Parlamentskorrespondenz Nr. 241 vom 18.03.2015

Ein Amtsweg weniger für Eltern

Familienausschuss beschließt antragslose Familienbeihilfe

Wien (PK) – Zumindest einen Behördengang werden sich Eltern in Hinkunft ersparen. Durch die heute vom Familienausschuss beschlossene antragslose Familienbeihilfe kommt es ab 1. Mai 2015 zur automatischen Überweisung der Familienbeihilfe, wenn alle Voraussetzungen für den Bezug vorliegen. Die Verwaltungsvereinfachung wurde von allen Fraktionen begrüßt und einstimmig beschlossen.

Auf der Tagesordnung der Sitzung stand neben der EU-Jahresvorschau für den Bereich Familie und Jugend überdies ein umfangreiches Paket von Anträgen der Oppositionsparteien, die allerdings bei der Abstimmung vertagt bzw. abgelehnt wurden. Die NEOS forderten mehr Toleranz gegenüber Kinderlärm sowie eine Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge durch die Jugendwohlfahrt. Die Abschaffung des Krankenhaus-Selbstbehalts für Kinder und Jugendliche war Gegenstand von Initiativen von Team Stronach und FPÖ. Das Team Stronach pochte überdies auf eine jährliche Valorisierung von Familienleistungen sowie auf Abschaffung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld. Die Freiheitlichen verlangten die Anrechnung von vier vollen Jahren Kindererziehungszeit für die Pensionsversicherung und regten zudem eine Studie über die ökonomischen Leistungen der Familien an. Die Grünen wiederum schlugen die Möglichkeit der gleichzeitigen Inanspruchnahme von Elternteilzeit und Elternkarenz durch beide Elternteile vor und urgierten darüber hinaus ein Bundesrahmengesetz für die Ausbildung von Tageseltern. Die NEOS schließlich plädierten für ein Scheckmodell für Dienstleistungen im Bereich der elementaren Bildung und machten Druck für die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr des Kindes.

Verwaltungsvereinfachung beim Bezug von Familienbeihilfe

Ab 1. Mai 2015 wird die Familienbeihilfe ohne Antrag überwiesen. Möglich wird dies durch eine Novelle zum Familienlastenausgleichsgesetz (479 d.B.), die die Zustimmung aller Fraktionen fand. Wenn alle Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe vorliegen, werden nunmehr die Daten aus dem Personenstandsregister elektronisch an die Finanzbehörden übermittelt, die Eltern erhalten daraufhin automatisch die Familienbeihilfe und ersparen sich einen Amtsweg.

Auf die Detailfragen der Abgeordneten zur Umsetzung erläuterte Familienministerin Karmasin, dass die Behörden auf jeden Fall alle Eltern über den Bezug informieren und dass fehlende Angaben nachgereicht werden können. Zusätzlichen Kosten für EDV-Leistungen stehen niedrigere Personalkosten gegenüber, daher werde sich in Summe eine Einsparung ergeben, sobald die vollständige Umstellung auf das neue System erfolgt ist. Die Zustimmung der Abgeordneten war einstimmig.

Jahresvorschau auf EU-Vorhaben im Bereich Familie und Jugend 2015

Die Jahresvorschau von Bundesministerin Sophie Karmasin auf Vorhaben der EU für die Bereiche Familie und Jugend im Jahr 2015 (III-151 d.B.) führte im Familienausschuss zu einer Debatte über Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Der Bericht wurde mehrheitlich, ohne die Stimmen der FPÖ, zur Kenntnis genommen.

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (F) meinte, die EU habe das Problem der Jugendarbeitslosigkeit zwar erkannt, es seien für sie aber keine wesentlichen Fortschritte in der Umsetzung konkreter Maßnahmen zu erkennen. Ausschussobmann Georg Strasser (V) stellte fest, es liege an den Mitgliedsstaaten, die EU-Gelder zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit abzuholen. Leopold Steinbichler (T) sagte, die Stärkung des Unternehmensgeistes junger Menschen (Youth Entrepreneurship) sei an sich ein wichtiges Ziel. Die Wirtschaftspolitik sei aber derzeit nicht dazu angetan, Selbständige zu fördern.

Als wichtigen Beitrag zur Jugendförderung nannte Julian Schmid von den Grünen die Jugendmobilitätsprogramme wie etwa Erasmus+, durch die junge Menschen europäische Erfahrungen und Kompetenzen für das künftige Berufsleben sammeln können. Diese müssten aber noch breiter bekannt gemacht werden, sagte er.

