Parlamentskorrespondenz Nr. 385 vom 22.04.2015

Kontroverse Debatte zur geplanten Ausweitung des Rauchverbots

Aktuelle Stunde: Nichtraucherschutz versus Wahlfreiheit

Wien (PK) – Das geplante völlige Rauchverbot im öffentlichen Raum führte heute am Beginn der Nationalratssitzung zu einer heftigen kontroversen Debatte. Die FPÖ hatte im Rahmen einer Aktuellen Stunde unter dem Titel "Die negativen Auswirkungen des totalen Rauchverbots in der Gastronomie auf die österreichische Wirtschaft" das Thema aufgeworfen.

FPÖ wendet sich gegen Pläne zum Rauchverbot und gegen "Bevormundungsstaat"

Ein klares "Nein zum totalen Rauchverbot" formulierte FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache. Die Pläne der Regierung zu diesem Thema seien für die Gastronomie katastrophal, befand Strache. Die Gastronomie habe bereits mehr als 100 Mio. € in den Nichtraucherschutz investiert und stehe nun vor der Situation, weiterhin keine Rechtssicherheit zu haben, sagte er. Ihre Empörung sei daher verständlich, weshalb die FPÖ auch die angekündigte Demonstration der WirtInnen am 28. April unterstütze.

Seine Partei wolle klar "Stopp sagen", da sie immer neue Verbote auf die ÖsterreicherInnen zukommen sehe. Argumentiere man mit Prävention, so müsste man auch Verbote von kalorienhaltigem Essen oder Schokolade überlegen. Die FPÖ stehe für die Wahlfreiheit der KonsumentInnen und GastronomInnen beim Nichtraucherschutz. Die derzeitige Regelung, die es freistelle, ob man ein Nichtraucherlokal, ein Raucherlokal oder ein Lokal mit Nichtraucher- und Raucherbereich wolle, sei ausreichend. Für Beschäftigte in der Gastronomie könnte man eine Rauchzulage schaffen, so wie es Erschwerniszulagen auch in anderen Berufen gebe.

Anstatt Wahlfreiheit zu geben, versuche man wieder einmal im Stil eines "Bevormundungsstaates" von oben herab zu bestimmen, was das Beste für die BürgerInnen sei, so die weiter Kritik Straches. Die geplante Regelung sei völlig überschießend, sie würde bedeuten, dass die Gewerbe-, Vereins- und Versammlungsfreiheit beschnitten werden, empörte sich Strache. Seine Partei werde daher alles tun, um die Pläne der Regierung zu verhindern, und nötigenfalls auch zu verfassungsrechtlichen Mitteln greifen, kündigte der FPÖ-Klubobmann an.

Die FPÖ-Abgeordneten Roman Haider und Peter Wurm nahmen die Argumentationslinie Straches auf und spitzten sie teilweise zu. Haider sah eine weitere Attacke auf die Gastronomie- und Tourismusbetriebe, die bereits mit vielen Belastungen zu kämpfen hätten. Bereits nach 2008 hätten viele Betriebe Umsatzrückgänge verzeichnen müssen. Auch ausländische Erfahrungen zeigten, dass strenge Nichtraucherbestimmungen zur Schließung von Gastronomiebetrieben führen.

Peter Wurm sprach von "Gesinnungsterror der Moralisten" in der Frage des Rauchens und sah Österreichs Gast- und Kaffeehaustradition in Gefahr. Die Pläne der Bundesregierung würden viele Arbeitsplätze in diesem Bereich vernichten, meinte er.

Mitterlehner: Derzeitige Regelung hat sich nicht bewährt

In seiner Antwort auf die FPÖ stellte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner fest, dass die Erfahrungen mit der bestehenden Regelung zum Rauchen in der Gastronomie einige Schwachstellen aufgewiesen hätten. Sie stelle einen halbherzigen Kompromiss dar. Aus mehreren Gründen müsse man nun weitere Schritte setzen. Erstens gebe es pro Jahr 15.000 Anzeigen wegen Verstößen gegen das bestehende Gesetz, informierte der Wirtschaftsminister. Weiters würden sich zunehmend ausländische TouristInnen beschweren, dass Österreich "der Aschenbecher Europas" geworden sei.

