen", sagte er und appellierte an die Verhandler, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und zu beachten, dass das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld derzeit ungünstig sei. Es sei wichtig, richtige statt populistischer Entscheidungen zu treffen, aber nicht zu vergessen, "das Richtige populär zu machen".

FPÖ: Sind Schellings ambitionierte Ziele realisierbar?  

Gerd Krusche (F/St) nannte Ziele und Zeitplan des Finanzministers für den neuen Finanzausgleich ambitioniert, meinte aber, er werde ihn nicht einhalten können. Bei der notwendigen Harmonisierung der Haushaltsrechte sei noch viel zu tun. Die Gemeinden werden laut Krusche frühestens 2020 so weit sein. Bei der Steuerreform zeichne sich lediglich ein "Reförmchen" ab, sagte Krusche. Meilenweit entfernt sei man auch von der Zusammenführung der Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung und von dem diesbezüglichen Schweizer Best-Practice Modell, gab Krusche zu bedenken und schilderte die stark differierenden Auffassungen zwischen Länderbund und Städtebund beim Berechnungsschlüssel zur Finanzierung der Gemeinden. Die Berücksichtigung höherer Kosten in den Städten sei seiner Meinung nach kein Relikt der Nachkriegszeit. Die hohen Kosten kleiner Gemeinden für deren Kanalnetze seien das Ergebnis einer Verhüttelungspolitik, die die Gemeinden selber zu verantworten hätten.

Viel Arbeit ortete Krusche auch bei der Reform der Verwaltung. Es sei unsinnig, Ertragsanteile der Gemeinden Ländern zu überlassen, die diese als Bedarfszuweisungen an die Gemeinden zurückgeben. Zugleich explodierten die Sozialaufwendungen der Gemeinde, in Leoben etwa auch für Schubhäftlinge. Teure Doppelgleisigkeiten ortet Krusche auch bei der Verwaltung bei den Musikschulen in den Gemeinden.

Finanzausgleich als finanzieller Blutkreislauf der Bundesländer

Franz Perhab (V/St) sah das Thema Finanzausgleich als eine Kernkompetenz des Bundesrats und unterstrich die Bedeutung dieses Instruments als finanzieller Blutkreislauf für die Bundesländer. Die Reform des Finanzausgleichs setze voraus, dass es gelinge, durch eine Steuerreform den Haushalt in Ordnung zu bringen. An die FPÖ richtete der steirische Bundesrat die Aufforderung, ihren Widerstand gegen die Reformen in der Steiermark aufzugeben, weil die Menschen dort sehen, dass diese Reformen sinnvoll seien. Die populistische Rechnung der FPÖ werde bei den bevorstehenden Wahlen nicht aufgehen.

Die konjunkturelle Ausgangslage für die Steuerreform sei schwierig, sagte Perhab. Man müsse alles tun, um bei den Ausgaben anzusetzen und Massensteuern sowie eine Belastung des Mittelstands zu verhindern. Denn Österreich liege mit seiner Steuerquote 8% über den OECD-Durchschnitt und bei den Sozialausgaben 6% über dem OECD-Durchschnitt. Ziel der ÖVP sei eine Tarifreform und die Entlastung von Unternehmen und Familien.

Politik nicht für die Menschen, sondern mit den Menschen machen

Heidelinde Reiter (G/S) plädierte dafür, Steuerreform und Finanzausgleich gemeinsam zu diskutieren, zu verhandeln und umzusetzen. Sie befürchtete Festlegungen bei der Steuerreform, die dazu führen werden, dass weniger Geld in den Blutkreislauf des Finanzausgleichs geschickt werde. Ein Hauptproblem des Finanzausgleichs sei die mangelnde Transparenz, daher sei die Aufgabenkritik wichtig, stimmte Reiter dem Finanzminister zu und warnte davor, "weiterzuwurschteln" wie bisher. Ein grundlegender Fehler bei den Verhandlungen wäre es, die Probleme von oben nach unten lösen zu wollen. Einen aufgabenorientierten Finanzausgleich werde man nur durch partnerschaftliche Lösungen erreichen, die auf einem einheitlichen Haushaltsrecht und gemeinsamen Beurteilungskriterien aufbauen. Die Verhandlungen sollten von unten nach oben geführt und den Menschen die Möglichkeit gegeben werden, darüber zu entscheiden, welche Schule und welche Kinderbetreuung sie haben wollen. "Politik nicht für die Menschen, sondern mit den Menschen machen", lautet das Motto Reiters, die dabei dem Bundesrat eine große Rolle beimisst.

Städte brauchen Geld zur Erfüllung ihrer Aufgaben

Ilse Fetik (S/W) stellte ihrerseits den Zusammenhang zwischen Finanzausgleich und Steuerreform her und zeigte sich besorgt wegen des geringen Wirtschaftswachstums und der hohen Arbeitslosigkeit. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen die Gebietskörperschaften eine adäquate Mittelausstattung im Rahmen eines bedarfsorientierten Finanzausgleichs. Auch die Städte benötigen ausreichend Geld, um ihre Aufgaben - auch für das Umland - erfüllen zu könne. Dabei schlug Fetik eine Diskussion darüber vor, ob der Bevölkerungsschlüssel noch ein geeignetes Instrument sei. Steuerwettbewerb zwischen Gebietskörperschaften dürfe jedenfalls nicht dazu führen, dass Gemeinden einander "umbringen", formulierte die Bundesrätin pointiert. Eine Lanze brach die Rednerin für den Kampf gegen den Steuerbetrug in Europa, namentlich gegen Steueroasen. Ziel der Steuerreform sei es, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, den Konsum zu beleben, Gemeindeinvestitionen zu fördern, Arbeitsplätze zu schaffen und eine gute Balance zwischen Effizienz und Effektivität in der Verwaltung herbeizuführen.

Österreich gibt mehr Geld für Zinsen aus als für Bildung

Angesichts der höchsten Arbeitslosigkeit seit 60 Jahren, einer Wirtschaftsflaute knapp an einer Rezession, einbrechenden Steuererlösen und explodierenden Sozialkosten plädierte Gerald Zelina (T/N) für eine Politik des Gestaltens und der Selbstverantwortung in Österreich. Österreich sei derzeit ein Sanierungsfall, der Jahr für Jahr 8 Mrd. € an zusätzlichen Schulden anhäufe, mehr für Zinsen als für die Bildung ausgebe und kaum noch über Mittel für Zukunftsinvestitionen verfüge. "Ein harter Sanierungskurs ist unvermeidbar", sagte Zelina und bezifferte den jährlichen Sanierungsbedarf mit 4% oder 12 Mrd. €. Die "Selbstbedienungsmentalität" sei zu überwinden, das  Pensionsantrittsalter anzuheben und die fette Verwaltung abzuspecken. Zelinas Vorschläge lauteten auf einheitliche Budgetvorgaben und eine Schuldenbremse für die Bundesländer, eine Genehmigungspflicht für Haftungsübernahmen durch die Länder und auf ein bundeseinheitliches Haushaltsrecht. (Fortsetzung Bundesrat) fru


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