Zur Familienpolitik sagte die Ministerin, diese werde zwar weitestgehend von den Mitgliedstaaten selbst bestimmt. Kommission und Rat geben jedoch länderspezifische Empfehlungen ab. Dazu bemerkten Beate Meinl-Reisinger (N) und Aygül Berivan Aslan (G), Österreich sei im Hinblick auf die Umsetzung der EU 2020-Ziele aufgefordert worden, Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von Frauen zu ergreifen, indem unter anderem die Kinderbetreuungsdienste verbessert werden. Ministerin Sophie Karmasin sagte, das Anreizsystem des Bundes für eine Qualitätssteigerung der Kinderbetreuungseinrichtungen funktioniere gut. Die Erfahrung zeige, dass die Länder sich die vom Bund dafür bereitgestellten Mittel auch abholen.

Für Maßnahmen zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf interessierte sich Angela Lueger (S). Karmasin verwies dabei auf den Angebot ihres Ressorts für Unternehmen, ein Audit ihrer Familienfreundlichkeit durchzuführen. Das Ergebnis bleibe allerdings anonym, denn ein direktes namentliches Ranking von Unternehmen sei aus Datenschutzgründen nicht möglich.

Auf besonderes Interesse der Abgeordneten stieß die "Europäische Strategie für ein besseres Internet für Kinder". Ziel ist es, dass das Internet auch für Kinder ein sicherer Ort ist und bleibt. Die Bundesministerin wies darauf hin, dass legistische Regelungen oder technische Sperren nicht ausreichen, um die Heranwachsenden vor Gefahren aus dem Internet zu schützen. Die Vermittlung von Medienkompetenz für alle Beteiligten (Kinder, Jugendliche, Eltern und PädagogInnen) habe sich als wesentlich effizienter erwiesen. Ihr Ressort biete dazu eigens Kurse an, sagte Ministerin Karmasin. Details darüber, wie viele Personen diese erreicht haben, versprach sie den FPÖ-Abgeordneten Carmen Schimanek und Gernot Darmann schriftlich nachzureichen.

Vom Kinderlärm bis zur Betreuung minderjähriger Flüchtlinge

Das Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema "25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention" (III-123 d.B.) – es wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen – führte zu einer Diskussion wie es gelingen könne, Jugendliche zu Themen, die sie betreffen, in den parlamentarischen Prozess einzubinden. Die JugendsprecherInnen Katharina Kucharowits (S), Asdin El Habassi (V) und Julian Schmid (G) stellten übereinstimmend fest, dass die Enquete ein großer Erfolg war und von den Jugendlichen wichtige Themen angesprochen wurden. Allerdings sei von ihnen das "zu steife Setting" im Parlament, wie Schmid es nannte, eher negativ aufgenommen worden. Die Frage sei, wie man partizipative Elemente am Gesetzgebungsprozess stärken könnte. Die Erfahrungen der Jugendenquete sollten grundsätzlich in die Weiterentwicklung des parlamentarischen Prozesses einfließen, meinte Daniela Musiol (G).

Die Debatte bot den Abgeordneten Gelegenheit, sich mit der Situation der Kinder in der Gesellschaft auseinanderzusetzen und dabei auch brisante Themen anzuschneiden. So ließen die NEOS mit einem Initiativantrag (821/A) aufhorchen, in dem Nikolaus Scherak eine höhere Toleranz gegenüber Kinderlärm fordert. Demnach sollte Kinderlärm, selbst wenn er das ortsübliche Ausmaß übersteigt, im Unterschied zu anderen Immissionen nur dann untersagt werden können, wenn die Nutzung der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks dadurch in unzumutbarer Weise beeinträchtigt ist. Von einer entsprechenden Änderung im ABGB erwartete Scherak sich vor allem auch Signalwirkung für andere Bereiche, etwa bei Genehmigungsverfahren für Kinderspielplätze oder baulichen Lärmschutzvorschriften. Der Antrag wurde vertagt, nachdem SPÖ-Abgeordnete Angela Lueger darauf hingewiesen hatte, dass die gesetzlichen Regeln zu Lärmemissionen im Zuständigkeitsbereich der Länder, nicht des Bundes liegen. Es gebe bereits in sieben Bundesländern Gesetze, die Kinderlärm anders bewerten als sonstige Lärmquellen, und die der Intention des Antrags daher entsprechen. Sie hoffe, dass auch die beiden noch fehlenden Länder bald nachziehen werden, sagte Lueger.

In einer weiteren Initiative (934/A(E)) machte Nikolaus Scherak (N) auf die zahlreichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aufmerksam und schlug vor, diese ab Einbringung des Asylantrags der Jugendwohlfahrt zu unterstellen.

