Parlamentskorrespondenz Nr. 131 vom 19.02.2015

Rechnungshof zeigt Systemschwächen bei Agrarflächenförderung auf

Moser weist auf schwierige budgetäre Lage und Personalknappheit in seinem Haus hin

Wien (PK) – Mit der Abwicklung von EU-Förderungen für die Landwirtschaft auf nationaler Ebene, bei der es in den letzten Jahren zu zahlreichen Problemen im Hinblick auf die korrekte Feststellung der beihilfefähigen Flächen gekommen ist, beschäftigte sich heute der Rechnungshofausschuss. Trotz wiederholter Hinweise auf systematische Probleme bei der Flächenfeststellung seit dem Jahr 2001, wurden nur einzelfallbezogene Korrekturmaßnahmen vorgenommen, kritisierte RH-Präsident Josef Moser (III-95 d.B.). Auf der Tagesordnung stand zudem noch ein Bericht über die Öffentlichkeitsarbeit des Landwirtschaftsressorts (III-17 d.B.) sowie über die Tätigkeit des Rechnungshofes selbst (III-128 d.B.); alle Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Rechnungshofbericht: Massive Mängel waren seit Jahren bekannt

Erst nachdem die Europäische Kommission infolge ihrer Prüfung im Jahr 2008 Österreich eine finanzielle Berichtigung von rund 64,19 Mio. € in Aussicht gestellt hatte und im Jahr 2009 eine Entscheidung des Europäischen Gerichts in erster Instanz zu Lasten Österreichs getroffen wurde, verständigten sich die drei zuständigen Stellen – Landwirtschaftsministerium, Agrarmarkt Austria und die Landwirtschaftskammern - auf grundlegende organisatorische, prozedurale, rechtliche wie auch technische Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der Umsetzung der flächenbezogenen EU-Agrarförderungen. 2011 stellte der Europäische Rechnungshof erneut überhöhte Angaben von Almfutterflächen fest. Dies veranlasste die Europäische Kommission Ende 2012 abermals, von Österreich spezifische Abhilfemaßnahmen zu fordern.

Die korrekte Feststellung der beihilfefähigen landwirtschaftlichen Flächen war maßgeblich für die österreichweite Auszahlung von flächenbezogenen Agrarförderungen in der Höhe von jährlich 1,39 Mrd. € (EU und nationale Mittel). Das rechtlich–institutionelle Zusammenspiel der drei Hauptakteure — BMLFUW, AMA und Landwirtschaftskammern — war aber geprägt von Unklarheiten bei der Rollen– und Aufgabenverteilung und institutionellen Interessenkonflikten, urteilten die Prüfer. Dies trug zu einer unzureichenden Wahrnehmung der jeweiligen Verantwortung im eigenen Wirkungsbereich bei. Das Ministerium und die AMA erhielten aufgrund der Prüfungstätigkeiten der externen öffentlichen Finanzkontrolle seit dem Jahr 2001 wiederholt Hinweise auf Probleme, die möglicherweise systemischen Charakter hatten; dennoch wurde nicht entsprechend reagiert. So hätte man etwa aus den im Jahr 2001 festgestellten signifikanten Überdeklarationen von Almfutterflächen in Salzburg zeitgerecht Schlussfolgerungen ziehen sollen und kontrollieren müssen, ob dies in anderen Bundesländern auch der Fall war, heißt es im Bericht. Nach rückwirkenden Flächenabgleichen und der Wiedereinziehung von zu Unrecht ausbezahlten Förderungen bei den Endbegünstigten (rund 10,80 Mio. €) reduzierte die Europäische Kommission die angedrohte finanzielle Berichtigung auf 3,63 Mio. €.

