Parlamentskorrespondenz Nr. 279 vom 26.03.2015

Mehr Wettbewerb bei Rauchfangkehrern

Nationalrat beschließt Liberalisierungen in der Gewerbeordnung und EU-Anpassung des UWG

Wien (PK) – Liberalisierungsschritte und damit mehr Wettbewerb bringt eine Novelle der Gewerbeordnung, die heute vom Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und den NEOS beschlossen wurde. So sollen etwa bei Rauchfangkehrern das Erfordernis der Niederlassung in Österreich, die Bedarfsprüfung und die Beschränkung auf Kehrgebiete als Voraussetzung für die Ausübung des Gewerbes nur mehr für sicherheitsrelevante Tätigkeiten gelten. Andere Bestimmungen haben etwa Erleichterungen beim Handel mit kosmetischen Produkten oder die Gleichstellung von Schweizer Gewerbetreibenden mit EU-Bürgern bei der Ausübung eines Gewerbes in Österreich zum Inhalt. Weiters verabschiedete das Plenum eine formelle Anpassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, durch die nun die EU-Konformität sichergestellt wird. Für diese Novelle stimmten SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS.   

Österreichs Gewerbeordnung zwischen "Qualitätssicherung" und "Überregulierung"

Die Lockerungen bei den Bestimmungen betreffend die Rauchfangkehrer brachten eine grundsätzliche Debatte über die österreichische Gewerbeordnung ins Rollen. ÖVP-Abgeordnete Brigitte Jank verteidigte die vom Gesetz verlangten Voraussetzungen für die Ausübung eines Gewerbes und sah darin vor allem auch einen doppelten Schutz: Schutz für die Gewerbetreibenden, über die für die Erbringung der Leistung erforderliche Qualifikation zu verfügen, aber auch Schutz für die KonsumentInnen, die Leistung in der gewünschten Qualität zu erhalten. Angelika Winzig (V) erwartete sich von der Novelle nun mehr Wettbewerb bei gleichzeitiger Beibehaltung des hohen Sicherheitsniveaus, was auch Josef Lettenbichler (V) bestätigte, der seinerseits die Rolle der Rauchfangkehrer bei der Abwehr für Gefahren für die Bevölkerung hervorhob. Andreas Hanger (V) schließlich erinnerte an seine Erfahrungen im Zusammenhang mit der Konzessionserteilung für ein Café und kam zu dem Schluss, sowohl Gewerbebehörden als auch die Wirtschaftskammer arbeiteten bestens.

Auch für Christoph Matznetter von den Sozialdemokraten präsentierte sich die Regelung des Rauchfangkehrergewerbes als vernünftige Bilanz zwischen Sicherheit und Wettbewerb. 3,7 Mio. Haushalte und rund 500 Unternehmen seien von diesem Schritt in die richtige Richtung direkt betroffen, rechnete seine Fraktionskollegin Cornelia Ecker vor, die als KMU-Sprecherin der SPÖ für eine stufenweise Entrümpelung der Gewerbeordnung eintrat und vor allem den Abbau überbordender bürokratischer Hürden forderte. Wolfgang Knes (S) erklärte zudem, dass Österreich ohne diese Novelle ein Vertragsverletzungsverfahren in Brüssel riskiert hätte.

NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn unterstützte zwar namens seiner Fraktion die Novelle, wandte jedoch ein, Österreichs Gewerbe seien nach wie vor überreguliert. Die zahlreichen Bestimmungen in der Gewerbeordnung dienen ausschließlich dem Schutz der Wirtschaftskammer und ihrer Funktionäre, lassen aber keinen freien Wettbewerb zu, befand er. Kritisch sprach Schellhorn überdies von demokratischen Defiziten bei der Wirtschaftskammerwahl. In einem Entschließungsantrag, der bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit blieb, forderte er eine Direktwahl der Wirtschaftsparlamente durch alle Wahlberechtigten und die Zuteilung der Mandate nach dem Verhältnis der auf die jeweiligen Wählergruppen abgegebenen Stimmen.

Die Änderungen gehen nicht weit genug, urteilte Matthias Köchl von den Grünen. Es frage sich, ob etwa die Erzeugung von Kunstwimpern oder Lampenschirmen durch das Gesetz eigens geregelt werden müsse, bemerkte er und forderte eine drastische Entrümpelung und Deregulierung der Gewerbeordnung.

