Parlamentskorrespondenz Nr. 397 vom 23.04.2015

Nationalrat: Rentenzahlung für Contergan-Opfer einstimmig beschlossen

Sozial-Anträge der Opposition zu Mindestpension, Einstellungsbeihilfe, Arbeitnehmerschutz und Anti-Mobbing

Wien (PK) - Personen, denen kein Anspruch auf Leistungen nach dem deutschen Conterganstiftungsgesetz zusteht, werden ab Juli 2015 eine staatliche Rente erhalten. Das sieht ein neues Bundesgesetz vor, das heute vom Nationalrat einhellig gebilligt wurde. Demnach ist eine Zahlung von monatlich 425,8 € vorgesehen. Damit sollen Contergan-Opfer zusätzlich zur bereits erfolgten Einmalzahlung eine dauerhafte Unterstützung bekommen. Betroffen sind voraussichtlich nur wenige Personen, das Sozialministerium geht lediglich von rund 25 Anspruchsberechtigten aus; die Regierungsvorlage wurde einstimmig angenommen.

FPÖ und Grüne bedauerten, dass ältere Geburtenjahrgänge keine Chance auf eine Entschädigung bzw. Rente haben. Entsprechende Anträge der beiden Fraktionen (375/A(E) , 995/A(E) ), den Kreis der anerkannten Contergan-Geschädigten auf die Jahrgänge 1954 und 1955 auszudehnen, fanden keine Zustimmung. Weiters auf der Tagesordnung standen ein FPÖ-Antrag auf Einführung einer Mindestpension in der Höhe 1.200 € sowie Antrag der Grünen auf Verlängerung der Einstellungsbeihilfe für behinderte Menschen auf ein Jahr, die ebenfalls abgelehnt wurden.

Einfachere Administration von Kriegsopferrenten und Neuerungen im Bundesbehindertengesetz

Finanziert werden soll die Rentenleistung für Contergan-Opfer durch Einsparungen in der Verwaltung. So sieht das   Gesetzespaket vor, die Administration von Kriegsopferrenten grundlegend zu reformieren und erheblich zu vereinfachen. Demnach will man künftig von regelmäßigen Neubemessungen einkommensabhängiger Leistungen Abstand nehmen. Einkommensabhängige und einkommensunabhängige Rentenleistungen werden zu einem Betrag zusammengefasst und jedes Jahr im Ausmaß der Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes valorisiert. Daraus ergibt sich nach Einschätzung des Sozialministeriums in manchen Fällen ein etwas höheres Leistungsniveau bei gleichzeitig deutlich geringeren administrativen Kosten.

Ebenfalls Teil des Gesetzespakets sind adaptierte Verfahrensregeln für Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht, die die Frage der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz sowie die Ausstellung eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz betreffen. Die Frist für Beschwerdevorentscheidungen durch das Sozialministeriumservice wird von zwei Monaten auf 12 Wochen verlängert.

FPÖ und Grüne hätten sich noch breitere Lösung im Sinne der Thalidomid-Opfer gewünscht

Der Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) zufolge gebe es Hinweise, dass man den ursächlichen Wirkstoff Thalidomid bereits 1953 synthetisiert und danach als Ärztemuster in den Verkehr gebracht hat. Davon sei eine sehr kleine Gruppe von Personen betroffen; umso unverständlicher sei es, dass man diesen weiterhin ausklammere, meinte sie.

Die SPÖ-Mandatare Ulrike Königsberger-Ludwig und Dietmar Keck sprachen von einem großen sozialpolitischen Erfolg, da es nicht nur zu Verwaltungsvereinfachungen, sondern zu konkreten Verbesserungen für die Betroffenen kommen wird. Es sei sehr positiv, dass jene 25 Contergan-Opfer, die bereits eine Einmalzahlung erhalten haben, nun eine monatliche Rente erhalten, die zudem jährlich valorisiert wird.

Eine ähnliche Meinung vertrat die ÖVP-Mandatarin Gertrude Aubauer, die auf die wichtigsten Änderungen im Gesetzespaket hinwies. Ebenso wie ihr Fraktionskollege August Wöginger begrüßte sie die Verwaltungsvereinfachungen, die auf Empfehlungen des Rechnungshofs zurückgehen. Da schon seit längerer Zeit eine Lösung für die Contergan-Opfer gesucht werde, sei es sehr positiv, dass heute ein dementsprechendes Gesetz beschlossen wird, erklärten Angela Fichtinger und Franz-Joseph Huainigg (beide V). Schließlich wiederholte Huainigg seine Forderung nach Abschaffung der eugenischen Indikation, denn Tötung im Mutterleib sei eine klare Diskriminierung von Menschen.

