Parlamentskorrespondenz Nr. 264 vom 25.03.2015

Mikl-Leitner: Neues Staatsschutzgesetz und Kooperation mit Westbalkan

Nationalrat gedenkt den Opfern des Flugzeugabsturzes in Frankreich

Wien (PK) – Der Kampf gegen Extremismus und Terrorismus stand heute im Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde im Nationalrat. Innenministerin Mikl-Leitner skizzierte die Eckpunkte der österreichischen Sicherheitsstrategie, die von einer engeren Zusammenarbeit mit den Westbalkan-Staaten, einer verstärkten Kooperation zwischen Polizei und Bundesheer bis hin zu einem neuen Staatsschutzgesetz, das in den nächsten Tagen in die Begutachtung gehen soll, reichen.

Schweigeminute im Gedenken an die 150 Todesopfer des Flugzeugunglücks in Frankreich

Vor Eingang in die Debatte drückte Nationalratspräsidentin Doris Bures ihr tiefes Mitgefühl gegenüber den Familien und Angehörigen der beim schrecklichen Flugzeugabsturz in Frankreich ums Leben gekommenen 150 Menschen aus und bat die Abgeordneten, sich eine Minute von den Sitzen zu erheben.

Mikl-Leitner: Neues Staatsschutzgesetz soll Balance zwischen Sicherheit und Freiheit gewährleisten

Die Themen Extremismus und Terrorismus im Rahmen einer Aktuellen Stunde zu behandeln, sei mehr als legitim, meinte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, da die Bedrohungslage ernst und besorgniserregend sei. Gerade die Anschläge in den letzten Wochen haben gezeigt, dass niemand der Bevölkerung 100%-ige Sicherheit garantieren könne. Österreich nehme die Gefahren seit Jahren sehr ernst und habe deshalb auch ein umfassendes Sicherheitspaket geschnürt, das nicht nur auf Repression, sondern vor allem auch auf Prävention sowie auf Zusammenarbeit mit dem Lehrpersonal an den Schulen setzt, erklärte die Ministerin. Im Bereich der digitalen Medien, die von den Terroristen immer stärker genutzt werden, gebe es eine Kooperation mit Google und Youtube, um gefährliche Inhalte so schnell wie möglich aus dem Netz nehmen zu können. Wenn jemand ein Video mit radikal islamistischen Inhalten entdeckt, sollte der Link dazu an stopextremists@bmi.gv.at geschickt werden, informierte Mikl-Leitner.  

Seit April des Vorjahres werde zudem über ein grundlegend neues Staatsschutzgesetz diskutiert, um Phänomene wie Cyper-Kriminalität, Spionage, Extremismus und Terrorismus noch besser bekämpfen zu können, erklärte die Ressortchefin. Damit eine gute Balance zwischen Sicherheit und Freiheit gewährleistet ist, sollen u.a. die sensiblen Befugnisse auf eine kleine Gruppe von Personen eingeschränkt werden. Außerdem soll der Einsatz von privaten Vertrauenspersonen für die Polizei sowie von Kennzeichenerfassungssystemen ermöglicht werden. Ein weiterer Schwerpunkt der Sicherheitsstrategie liege in der verstärkten Kooperation mit den Westbalkan-Staaten, führte Mikl-Leitner weiter aus. Vor kurzem habe dazu eine hochkarätig besetzte Konferenz in Wien stattgefunden, wo über ein gemeinsames Vorgehen gegen den Dschihadismus beraten wurde.

ÖVP begrüßt neues Staatsschutzgesetz und Kooperation zwischen Polizei und Bundesheer