Kritik kam auch von den Freiheitlichen. Christian Höbart bekannte sich ausdrücklich zu den heimischen Qualitätskehrern und äußerte die Befürchtung, die schwammige Abgrenzung zwischen sicherheitsrelevanten und "sonstigen Tätigkeiten" könnte zu Verwirrung bei den Verbrauchern führen. Auch rechnete er mit zusätzlicher Konkurrenz durch Billig-Rauchfangkehrer aus Osteuropa. Kritisch sah er überdies die Gleichstellung von Schweizer Gewerbetreibenden mit Gewerbetreibenden aus der EU, wobei er hier die Gegenseitigkeit vermisste. Überhaupt sollte seiner Meinung nach die Gewerbeordnung nicht immer "zitzerlweise", sondern vielmehr im Sinne eines großen Wurfs gänzlich reformiert werden.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner wies den Vorwurf der Überregulierung zurück und betonte, 65 % aller Gewerbe seien heute freie Gewerbe. Was die Rauchfangkehrer betrifft, hob der Ressortchef den Sicherheitsaspekt der Novelle hervor und stellte überdies klar, dass unter den Begriff der "sonstigen Tätigkeiten" Reinigung, wartungsbedingtes Kehren, Abgasmessungen, Ausschleifen und Dichten, die Montage von Brennern oder etwa Überprüfungen im Auftrag des Kunden fallen.

Klarstellung im UWG soll EU-Vertragsverletzungsverfahren abwenden

Während SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS die Klarstellungen im UWG gemäß Kommissionsvorgaben als grundsätzlich vertretbar und zweckmäßig erachteten, lehnten FPÖ und Team Stronach eine Angleichung des Gesetzestextes an die EU-Formulierungen in der vorgeschlagenen Weise ab.

Inhaltlich sei das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) seit 2007 entgegen des dringenden Bedarfs einer Reform nicht geändert worden, monierte Peter Wurm (F), nun dürfen man nicht widerspruchslos den Wünschen der Europäischen Union entsprechen, ihren Richtlinienwortlaut unverändert in österreichisches Recht zu übernehmen. Der Gesetzestext werde durch die Abänderungen länger und weniger verständlich, das hätten auch Rechtsanwaltskammer und Arbeiterkammer beanstandet, so der Freiheitliche, der sich darin einer Meinung mit Georg Vetter (T) fand. "Gesetze sollten gut und lesbar sein, um von der Bevölkerung akzeptiert zu werden", brach der Team Stronach-Mandatar eine Lanze für bessere Gesetzgebung und folglich mehr Rechtssicherheit. Im UWG-Novellenvorschlag würden die Bestimmungen dagegen verkompliziert.

Asdin El Habbassi (V) verwies demgegenüber auf das 2013 von der Europäischen Kommission an Österreich geschickte Mahnschreiben, in dem auf Klarstellungen im Gesetzestext gedrängt wird, und das die Republik dem unnötigen Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof ausgesetzt habe. Die formellen Anpassungen im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb seien daher sinnvoll, zumal sich an den bestehenden Regelungen für faires Wirtschaften dadurch nichts ändere. Ebenso widersprach Hermann Schultes (V) den Vorrednern von FPÖ und Team Stronach, denn der Gesetzestext gewinne mit den Neuformulierungen an Verständlichkeit. Die gut lesbaren Bestimmungen seien aber auch richtig zu nützen, mahnte der ÖVP-Abgeordnete mehr Unterstützung für rechtmäßig produzierte Waren ein. Österreichische ProduzentInnen dürften nicht aufgrund der im internationalen Vergleich strengeren heimischen Vorgaben zur Lebensmittelproduktion beim freien Wettbewerb ins Hintertreffen geraten.

Fairer Wettbewerb beruhe auf dem Bestbieterprinzip, diesem Appell von Schultes schlossen sich Petra Bayr (S) und Ruperta Lichtenecker (G) an, wobei die Mandatarinnen vor allem die Beachtung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen einforderten. "Mehr als unfair ist es, wenn billige Waren auf Kosten von Menschenleben produziert werden", gab Bayer zu bedenken und sie erinnerte, die Vereinten Nationen hätten Österreich bereits dazu aufgerufen, in rechtlicher Hinsicht vehementer gegen Kinderarbeit oder sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse vorzugehen. "Respekt vor der Arbeit" ist auch für Lichtenecker ein entscheidendes Element im fairen Wettbewerb, besonders vor dem Hintergrund der Globalisierung, wie sie ausführte. Sie hinterfragte in diesem Zusammenhang unterstützende Haltungen zum Freihandelsabkommen TTIP mit den USA, da dieses ihrer Meinung nach zu vermehrtem Preisdumping, besonders in Ländern des Südens führen könne. (Fortsetzung Nationalrat) hof/rei


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