Helene Jarmer von den Grünen erinnerte daran, dass ihre Fraktion seit sechs Jahren Anträge in Sachen Contergan einbringt. Erst nach einer so langen Zeit bekomme nun eine sehr kleine Personengruppe endlich das Recht, das ihr zustehe. Dies könne man wirklich nicht als großen Erfolg bezeichnen. Außerdem wurden die Thalidomid-Opfer, wie bereits erwähnt wurde, wieder nicht einbezogen, kritisierte sie. Jarmer ging sodann noch auf eine weitere Initiative der Grünen ein, die sich mit der hohen Arbeitslosenrate unter behinderten Menschen befasst. Um Unternehmen zu motivieren, mehr Personen mit Behinderung zu beschäftigen, plädierte sie dafür, die Förderungen für Unternehmen auszubauen und konkret etwa die Einstellungsbeihilfe für behinderte Menschen auf bis zu ein Jahr zu verlängern. Sie setzte sich zudem dafür ein, dass bei Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sehr wohl neue Beweismittel eingebracht werden dürfen.

Die Entschädigung der Contergan-Opfer liege dem Team Stronach schon sehr lange am Herzen, erklärte Christoph Hagen, die nun gefundene Regelung sei daher ausdrücklich zu begrüßen. Bedauerlich sei jedoch, dass die angesprochenen früheren Jahrgänge – insgesamt nur 5 Personen – davon noch nicht profitieren werden.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer führte ins Treffen, dass es sich die Republik in der Contergan-Causa nicht leicht gemacht habe und die Fakten sehr gründlich aufgearbeitet wurden. Nachdem 20 Personen von den 45 anerkannten heimischen Opfern aus Deutschland bereits eine Rente erhalten, wurde nun für die übrigen 25 eine Lösung gesucht, die heute beschlossen werden könne. Was die Kritik der Abgeordneten Jarmer betrifft, so stellte der Minister fest, dass der Gang zum Verwaltungsgerichtshof nicht versperrt sei. Sollte noch etwas hinzukommen, dann müsse ein neuerliches Verfahren begonnen werden.

Hundstorfer: FPÖ-Forderungen bezüglich Erhöhung der Mindestpension sind unfinanzierbar

FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer ging auf den Entschließungsantrag seiner Fraktion ein, der auf die Einführung einer Mindestpension von 1.200 €, die automatische jährliche Wertanpassung des Pflegegelds an die Inflation, eine jährliche Pensionserhöhung nach dem so genannten Pensionistenpreisindex und einen rückwirkenden Inflationsausgleich für die Jahre 2013 und 2014 abzielt. Kritik übte Neubauer daran, dass die Ärmsten der Armen von der Steuerreform wieder nicht profitieren werden, da sie keine Rückerstattung der Negativsteuer erhalten. Würde man die ganzen rot-schwarzen Pfründe, die es in dem Land gibt, endlich abschaffen, dann gebe es genug Geld für sozial gerechte Maßnahmen, wie etwa eine jährliche Wertanpassung beim Pflegegeld, schlug sein Fraktionskollege Rupert Doppler vor. Neubauer machte noch darauf aufmerksam, dass es bei der Nationalbank Generaldirektoren gibt, die im Jahr 545.000 € verdienen; dies sei durch nichts zu rechtfertigen.

Von einer unehrlichen Debatte sprach Herbert Kickl (F), der den Sozialminister aufforderte, den MindestpensionistInnen offen zu sagen, dass sie ihm die 1.200 € im Monat einfach nicht wert sind. Gleichzeitig erhielten aber all jene Zuwanderer, die in anderen EU-Ländern oft mit viel niedrigeren Beiträgen Anwartschaften erworben haben, in Österreich den Ausgleich auf die Mindestpension. Überdies sehe die Regierung offenbar auch kein Problem darin, subsidiär Schutzberechtigte, denen als Drogendealer in ihrer Heimat vielleicht eine etwas härtere Strafe droht, nicht abzuschieben und ihnen noch dazu die Mindestsicherung zu gewähren, zeigte Kickl empört auf.