Der Terror sei derzeit leider allgegenwärtig, meinte Abgeordneter Werner Amon (V), und verwies auf die grausamen Anschläge in Paris und Tunis oder den Überfall auf ein libysches Ölfeld, wo ein Österreicher als Geisel genommen wurde. Erst gestern wieder wurden in Nigeria 500 Frauen und Kinder von der Terrormiliz Boko Haram getötet oder entführt. Die Aktivitäten der "fanatischen und wahnsinnigen" Terrororganisation IS richten sich gegen unser freiheitliches, demokratisches und pluralistisches System, gegen den liberalen Rechtsstaat, die offene Gesellschaft und die allgemeinen Menschenrechte, unterstrich Amon. Eine solidarische Haltung und ein gemeinsames Vorgehen der Staatengemeinschaft sei daher dringend erforderlich. Auf nationaler Ebene wurden bereits einige sehr wichtige Schritte gesetzt, die von praktischen Maßnahmen (große Polizeiaktion im November) bis hin zu legistischen Änderungen (z.B. Verschärfungen im Terrorsymbolgesetz und im Staatsbürgerschaftsrecht) reichen, erinnerte der ÖVP-Mandatar. Ausdrücklich zu begrüßen seien auch das neue Staatsschutzgesetz sowie der Ausbau der Kooperation zwischen Polizei und Bundesheer, betonte seine Fraktionskollegin Michaela Steinacker (V). Nikolaus Prinz hob insbesondere die auf österreichische Initiative abgehaltene Anti-Terror-Konferenz in Wien hervor, wo es u.a. um gemeinsam abgestimmte Präventionsmaßnahmen sowie um die Vorgangsweise gegenüber terroristischen Auslandskämpfern in Europa ging.  

SPÖ: Terrorismus müsse an der Wurzel bekämpft werden

SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl schloss sich den Ausführungen von Amon an, wonach die internationale Staatengemeinschaft angesichts der furchtbaren Gräueltaten der Terrormilizen Flagge zeigen muss. Besonders besorgniserregend sei die Tatsache, dass so viele Jugendliche aus Westeuropa auf die Propaganda der IS hereinfallen und für sie in den Krieg ziehen. Pendl hielt es daher für überaus wichtig, den jungen Menschen eine Perspektive zu geben, und zwar in Form einer guten Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Neben diesen präventiven Maßnahmen, die oft nicht so schnell greifen, müssen aber auch die entsprechenden legistischen Rahmenbedingungen, wie etwa das neue Staatsschutzgesetz, geschaffen werden, unterstrich der SPÖ-Redner. Unabdingbar sei auch eine enge Zusammenarbeit zwischen den ExpertInnen des Innen- und des Verteidigungsressorts. Abgeordneter Josef Cap sprach Versäumnisse und Fehlentwicklungen in der Außenpolitik und in der globalen Ökonomie an, die zu einem Aufstieg des Islamischen Staats beigetragen haben. So hätte man z.B. von Seiten der EU die zarten Pflänzchen des Arabischen Frühlings viel aktiver unterstützen müssen.

FPÖ fordert Entzug der Staatsbürgerschaft für Dschihad-RückkehrerInnen

Wenn man schon den Kampf gegen Extremismus und Terrorismus in den Mittelpunkt stelle, dann sollte man doch hinzufügen, dass es sich in den letzten 15 Jahren fast ausschließlich um islamistische Attentäter gehandelt hat, konstatierte der freiheitliche Klubobmann Heinz Christian Strache. Wie man am Beispiel des 16-Jährigen Dschihad-Rückkehrers sehe, zähle auch Österreich zu einem Rekrutierungsland für fanatische IS-Extremisten, zeigte Strache auf, insgesamt sind bereits 174 Personen in den Krieg gezogen. Seiner Meinung nach könne dieses Phänomen nicht nur auf Bildungsdefizite reduziert werden; es handle sich um ein ideologisch-fanatisches Problem, zumal sich die Extremisten auf den Islam berufen. Besondere Vorsicht sei gegenüber den über 60 RückkehrerInnen angebracht, die ein großes Sicherheitsrisiko darstellen, warnte Strache. Die Freiheitlichen fordern deshalb schon seit langem, dass all jenen Österreichern, die sich einer Terrormiliz angeschlossen haben, sofort die Staatsbürgerschaft entzogen wird. Bedauerlicherweise finden sich unter den Tätern auch einige Asylanten, die ihren Status für kriminelle Aktivitäten missbrauchen, gab FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz zu bedenken.

