Parlamentskorrespondenz Nr. 214 vom 12.03.2015

Europäische Zentralbank lockert Geldpolitik der Eurozone weiter

Nowotny informiert Finanzausschuss, Griechenland bereitet Schelling Sorgen

Wien (PK) – Die Europäische Zentralbank (EZB) lockert angesichts schwachen Wirtschaftswachstums im Euroraum, niedriger Inflationsraten zu Jahresbeginn 2015 und einer schwachen Kreditdynamik ihre Geldpolitik weiter. Niedrigzinspolitik allein und der im letzten Herbst gestartete Ankauf von Schuldverschreibungen und Asset-Backed Securities (ABS) reichten bisher nicht aus, um die Deflationsgefahr im Euroraum zu bannen. Seit Anfang März kauft die Europäische Zentralbank (EZB) daher bei Banken Anleihen der Euro-Staaten sowie von Emittenten mit Förderauftrag und von europäischen Institutionen. Das Programm "Quantitative Lockerung" sieht bis September 2016 Ankäufe von 60 Mrd. Euro pro Monat mit dem Ziel einer Anhebung der jährlichen Inflation auf knapp unter 2% vor. Hintergründe und Auswirkungen dieser Geldpolitik erläuterte Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny heute den Mitgliedern des Finanzausschusses. Die EZB setzt darauf, dass Banken die zunehmende Liquidität nutzen werden, um mehr Kredite als bisher zu vergeben, was Investitionen erleichtern, Wachstum fördern und mehr Jobs schaffen soll.

Förderung von Wachstum und Beschäftigung ist auch das finanzpolitische Motto von Rat und EU-Kommission im Jahr 2015. Das diesbezügliche Arbeitsprogramm der Europäischen Union für 2015 nahm der Finanzausschuss eingangs seiner heutigen Sitzung nach einer öffentlichen Debatte mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit definitiv zur Kenntnis. In der Aktuellen Aussprache mit Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny kam auch die aktuelle Situation im hochverschuldeten Griechenland zur Sprache. OeNB-Gouverneur Nowotny stellte klar, dass Griechenland Hilfe von außen aufgrund einer politischen Entscheidung brauche und eine Finanzierung des Landes durch die EZB nicht möglich sei. Finanzminister Hans Jörg Schelling zeigte sich besorgt wegen der Situation in der Ägäis, berichtete aber auch von Aussagen des griechischen Finanzministers Varoufakis, Griechenland wolle keinen Kreditausfall und keinen Austritt aus der Eurozone. Schellings Hoffnung richten sich auf Gespräche mit der griechischen Regierung sowie auf bessere Informationen über die finanzielle Situation des Landes. SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter hielt es in der Debatte für unverständlich, dass Griechenlands Hauptgläubiger Deutschland die Situation eskaliere, und warnte vor einem Crash in der Ägäis.

Aktuelle geldpolitische Maßnahmen des Eurosystems

In einem Rückblick auf das Maßnahmenpaket von Juni bis September 2014 informierte Nowotny darüber, dass die EZB seit September 2014 mit "gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften" (Targeted Longer-Term Refinancing Operations, TLTROs) Banken zusätzliches Zentralbankgeld für maximal vier Jahre zur Verfügung stellte, um damit Kredite an Unternehmen und private Haushalte (jedoch nicht für den Kauf von Immobilien) zu vergeben. Dazu kam im Oktober 2014 das dritte Covered Bonds Purchase Programme (CBPP3) zum Ankauf von Euro-Schuldverschreibungen von Euroraum-Banken und im November das Asset-Backed Securities Purchase Programme (ABSPP) zum Ankauf einfacher und transparenter ABS. Diese beiden Programme zielen auf die Finanzierung der Realwirtschaft, insbesondere von KMU, ab.

Das erweiterte Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (expanded asset purchase programme, APP) zielt auf den Ankauf von Anleihen im Euroraum ansässiger Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag sowie von Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank oder dem Europäischen Stabilitätsmechanismus. Das Programm steht im Einklang mit dem EU-Vertrag, der den Ankauf marktfähiger Instrumente als geldpolitisches Instrument vorsieht. Staatsanleihen werden nicht direkt von den Mitgliedstaaten, sondern am Sekundärmarkt erworben. Die Preise entstehen auf dem Markt, das Eurosystem wird nicht zum bevorzugten Gläubiger, sondern hat den gleichen Status wie private Investoren, erfuhren die Abgeordneten von Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny.

Hilfe für Griechenland ist eine politische Entscheidung

Das hochverschuldete Griechenland, dessen Banken zuletzt von Einlagenabflüssen betroffen waren, musste auf Instrumente verzichten, die bislang für geldpolitische Geschäfte des Eurosystems genutzt wurden. Griechische Banken werden daher mit Liquiditätshilfen (Emergency Liquidity Assistance - ELA) durch die griechische Notenbank finanziert.

