Parlamentskorrespondenz Nr. 387 vom 22.04.2015

Nationalrat fordert Freiheit für Raif Badawi und Waleed Abulkhair

König Abdullah-Dialogzentrum bleibt weiterhin umstritten

Wien (PK) – Die Abgeordneten aller Fraktionen erklärten sich heute im Nationalrat einmal mehr solidarisch mit Raif Badawi und forderten in einer einstimmig angenommenen Entschließung die sofortige Freilassung und Amnestierung des saudischen Bloggers sowie dessen Anwalts Waleed Abulkhair. Im Zentrum der Kritik stand bei der Debatte die Menschenrechtssituation in Saudi Arabien, wobei vor allem auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit des König Abdullah-Dialogzentrums in Wien laut wurden. Während Freiheitliche und Grüne die sofortige Schließung des Zentrums verlangten, wollen die Regierungsparteien die Brücken für einen Dialog mit Saudi Arabien nicht abbrechen.

Weiteres Thema des außenpolitischen Blocks der Sitzung war die Westsahara. Hier herrschte Konsens über die Notwendigkeit einer Ausweitung des Mandats der UN-Mission MINURSO, um den Vereinten Nationen auch die Möglichkeit zu geben, die Menschenrechtslage zu überprüfen. Eine gemeinsame Initiative von SPÖ, ÖVP und Grünen zielt schließlich darauf ab, der Regierung entsprechenden parlamentarischen Rückenwind bei der Ausarbeitung einer nationalen entwicklungspolitischen Gesamtstrategie zu verleihen.

Solidarität mit Raif Badawi und Waleed Abulkhair

Den Anstoß für die Entschließung gaben die Grünen mit einer Initiative, in der Tanja Windbüchler-Souschill den Blick auf einen bisher wenig beachteten Aspekt des Falls Raif Badawi lenkt. Nachdem der saudische Blogger wegen "Beleidigung des Islam" zu 1 000 Stockhieben verurteilt wurde, verhängte das Gericht nun gegen seinen Verteidiger Waleed Abulkhair eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Die Menschenrechtssprecherin der Grünen sah darin ein Alarmsignal und warnte, dieses Urteil werde eine gezielt abschreckende Wirkung für all jene haben, die sich in Saudi Arabien für Menschenrechte einsetzen. Solange das Wiener Dialogzentrum vom saudischen Regime finanziert wird, habe es keinen Sinn und sollte sofort geschlossen werden, meinte Windbüchler-Souschill überdies.

Die Prügelstrafe mit Stockhieben sei eine Todesstrafe auf Raten, gab SPÖ-Mandatarin Christine Muttonen zu bedenken. Der Protest Österreichs könne nicht als Einmischung qualifiziert werden, zumal Saudi Arabien ja Vertragsstaat des UN-Übereinkommens gegen Folter und unmenschliche Bestrafung ist. Nun gelte es, den politischen und diplomatischen Druck aufrecht zu halten, "denn nur dadurch ist Raif Badawi noch am Leben", mahnte die Außenpolitische Sprecherin der SPÖ. Ihr Fraktionskollege Josef Cap plädierte für offene Worte über die Menschenrechtslage im Dialogzentrum und stellte klar, wenn diese Einrichtung einen Sinn haben soll, dann müsse sie vor allem auch ein Ort der kritischen Reflexion mit den Zuständen in Saudi Arabien sein.

Bei den Menschenrechten dürfe es keinen Kompromiss geben, bekräftigte auch ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, der sich aber für die Fortsetzung des Dialogs aussprach. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben und müssen all jene in Saudi Arabien stärken, die für Menschenrechte eintreten, stand für ihn fest.

Namens der FPÖ will Johannes Hübner hingegen das Dialogzentrum schließen und die Zusammenarbeit mit Saudi Arabien beenden. Der Außenpolitische Sprecher der Freiheitlichen qualifizierte die Verurteilung eines Verteidigers als unerhört und erinnerte, zuletzt sei dies in Europa mit dem Anwalt Ludwigs XVI. geschehen.