Kritisch zu dem Antrag äußerte sich FPÖ-Mandatarin Barbara Rosenkranz. Der Schutz von Flüchtlingen sei sicher ein humanitäres Anliegen. Wenn es um Minderjährige gehe, müsse man der Realität ins Auge sehen, dass diese oft von kriminellen Schleppersyndikaten in ihren Heimatländern aus den Familien gerissen werden, um im Ankunftsland als "Ankerkind" für den Familiennachzug zu dienen. Diese Darstellung rief Empörung vor allem auf Seiten der SPÖ und den Grünen hervor. Aygül Berivan Aslan (G) und Angela Lueger (S) hielten Rosenkranz entgegen, sie verkenne die Realität der vielen Kindern auf Jugendlichen auf der Flucht. Fälle von so genannten "Ankerkindern" stellten nachweislich nur einen marginalen Prozentsatz der asylsuchenden Kinder und Jugendlichen dar und sollten daher nicht als Argument in der Flüchtlingsdebatte herangezogen werden. Schließlich wurde der Antrag von SPÖ und ÖVP vertagt, nachdem Abgeordneter Nikolaus Prinz (V) festhielt, dass bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden sei, um die Betreuung von Jugendlichen zwischen Bund und Ländern zu regeln.

Team Stronach und FPÖ für Abschaffung des Krankenhaus-Selbstbehalts für Kinder und Jugendliche

Weiter Druck für die Abschaffung des Krankenhaus-Selbstbehalts für Kinder und Jugendliche machen Team Stronach und FPÖ. Die Abgeordneten Leopold Steinbichler (T) und Anneliese Kitzmüller (F) argumentierten in zwei Entschließungsanträgen (894/A(E) bzw. 970/A(E)), die verpflichtende Kostenbeteiligung würde immer mehr zur finanziellen Belastung von Familien, wobei vor allem jene mit chronisch kranken Kindern besonders betroffen seien. SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger wies auf diesbezügliche Gespräche im Rahmen der kommenden Verhandlungen über den Finanzausgleich hin und zeigte sich zuversichtlich, dass es auch dank des Engagements aller Fraktionen gelingen wird, eine Lösung im Sinne der Familien zu finden. Beide Anträge wurden daraufhin mehrheitlich vertagt.

Zuverdienstgrenze, Anrechnung der Kindererziehungszeiten, Elternkarenz, Dienstleistungsscheck: Weitere Oppositionsanträge vertagt bzw. abgelehnt

Leopold Steinbichler (T) deponierte einmal mehr die Forderungen seiner Fraktion nach jährlicher Valorisierung der Familienleistungen (219/A(E)) und Abschaffung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld (220/A(E)), konnte sich mit seinen Anträgen aber nicht durchsetzen. ÖVP-Familiensprecher Georg Strasser begründete die Ablehnung durch die Regierungsparteien mit dem Argument, in den letzten fünf bis zehn Jahren seien bereits große finanzielle Leistungen für die Familien erbracht worden. SPÖ-Mandatar Wolfgang Knes fügte an, die Abschaffung der Zuverdienstgrenze würde vor allem Unselbstständige benachteiligen.

Für die Freiheitlichen drängte Anneliese Kitzmüller auf die Anrechnung von vier vollen Jahren Kindererziehungszeit pro Kind in der Pensionsversicherung (897/A(E)). Zudem wollte die FPÖ-Familiensprecherin auch Aufschluss über die ökonomischen Leistungen der Familien für die Gesellschaft und regte eine entsprechende Studie an (917/A(E)). Beide Initiativen wurden unter Hinweis auf bereits laufende Gespräche und Vorarbeiten vertagt.

Grünen-Familiensprecherin Daniela Musiol wiederum ging es um Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So sollten Elternteilzeit und Elternkarenz, gleichzeitig von beiden Elternteilen in Anspruch genommen werden können, schlug sie in einer Initiative (684/A(E)) vor, die bei der Abstimmung allerdings vertagt wurde. SPÖ-Abgeordnete Angela Lueger meinte dazu, dieser Antrag sollte eigentlich im Sozialausschuss diskutiert werden. Des Weiteren urgierte Musiol ein Bundesrahmengesetz für die Ausbildung von Tageseltern (686/A(E)). Auch hier entschied die Ausschussmehrheit auf Vertagung, wobei ÖVP-Abgeordnete Gabriele Tamandl an entsprechende Ausbildungslehrgänge in den Ländern erinnerte.

Die NEOS schließlich stellten die Forderung nach einem Scheckmodell für Dienstleistungen im Bereich der elementaren Bildung (615/A(E)) in den Raum. Beate Meinl-Reisinger erwartete sich davon neben Vorteilen für die Eltern auch Impulse in Richtung eines produktiven Wettbewerbs zwischen den Anbietern um die besten pädagogischen Konzepte. Diese Initiative fand bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit. Darüber hinaus drängten die NEOS auch auf einen Etappenplan zur Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr des Kindes (627/A(E)). Hier begründete Norbert Sieber (V) die mehrheitlich beschlossene Vertagung mit dem laufenden Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und gab überdies zu bedenken, ein Rechtsanspruch wäre im Hinblick auf kleinere Gemeinden kontraproduktiv. (Schluss) sox/hof