Parlamentskorrespondenz Nr. 358 vom 15.04.2015

Demokratie-Enquete: Medienöffentlichkeit und direkte Demokratie

Filzmaier: Stärkere mediale Inszenierung vor direktdemokratischen Entscheidungen möglich

Wien (PK) – Einen eher ernüchternden Befund über die Tauglichkeit der sogenannten vierten Gewalt in Österreich zur direkten Demokratie legte Politikwissenschaftler Peter Filzmaier bei der heutigen Enquete-Kommission zur Demokratie-Reform ab. Studien würden belegen, dass klassische Massenmedien in Österreich in ihrer Berichterstattung weniger auf Sachlichkeit als auf Inszenierung setzen. Inhalte bleiben demnach vor allem in der Wahlkampfzeit oft aus. Eine Tendenz, die sich auch vor direktdemokratischen Entscheidungen abzeichnen könnte, so die These des Politikwissenschaftlers. Ein Sachdiskurs über direktdemokratische Prozesse in den Medien könnte laut Filzmaier etwa durch die Verknüpfung der Presseförderung mit einer Verpflichtung zu Mindeststandards in der Berichterstattung über Initiativen erreicht werden.

Die Einflussnahme über Förderungen, geht es um sachliche und ausgewogene Berichterstattung bei direktdemokratischen Prozessen, wertete auch Medienrechtsexperte Hans-Peter Lehofer als "stärksten Hebel". Lehofer wandte sich aber gegen weitere regulierende Eingriffe von Seiten des Staates auf die mediale Berichterstattung bei einem allfälligen Ausbau direkter Demokratie, vielmehr müsse dieser die Medienvielfalt in Österreich forcieren. Das stärkste Potential für Bürgerbeteiligung in den Medien sah der externe Lehrbeauftragte der Universität Wien Helge Fahrnberger im Internet. Durch digitale Partizipationsmöglichkeiten und einem niederschwelligen Zugang zu Information könnte die Politik so wieder zu einer "res publica" werden, so sein Urteil.

"Medien berichten über Inhalte, das stimmt so nicht", lautet der verbalisierte Datenbefund von Politikwissenschaftler Filzmaier anhand von Untersuchungen zur politischen Berichterstattung von klassischen Massenmedien. Studien würden belegen, dass die Mehrheit der Berichterstattung, sei es in sogenannten Boulevard- oder in Qualitätsmedien, auf den politischen Prozess, auf den politischen Wettbewerb, nicht aber auf sachliche Inhalte abzielt. Eine Tendenz, die sich vor allem in Wahlkampfzeiten verschärfe, deswegen sei die These plausibel, dass sich mediale Inszenierungen auch vermehrt vor direktdemokratischen Entscheidungen abzeichnen könnten. Zudem sei die Interaktivität in den meisten klassischen Medien beschränkt, Sendungen wie das Bürgerforum würden nur eine reduzierte Interaktivität bieten. Social Media leiste zwar das größte Potential der Bürgerbeteiligung, in der Realität seien hier aber womöglich auch nur Informationseliten am Werk. Was laut Filzmaier demnach zu tun ist, ist die Presseförderung an eine mögliche Verpflichtung zu Inhalts- und Beteiligungsformaten zu knüpfen, eine langfristige Lösung sah er darin, die Medienbildung nicht nur im schulischen Bereich, sondern auch in der Jugendarbeit und in der Erwachsenenbildung zu erhöhen. Voraussetzung sei aber, dass Medien und Politik das auch wirklich wollen, so Filzmaier.

Fahrnberger: Internet kann Politik wieder zur "res publica" machen

Auf neue und überregionale Möglichkeiten von Bürgerbeteiligung durch die digitale Revolution machte der Gründer des Medienwatchblogs kobuk.at Helge Fahrnberger aufmerksam. "Das Internet bietet eine gute Möglichkeit, um die Politik wieder zu einer res publica zu machen", so seine Einschätzung, erstmals könnten sich breite Bevölkerungskreise überregional und national direkt an der Demokratie beteiligen. Digitale Partizipation brauche dabei eine stabile Partizipationsarchitektur, Positivbeispiele gebe es international etwa in Island, wo die Staatsverfassung kollaborativ und online erarbeitet sowie abgestimmt wurde. In Österreich hingegeben hätten digitale Partizipationsmöglichkeiten, etwa auf der Homepage des Parlaments, eher eine Feigenblattfunktion. Tatsächliche Partizipationsmöglichkeit ist das keine, geht es nach Fahrnberger. Eine konkrete Option, das Parlament mithilfe digitaler Medien demokratischer zu gestalten ist aus seiner Sicht, den Begutachtungsprozess von Gesetzen für BürgerInnen online zu öffnen, legistische Formulierungen nachvollziehbar zu erklären und den Gesetzwerdungsprozess zu dokumentieren. "Transparenz und niederschwelliger Zugang zur Information ist das Fundament einer funktionierenden Partizipationsarchitektur", machte Fahrnberger klar.

Lehofer: Staat soll nicht stärker regulieren, sondern zur Medienvielfalt beitragen

Medienrechtsexperte Hans-Peter Lehofer warnte in seiner Expertise über die Frage "Welches Medienrecht braucht Österreich bei einer allfälligen Stärkung der Demokratie?" davor, gesetzlich stärker in die Berichterstattung von Medien einzugreifen. Wohl aber spielte Lehofer mit dem Gedanken, Einfluss über Presseförderungen zu nehmen. Diese könnten an bestimmte Mindestanforderungen in der Berichterstattung geknüpft werden. Die Möglichkeiten, begleitend zum Demokratiepaket an medienrechtlichen Rahmenbedingungen zu schrauben, haltet der Medienrechtsexperte sonst eher für überschaubar. Er selbst glaubt nicht, dass im Medienrecht ein Schlüssel zur Attraktivierung für die direkte Demokratie liegt. Realistisch gesehen könne niemand JournalistInnen mit den Mitteln des Medienrechts dazu bringen, über politische Prozesse zu berichten oder eben nicht. Zur Sicherung der Funktion des Mediensystems, "der zentralen Infrastruktur der Demokratie", so Lehofer, bedürfe es aus seiner Sicht weniger neuer, weiterer Detailregeln, als einer Sicherung der Grundlagen. Der Staat müsse nicht nur von regulierenden Eingriffen absehen, sondern vielmehr intensiver zur Medienvielfalt beitragen. Zudem brauche es einen einfachen und offenen Zugang zu neutral bereitgestellten Informationen, etwa durch die Sicherung der Infrastruktur mit Hilfe eines flächendeckenden Breitbandausbaus und einer Gewährleistung der Netzneutralität im Internet

In der heutigen Enquete-Kommission durchleuchteten neben den Politik- und Medienexperten, den acht beigezogenen BürgerInnen sowie den politischen VertreterInnen auch JournalistInnen und MedienvertreterInnen das Verhältnis zwischen Politik-Medien-Bürgerinnen und Bürger. Geleitet wurde die Sitzung vom Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf. (Fortsetzung Demokratie-Enquete) keg

HINWEIS: Die Anhörungen der Enquete-Kommission sind öffentlich und werden via Live-Stream auf www.parlament.gv.at übertragen. Über den Twitter-Hashtag #EKDemokratie können BürgerInnen ihre Ideen direkt in die Diskussion einbringen. Auch Stellungnahmen per E-Mail zu den einzelnen Diskussionsblöcken sind möglich, senden Sie diese bitte mit dem jeweiligen Betreff an: demokratie@parlament.gv.at. Mehr Informationen finden Sie auf www.parlament.gv.at .

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