Grüne kritisieren Übergriffe im Namen des Kampfs gegen den Terrorismus und zu geringe Mittel für Prävention

Es sei richtig, dass die Austro-Dschihadisten, die nach Österreich zurückkommen, ein Sicherheitsrisiko darstellen, erklärte Peter Pilz (G). Da diese Personen auch für ein Versagen der Integration stehen, müsse alles getan werden, um solche Radikalisierungen in Zukunft zu unterbinden. Natürlich brauche es auch polizeiliche Maßnahmen, um Anschläge zu verhindern, räumte Pilz ein. Gleichzeitig müsse aber darauf geachtet werden, dass der Verfassungsschutz wirklich Dschihadisten verfolgt und nicht Pizzabäcker, was etwa in einer konkreten Amtshandlung in Gmünd der Fall war. Dadurch wurde der Ruf eines untadeligen Geschäftsmannes ruiniert; aber bis heute wurde nichts getan, um den entstandenen Schaden wieder gut zu machen, zeigte sich Pilz empört. Alev Korun war der Auffassung, dass bei der Bekämpfung von Extremismus und Terror neben der unerlässlichen Polizeiarbeit, die auf die Verfolgung von Straftaten abzielt, mittel- und langfristige Präventionsprojekte im Vordergrund stehen müssen. Derzeit habe sie aber den Eindruck, dass Gelder primär für Polizeiaufrüstung, gepanzerte Fahrzeuge etc. bereit gestellt werden.

Team Stronach fordert mehr PolizeibeamtInnen und harte Vorgangsweise gegenüber heimischen IS-Kämpfern

Dem Titel der Aktuellen Stunde, "Gemeinsam gegen den Terror", können sich wohl alle anschließen, meinte Christoph Hagen vom Team Stronach. Reden darüber sei aber zu wenig, es müsse auch gehandelt werden. Erfreulich sei deshalb, dass sich Außenminister Kurz der Forderung seiner Fraktion nach Entzug der Staatsbürgerschaft für österreichische IS-Kämpfer angeschlossen hat; dies sei der richtige Weg. Positiv bewertete Hagen das Sicherheitspaket im Ausmaß von 300 Mio. €, ausständig sei seiner Meinung nach aber noch eine massive Aufstockung des Polizeipersonals. Radikalisierungstendenzen müssen schon im Keim erstickt werden, war Rouven Ertlschweiger überzeugt, der sich u.a. kritisch mit den Koran-Verteilaktionen der sogenannten "Lies!-Stifung" auseinandersetzte.

NEOS warnen vor Eingriffen in Grund- und Freiheitsrechte

Nikolaus Alm (N) bezweifelte, dass die von den VertreterInnen der Koalitionsparteien angeführten Gesetzesverschärfungen in den letzten Monaten einen Beitrag zur Terrorprävention und –aufklärung leisten. Bedauerlich sei auch, dass ie wirkungslose Vorratsdatenspeicherung ständig aufgewärmt werde. Statt demokratiepolitisch bedenkliche Bestimmungen zu beschließen, sollte der Blick darauf gerichtet werden, was schon vorhanden ist, urteilte der NEOS-Mandatar. Nach den Anschlägen in New York wurden auf EU-Ebene immerhin 239 Maßnahmen in diesem Bereich erlassen; diese Instrumentarien sollten nun genutzt werden. Wenn die Privatsphäre nicht verteidigt wird, gehe es in Richtung totale Überwachung inklusive totalitärer Phänomene, warnte Alm. Sein Fraktionskollege Nikolaus Scherak konzentrierte sich auf die Präventionsarbeit, die nicht nur in den Schulen, sondern etwa auch im Strafvollzug stattfinden müsse, um weitere Radikalisierungen zu verhindern.

Die Innenministerin ging schließlich noch auf zwei Polizeieinsätze ein, die im Laufe der Debatte angesprochen wurden. Was den Vorfall in einer Pizzeria in Gmünd angeht, so wurde eine Untersuchung eingeleitet, um die Details näher zu beleuchten. Der gestrige Einsatz in der Mariahilferstraße war notwendig, da sich eine Frau von einem Mann bedroht gefühlt und um Hilfe gebeten hatte. Die PolizistInnen hättenn das einzige Richtige getan, nämlich die Verfolgung aufzunehmen und die Person festzunehmen. (Fortsetzung Nationalrat) sue