Rupprechter: Neues Almmodell sorgt für Rechtssicherheit und sichert die Zukunft der Landwirte

Die Vertreter aller Parteien schlossen sich der Kritik des Rechnungshofs an und wollten vom Landwirtschaftsminister vor allem wissen, ob die 37 Empfehlungen zum Anlass genommen wurden, eine grundlegende Systemänderung vorzunehmen. Da die AMA die Landwirte offensichtlich falsch beraten hatte, fragte sich Josef Schellhorn von den NEOS, wer die daraus entstehenden Mehrkosten zu tragen hat. FPÖ-Mandatar Erwin Angerer hielt es für wichtig, die Schuldfrage zu klären, da die Bauern im guten Glauben ihre Anträge ausgefüllt haben. SPÖ-Vertreter Erwin Preiner sprach die Koordinierungsschwierigkeiten zwischen den zuständigen Organen an und war auch der Ansicht, dass man viel früher hätte handeln müssen. Zu einer ähnlichen Analyse kam Martina Schenk vom Team Stronach, die ein Versagen der Verwaltungskette und ein Nicht-Wahrnehmen der Verantwortlichkeiten ortete. Die österreichische Agrarverwaltung könne angesichts der aufgezeigten Defizite kaum als Erfolgsmodell bezeichnet werden, bezweifelte Abgeordneter Elmar Mayer (S). Zahlreiche Detailfragen stellte G-Mandatarin Sigrid Maurer, die u.a. den Interessenskonflikt bei den Landwirtschaftskammern, die Ausgestaltung der neuen INVEKOS-Verträge sowie die Adaptierung des Almenleitfadens betrafen.

Der zuständige Bundesminister Andrä Rupprechter dankte den Prüfern des Rechnungshofs für den fundierten Bericht, der sowohl kritisch als auch konstruktiv ausgefallen sei. Er erinnerte daran, dass er kurz nach seinem Amtsantritt eine Task Force Almen eingesetzt habe, die Lösungen ausarbeiten sollte. Vieles konnte auch schon umgesetzt werden, zeigte sich Rupprechter erfreut, so wurden etwa basierend auf den Empfehlungen des Rechnungshofs die Entscheidungsstrukturen und Arbeitsaufträge klarer festgelegt und an einer Verbesserung bei der Weitergabe von Daten sowie bei der Online-Antragstellung gearbeitet. Auch das Problem der ungerechtfertigten Strafzahlungen fand einen positiven Ausgang, mittlerweile wurden 12 Mio. € an die Bauern zurückbezahlt. Im nächsten INVEKOS-Vertrag, der noch nicht fertig ist, komme es auch zu einer wesentlich klareren Aufgabenverteilung sowie zu einer Verstärkung des Qualitätsmanagements. Umgesetzt habe man auch die Anregung des Rechnungshofs, wonach die Landwirtschaftskammer keine Behördenfunktion mehr haben soll. Dies alles werde dafür sorgen, dass in Hinkunft Sanktionen vermieden werden können.

Außerdem wurde durch die Novelle des Marktordnungsgesetzes eine möglichst hohe Rechtssicherheit für die Landwirte geschaffen, betonte der Ressortchef. Schließlich verwies er noch auf das neue Modell für die Almförderung, das u.a. die Weiterentwicklung der Einzelbetriebsprämie hin zu einer Regionalprämie vorsieht. Generell fügte Rupprechter noch an, dass Österreich grundsätzlich sehr geringe finanzielle Berichtigungen aufweist, was auch im Rechnungshofbericht angeführt werde. Österreich hatte seit seinem EU–Beitritt im Jahr 1995 bis Mai 2013, verglichen mit den anderen EU–15–Mitgliedstaaten, die mit Abstand geringsten finanziellen Berichtigungen im Verhältnis zu den Auszahlungen im Agrarbereich zu tragen und schnitt auch im Vergleich der EU–27–Mitgliedstaaten nach Lettland am besten ab.