Die öffentlichen Schulden Griechenlands betrugen Ende 2014 318 Mrd. € oder 176,3% des BIP. Davon werden 69% von der EU (European Financial Stability Fund und bilaterale Kredite) und dem IWF gehalten. Zählt man die EZB-Anleihen im Rahmen des SMP dazu, beläuft sich der Anteil öffentlicher Schuldner an der griechischen Staatsschuld auf 77%. Dazu kommen weitere 40 Mrd. € in Anleihen und kurzfristige Schuldtitel im Ausmaß von 15 Mrd. €.

Für die Hilfspakete der EU (EFSF, bilalterale Kredite) und für mögliche Verluste aus dem SMP Programm haften die Staaten des Euroraums im Ausmaß ihres EZB-Kapitalschlüssels. Insgesamt betragen die Kredite und Anleihen 219,7 Mrd. €. Österreich hat ein Kreditexposure von 6,5 Mrd. € und darüber hinaus einen 260 Mio. Euro-Anteil an IWF-Krediten erfuhren die Mitglieder des Finanzausschusses. Griechenland könne seine Verpflichtungen ohne Hilfe von außen nicht erfüllen, sagte Nowotny. Daher sei eine politische Entscheidung notwendig. Die Europäische Zentralbank könne dies Entscheidung nicht ersetzen.

In der Debatte bezeichnete OeNB-Gouverneur Nowotny das Programm zur geldpolitischen Lockerung als sinnvoll, denn es habe negative Auswirkungen auf Investitionen und Wachstum, wenn das Preisniveau insgesamt zurückgehe. Zugleich räumte Nowotny ein, dass von lang anhaltenden niedrigen Zinsen auch negative Struktur-Effekte ausgehen können.

Deflation behindert Investitionen und Wachstum 

SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter meinte beim Thema Geldpolitik, die USA hätten gezeigt, wie man mit einer offensiven Politik schneller aus der Krise komme als mit Sparen. Demgegenüber warnte Robert Lugar (T) vor Staatsfinanzierung durch die EZB sowie vor Fehlallokationen von Kapital und vor dem Ankauf teurer Anleihen durch die EZB, die künftig an Wert verlieren würden. Angesichts der Politik billigen Geldes hielt Lugar Überziehungszinsen für Private von bis zu 13% für korrekturbedürftig.

Für Bruno Rossman (G) ist es positiv, dass die EZB die Krise ernst nehme und handle. Was fehle, sei eine Ergänzung der EZB-Geldpolitik durch expansive fiskalpolitische Maßnahmen, sagte der Abgeordnete und sprach die Befürchtung aus, dass "die Pferde trotz niedriger Zinsen nicht saufen werden", wenn die Nachfrage nicht zugleich von Seiten der Staaten erhöht werde.

Werner Groiß (V) drängte darauf, durch Reformen im Steuerrecht und im Gesellschaftsrecht - etwa durch einen Mittelstandsfond oder Crowd-Funding - dafür zu sorgen, dass das Geld der EZB auch in der privaten Wirtschaft ankomme.

Elmar Podgorschek (F) erkundigte sich nach Überlegungen für eine Eigenkapitalunterlegung beim Ankauf von Staatsanleihen durch Banken. 

Darüber werde in der EZB diskutiert, sagte Nowotny. Um Nachteile für den Euroraum im globalen Wettbewerb zu vermeiden, solle darüber aber auf internationaler Ebene entschieden werden, sagte Nowotny. Seiner Einschätzung nach werde die derzeit bei Null liegende Inflation der Eurozone in der zweiten Hälfte des Jahres steigen. Von der geldpolitischen Lockerung gingen unterschiedliche Auswirkungen aus, analysierte der OeNB-Gouverneur. Langfristig haben niedrige Zinsen auch negative Auswirkungen auf die Kapitalallokation, was Maßnahmen gegen die Blasenbildung am Kapitalmarkt notwendig mache. Uneingeschränkt positiv beurteile er die Auswirkungen des niedrigeren Euro-Wechselkurses und berichtete von ersten positiven Auswirkungen auf die Exporte. Den Vorwurf Lugars, die EZB betreibe Staatsfinanzierung, wies Nowotny entschieden zurück. Die EZB kaufe Anleihen nur auf dem Sekundärmarkt, also nach einer marktkonformen Preisbildung.

Schelling: Sorgen wegen Griechenland, Hoffnung auf Gespräche

"Ich bin besorgt wegen der Entwicklung in Griechenland" sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling. Es bestünden Probleme in der Kommunikation mit der griechischen Regierung, berichtete der Finanzminister und vermisste Zahlen und Daten aus dem hochverschuldeten Land. Die Europäische Kommission durchleuchte derzeit Szenarien, wobei klar sei, dass die EZB Griechenland nicht finanzieren könne und Notkredite nur eine kurzfristige Lösung darstellten. Ein drittes Hilfsprogramm habe die erfolgreiche Beendigung des zweiten Hilfsprogramms zur Voraussetzung. Er hoffe auf eine Klärung der Situation in Gesprächen mit der griechischen Regierung. Finanzminister Yanis Vanoufakis habe jedenfalls festgestellt keinen Kreditausfall herbeiführen und die Eurozone nicht verlassen zu wollen (Fortsetzung Finanzausschuss) fru