Der dritte wichtige Grund für die neue Regelung ist laut Mitterlehner die Notwendigkeit, gesundheitspolitische Maßnahmen zu setzen. Der bisherige Zugang werde umgekehrt und betreibe statt Raucherschutz nun Nichtraucherschutz. Es gehe hier um eine Maßnahme zum Schutz anderer, stellte der Minister fest. Diesen Punkt übersehe die Argumentation der FPÖ, wenn sie an die Wahlfreiheit appelliere, denn hier gehe es nicht nur um eine Entscheidung über die eigene Gesundheit, sondern um die Beeinträchtigung anderer. Es sei durch Studien hinlänglich bekannt, dass das Rauchen hohe Folgekosten verursacht, hielt er mit Nachdruck fest. Eine "Raucherzulage" für die Beschäftigten in der Gastronomie wäre jedenfalls eine untaugliche Maßnahme, da aus seiner Sicht keine Entsprechung zu Belastungen in anderen Berufen bestehe.

Über die Frage der Belastung der Gastronomie durch eine konsequente Nichtraucherregelung habe man viele Gespräche geführt und im geplanten Gesetz mehrere Maßnahmen vorgesehen, um sie in Grenzen zu halten, stellte Mitterlehner fest. Er rufe deshalb zu einer sachlichen Debatte auf.

SPÖ: Gesundheitsministerin setzt wichtigen Schritt im Nichtraucherschutz

Erwin Spindelberger (S) unterstrich, die bisherige gesetzliche Regelung zum Nichtraucherschutz habe sich nicht bewährt. Es gelte, gefährdete Gruppen, wie Kinder und chronisch Kranke, vor Beeinträchtigung durch Tabakrauch zu schützen. Durch Passivrauchen besonders gefährdet seien auch die Beschäftigten in der Gastronomie. Viele Lokale seien de facto nicht gesetzeskonform ausgestattet. Auch von Seiten der Gastronomie bestehe deshalb der Wunsch nach einer eindeutigen Regelung, um Wettbewerbsverzerrungen, die durch das Unterlaufen von Gesetzen entstehen, zu verhindern.

Christoph Matznetter (S) stellte fest, dass die Haltungen zum Rauchverbot quer durch die Parteien gehen. Einerseits müsse ein konsequenter Nichtraucherschutz betrieben werden, in diesem Punkt habe die Gesundheitsministerin große Fortschritte erzielt. Für die Wirtschaft gebe es aber noch einige Punkte, die zu lösen seien. Eine gesetzliche Anpassung vorzunehmen sei aber keine "Rechtsunsicherheit", wie die FPÖ es darstelle, sondern ein normaler demokratischer Vorgang, mit dem man auf geänderte Bedingungen reagiere. Für Populismus sei hier kein Platz, sagte Matznetter in Richtung FPÖ.

ÖVP: Österreich muss sich an internationale Standards anpassen

Seiner Erfahrung nach stellt ein Rauchverbot für Tourismusbetriebe kein Problem dar, hielt Gabriel Obernosterer (V) fest. Schwieriger sei die Umsetzung für kleine Gaststätten, räumte er ein, aus diesem Grund seien auch die Meinungen zu den gesetzlichen Regelungen geteilt. Der Gesetzgeber dürfe aber nicht ignorieren, dass das Gesundheitsbewusstsein der Menschen in den letzten Jahren gestiegen ist und dass Österreich sich an internationale Standards, was das Rauchen betrifft, anpassen müsse. Alle anderen EU-Staaten hätten weit strengere Regelungen als die, welche von der Bundesregierung geplant seien.