Moser kündigt Follow-up-Prüfung an

Rechnungshofpräsident Josef Moser zeigte sich erfreut darüber, dass die Anregungen des Rechnungshofs nun endlich auf positive Resonanz gestoßen sind, zumal Mängel bereits seit dem Jahr 2001 bekannt waren. Für ihn sei auch die Klärung der Schuldfrage relevant; erst dann können die entsprechenden Schlüsse gezogen und die richtigen Schritte in die Wege geleitet werden. Das vorliegende Beispiel zeige auch deutlich, dass rechtzeitig gehandelt werden müsse, um zu vermeiden, dass dann Jahre später mit enormem Aufwand eine Reform umgesetzt werden muss.  

Der umfassende Bericht seines Hauses enthalte zahlreiche Empfehlungen, um derartige Probleme in Zukunft zu verhindern. Vor allem sollten die jeweiligen Verantwortlichkeiten proaktiver und mit großer Sorgfalt wahrgenommen werden. Weitere Vorschläge betrafen eine klarere Festlegung von Entscheidungsstrukturen und Arbeitsaufträgen, eine Adaptierung der bestehenden rechtlich-institutionellen Dreiecks-Konstruktion, konkretere Vorgaben für die Qualitätskontrollen der Digitalisierung durch die Landwirtschaftskammern oder die Einführung eines standardisierten Berichtswesens über die Vor-Ort-Kontrolltätigkeiten der AMA. Außerdem sollte zur Sicherstellung einer möglichst einheitlichen Vorgangsweise die amtliche Referenzflächenfeststellung künftig zentral vorgenommen werden. Bei einer künftigen Adaptierung des Almleitfadens sollen klare, objektiv messbare und in Anlehnung an bereits bestehende Modelle einfachere Abgrenzungskriterien geschaffen werden, die das subjektive Ermessen möglichst einschränken. All diese Punkte werde man sich im Rahmen einer Follow-up-Prüfung noch einmal genau anschauen, kündigte Moser an.

Richtig sei, dass Österreich in Bezug auf finanzielle Berichtigungen im EU-Vergleich sehr gut abschneide, stimmte Moser mit Rupprechter überein. Während sich die anderen Mitgliedstaaten aber im überwiegenden Ausmaß verbesserten, habe sich die Position Österreichs in den letzten Jahren aber verschlechtert.

Rechnungshof mahnt mehr Zielgruppenorientierung bei der Öffentlichkeitsarbeit im Landwirtschaftsministerium ein

Mit kritischen Bemerkungen zur Öffentlichkeitsarbeit im Landwirtschaftsministerium, für die zwischen 2006 und 2010 rund 29 Mio. € ausgegeben wurden, wartet der Rechnungshof in einem weiteren Bericht auf. Missfallen erregte dabei vor allem der Umstand, dass sich 2010 bei 94 % aller Inserate ein Bild des Bundesministers fand. Dies habe den Eindruck einer Imagekampagne des Ressortchefs erweckt, heißt es. Auch seien die Schaltungen in Printmedien, die im Berichtszeitraum ein Gesamtvolumen von 13 Mio. € ausmachten, teilweise in Medien mit untergeordneter oder nicht bekannter Reichweite erfolgt. Dazu komme noch, dass Werbebotschaften von Inseraten mitunter sehr allgemein gehalten waren und keinen konkreten Bezug zu den Aufgaben des Ministeriums hatten. Problematisch erschien dem Rechnungshof auch die Direktvergabe der Leistungen der land-, forst- und wasserwirtschaftlichen Rechenzentrum GmbH für die Homepage des Ressorts im Zuge einer In-house-Vergabe.