UNO braucht Mandat zur Überprüfung der Menschenrechtslage in der Westsahara

Dass die Vereinten Nationen im Rahmen der MINURSO-Mission in der Westsahara auch die Möglichkeit haben müssen, die Menschenrechtssituation zu überprüfen, stand für alle Fraktionen außer Streit. Ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien mit der Forderung nach einer entsprechenden Ausweitung des UN-Mandats fand einhellige Zustimmung, wobei SPÖ-Abgeordnete Christine Muttonen von der dringenden Notwendigkeit sprach, einen Beitrag zu Lösung dieses seit langem schwelenden und vielfach vergessenen Konflikts zu leisten. Mit einem Menschenrechtsmandat könnte die UN-Friedensmission jedenfalls helfend eingreifen, zeigte sie sich zuversichtlich. Ähnlich sah dies auch Johannes Rauch von der Volkspartei, für den die heutige Entschließung einmal mehr das Engagement Österreichs für Menschenrechte und Minderheitenschutz belegt.

Ein Beitrag zur Friedenspolitik sei die UN-Mission in der Westsahara, bekräftigte Tanja Windbüchler-Souschill (G), während Jessi Lintl als Außenpolitische Sprecherin des
Team Stronach eine Menschenrechtsobservation durch die UNO auch als Instrument verstand, allfällige radikal–islamistische Aktivitäten zu überwachen.

"Nichts einzuwenden" gegen den Antrag hatte auch FPÖ-Mandatar Johannes Hübner. Der Konflikt sei angesichts eines Waffenstillstands seit zwei Jahrzehnten praktisch gelöst, merkte er jedoch kritisch an und bezeichnete MINURSO als eine der unnötigsten UN-Missionen. Mit scharfen Worten wies SPÖ-Abgeordneter Hannes Weninger diese Sichtweise zurück und warf Hübner vor, die Lage in der Westsahara zu verkennen und menschliches Leid zu relativieren.

Nationalrat drängt auf nationale entwicklungspolitische Gesamtstrategie

Das Parlament macht nun Druck in Sachen Entwicklungspolitik. Eine von SPÖ, ÖVP und Grünen eingebrachte Drei-Parteien-Initiative, die mehrheitlich gegen die Stimmen der FPÖ angenommen wurde, mahnt eine nationale entwicklungspolitische Gesamtstrategie ein, die sich vor allem auch an den bei der am 28. Mai 2014 im Parlament abgehaltenen Expertentagung zum Thema "Globale Partnerschaft für Entwicklung" beigesteuerten Impulsen und Empfehlungen orientieren soll.

SPÖ-Entwicklungssprecherin Petra Bayr forderte wie ÖVP–Abgeordneter Franz-Josef Huainigg zusätzliche Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und appellierte in einem bei der Abstimmung mit Stimmenmehrheit angenommenen gemeinsamen Entschließungsantrag der Regierungsparteien an die Bundesregierung, eine Strategie für die Entwicklung und die gesetzliche Verankerung eines Stufenplans zur Erhöhung der EZA-Mittel bis zur Erreichung des internationalen 0,7%-Ziels vorzulegen. Huainigg sah zudem die öffentliche Hand aufgefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen und das Prinzip der Nachhaltigkeit und den Fair-Trade-Gedanken auch im Beschaffungswesen zu berücksichtigen.

Schöne Worte allein genügen nicht, es muss endlich zu einer Aufstockung der Mittel für die Entwicklungsfinanzierung kommen, mahnte Tanja Windbüchler-Souschill seitens der Grünen. Der Stufenplan für die Erhöhung der Dotierung sollte ihrer Meinung nach aber bereits noch vor der von 13. bis 16. Juli in Addis Abeba stattfindenden internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung präsentiert werden. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag der Grünen blieb bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit. (Fortsetzung Nationalrat) hof