Aus der Sicht eines Arztes trat Erwin Rasinger (V) für die strengere Handhabung von Rauchverboten ein. Jedes Jahr würden 40.000 Krebsfälle in Österreich registriert, von denen 13.000 klar auf das Rauchen zurückführbar seien. 2008 habe man erste Schritte gesetzt, denen nun weitere folgen müssten. Rasinger forderte insbesondere mehr Präventionsmaßnahmen, damit Jugendliche gar nicht erst zu rauchen beginnen. Erfahrungsgemäß sei es für RaucherInnen sehr schwierig, wieder mit dem Nikotinkonsum aufzuhören.

Grüne fordern mehr Prävention und Aufklärung zu Gefahren des Rauchens bei Kindern und Jugendlichen

Für die verstärkte Aufklärung über die Gefahren des Rauchens sprachen sich auch die Abgeordneten der Grünen aus. Eva Glawischnig-Piesczek (G) hielt fest, dass das Rauchverbot zweifellos eine Herausforderung für die Gastronomie darstelle. Hätte man von Anfang an alle Lokale rauchfrei gemacht, hätte man sich viele Probleme erspart, die man jetzt sehe. Die Klubobfrau der Grünen forderte, so wie ihre Kollegin Eva Mückstein (G), konsequente Maßnahmen, um vor allem das Problem des Rauchens von Jugendlichen anzugehen. Das Einstiegsalter für Zigarettenkonsum liege bei 11 Jahren, sagte Mückstein, und mit 16 seien viele Jugendliche bereits Raucher. Österreich steuere hier auf eine gesundheitspolitische Katastrophe zu, warnte sie. Die Tabaksteuer müsste herangezogen werden, um Präventionsarbeit vor allem für Kinder und Jugendliche zu finanzieren, forderten die Sprecherinnen der Grünen einhellig.

Team Stronach wendet sich gegen "Verbotskultur"

Das Team Stronach rücke die Eigenverantwortung in den Vordergrund, sagte Waltraud Dietrich (T). Das bedeute, dass der Staat nicht alles über Verbote regeln müsse. Die Pläne zum Nichtraucherschutz seien Ausdruck einer "Verbotskultur", die Probleme nicht aus der Welt schaffe, sondern nur verlagere, meinte sie. Das Problem des Rauchens müsse man, so wie andere Gesundheitsfragen, durch Prävention in den Griff bekommen.

Dieser Argumentation schloss sich Rouven Ertlschweiger (T) an, der auch die Gefahr einer "scheinheiligen Debatte" sah. Die bestehende Regelung sei ausreichend, alles weitere sei "Bevormundungspolitik".

NEOS: Verständnis für Nichtraucherschutz, aber auch für Gastronomie

Die NEOS-Fraktion unterstützt den Nichtraucherschutz, sieht aber rechtliche Probleme in der geplanten Regelung. Verständnis für die Anliegen der FPÖ, was die Gastronomie betrifft, ließ Josef Schellhorn (N) erkennen. Die Regierung wolle zu stark in die Entscheidungsfreiheit von UnternehmerInnen eingreifen, welche Art von Lokal sie betreiben können, meinte er. Bereits in der bisherigen Regelung fehle es dazu an Rechtssicherheit. Die Pläne der Bundesregierung würden vor allem neue Probleme für Klein- und Mittelbetriebe im Tourismus und in der Gastwirtschaft erzeugen, befürchtete er.

Gerald Loacker (N) hob hingegen den Aspekt des Angestelltenschutzes der 150.000 Beschäftigten in der Gastronomie hervor. Hier müsse man ansetzen, um ein praktikables Gesetz zu schaffen. Die geplante Umsetzung des Nichtraucherschutzes greife im Bestreben, Umgehungskonstruktionen zu verhindern, zu legistisch untauglichen Mitteln, meinte er. Die geplanten Regelungen würden weit in die Privatsphäre der BürgerInnen und ins Vereinsrecht eingreifen. (Fortsetzung Nationalrat) sox