Grünen-Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber hielt dem Ressort zugute, bereits auf einige der Kritikpunkte des Rechnungshofs reagiert zu haben. Die Zeiten, in denen bei jedem Inserat des Ministeriums das Bild des Ministers größer war als die Botschaft, seien endlich vorbei, meinte er, fügte aber kritisch an, nach wie vor würden Werbungen des Resorts überwiegend in Parteizeitungen geschaltet. Dies beanstandete auch FPÖ-Abgeordneter Gerald Hauser, der den Minister aufrief, Inserate möglichst breit aufzustellen und dabei vor allem den Nutzen für die Öffentlichkeit im Auge zu behalten. Martina Schenk vom Team Stronach bezweifelte den Sinn der Printwerbung des  Ministeriums und zeigte sich befremdet darüber, dass laut Bericht 35.000 € für die Vernichtung von nicht verwendeten Broschüren bezahlt wurden. Für die Abgeordneten Andreas Hanger (V) und Andrea Gessl-Ranftl (S) war vor allem die Betreuung der Homepages erklärungsbedürftig, während NEOS-Mandatar Josef Schellhorn Verbesserungen bei den Genuss-Regionen anregte. Wolfgang Pirklhuber (G) vermisste ein stärkeres Bekenntnis zu geografischen Ursprungsbezeichnungen bei den Genuss-Regionen und drängte zudem auf eine bessere Einbindung der Direktvermarkter.

Wenn man den Bauern zielgerichtete Informationen anbieten will, dann muss man in den Zeitungen inserieren, die von den Bauern gelesen werden, konterte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter auf den Vorwurf der Einseitigkeit bei den diversen Inseratenkampagnen seines Ressorts. Im Übrigen seien von den 37 Empfehlungen des Rechnungshofs bereits 31 umgesetzt worden, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Öffentlichkeitsarbeit würden nun forciert, auch fokussiere man die Kampagnen stärker auf die Zielgruppen, versicherte der Minister.

Überhaupt komme man heute mit deutlich weniger Mitteln zurecht als früher. Was die Homepages betrifft, konnte Rupprechter auf eine Reduzierung von vierzig auf zwanzig hinweisen.

Angesichts der knapper werdenden Mittel sollte man sich bei der Öffentlichkeitsarbeit im Ministerium wieder auf das Informationsbedürfnis der Bevölkerung besinnen, riet Rechnungshofpräsident Josef Moser, der sich aber grundsätzlich zufrieden über das Ausmaß der Umsetzung seiner Empfehlungen zeigte.

Moser spricht von angespannter Personalsituation im Rechnungshof

Einstimmige Kenntnisnahme erhielt schließlich auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Rechnungshofs <<2^(III-128 d.B.)^XXV^III^128^^1>>, der sich schwerpunktmäßig mit der Rolle des RH im Hinblick auf die Wirkungsorientierung nach dem Bundeshaushaltsgesetz 2013, der Qualitätssicherung in Krankenanstalten oder etwa den Tätigkeiten des Rechnungshofs im Zusammenarbeit mit dem Medientransparenzgesetz und dem Parteiengesetz auseinandersetzt.

Rechnungshofpräsident Josef Moser machte unter Hinweis auf die Zahlen des Berichts die rege Prüfungstätigkeit und den großen Arbeitsanfall deutlich. So legte der Rechnungshof im Bereich des Bundes 2014 15 Berichte mit 67 Berichtsbeiträgen vor, im Länderbereich waren es 54 Berichte mit 69 Beiträgen, 10 Berichte mit 10 Beiträgen betrafen Gemeinden und Gemeindeverbände. 80,4 % der Empfehlungen wirken, unterstrich Moser und teilte mit, dass im Jahr 2013 51,3 % umgesetzt wurden, bei 29,1 % der Empfehlungen sei eine Umsetzung zugesagt worden, bloß 19,6 % der Empfehlungen seien aus diesem Jahr noch offen.

In der Debatte bestätigte Moser gegenüber den Abgeordneten Josef Schellhorn (N) und Martina Schenk (T) die angespannte finanzielle und personelle Situation des Rechnungshofs und gab bekannt, dass man im Jahr 2015 2,2 Mio. € aus den angesparten Rücklagen entnehmen müsse, um überhaupt das Auslangen zu finden. 23 Planstellen seien nach wie vor nicht besetzt. Dies sei umso problematischer als immer mehr neue Aufgaben auf den Rechnungshof zukommen und vor allem die Kontrolltätigkeiten in Bezug auf das äußerst verwaltungsaufwändige Medientransparenz- und das Parteiengesetz viele Ressourcen bindet. (Schluss) sue/hof