Josef Muchitsch (S) erinnerte seinen Vorredner daran, dass es gerade in jenen Zeiten, wo die FPÖ an der Regierung beteiligt war, zu vielen Kürzungen im Sozialbereich gekommen ist. Alleine die Pensionsreform mit ihren höheren Abschlägen, längeren Durchrechnungszeiträumen und erschwerten Zugangskriterien habe Auswirkungen, die teilweise heute noch repariert werden müssen. Österreich könne stolz auf sein Pensions- und Pflegesystem sein, unterstrich Muchitsch, nun gehe es darum, deren langfristige Finanzierung abzusichern. Reden könnte man etwa darüber, ob es wirklich fair sei, dass Krankenversicherungsbeiträge, Rehab-Geld etc. aus dem Pensionstopf finanziert werden, obwohl sie direkt damit nichts zu haben; dann würde die Statistik gleich anders aussehen.

Was die Forderungen der Freiheitlichen betreffend Mindestpension betrifft, so seien diese an Populismus nicht zu übertreffen, urteilte Hundstorfer. Es glaube wohl niemand in Österreich, dass 7 Mrd. € an Mehrkosten nur durch eine Kürzung des Gehalts der Nationalbankdirektoren finanziert werden können. Außerdem wolle die FPÖ nicht zur Kenntnis nehmen, dass es bereits ein Sonderpensionsgesetz gibt, das eine Kürzung der Pensionen um 25 Prozent vorsieht. Im Fall der Bediensteten der Stadt Wien sollte man auch zur Kenntnis nehmen, dass nur mehr ein Viertel der Angestellten pragmatisiert sind. Dem Abgeordneten Kickl gegenüber merkte der Minister noch an, dass straffällige Asylanten nicht als subsidiär schutzberechtigt eingestuft werden. Sollte ein subsidiär Schutzberechtigter aber straffällig werden, "dann ab die Reise", merkte der Minister pointiert an.

Weitere Sozialthemen: ArbeitnehmerInnenschutz, Mutterschutz und Anti-Mobbing-Gesetz

Grünes Licht gab der Nationalrat heute auch für einen Gesetzesvorschlag der Regierung, der der Umsetzung von EU-Recht dient. Die chemikalienrechtlichen CLP-Verordnung und weitere EU-Vorgaben müssen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und im Mutterschutzgesetz berücksichtigt werden.

Abgeordnete Birgit Schatz (G) stand einigen Punkten der Novelle, in der es primär um die Kennzeichnung von gefährlichen Substanzen geht, skeptisch gegenüber. Nicht einzusehen sei etwa die Regelung, wonach jene Räume, in denen gefährliche Substanzen gelagert werden, nur dann gekennzeichnet werden müssen, wenn darin erhebliche Mengen gelagert werden. Kritik übte Schatz auch an der zu langen Übergangsfrist sowie an der Absenkung des Schutzniveaus für Frauen in Bezug auf die Belastung mit Blei.

Die Novelle beinhalte die Einrichtung eines neuen, europaweiten Systems zur Einstufung und Kennzeichnung von gewissen Schadstoffen und Chemikalien, erläuterte Erwin Spindelberger (S). Außerdem werde eine längst überfällige Ausnahmeregelung im Zusammenhang mit krebserregenden benzolhaltigen Arbeitsstoffen beseitigt. ÖVP-Mandatare Michael Hammer und Gabriel Obernosterer waren der Auffassung, dass mit dieser Novelle sowohl den Anforderungen des ArbeiternehmerInnenschutzes entsprochen wird, als auch praktikable und unbürokratische Regelungen für die Betriebe beschlossen werden.

NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker plädierte im Rahmen eines Entschließungsantrags für eine Verlängerung des Mutterschutzes um acht Wochen, wenn währenddessen ein Kindstod eintritt. Überdies machte er sich für bezahlte Dienstfreistellungen im Falle von Totgeburten bzw. Spätaborten stark. Derzeit erhielten Eltern bei solchen Schicksalsschlägen nur mit Krankenstand ausreichend Zeit zur emotionalen Verarbeitung des Verlusts, was unannehmbar sei.

Auch FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein war der Meinung, dass es für manche Extremfälle die Möglichkeit geben sollte, Anträge auf Verlängerung des Mutterschutzes zu stellen.

Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) gab gegenüber Loacker Vorredner zu bedenken, dass es bereits jetzt Regelungen gebe, die es ermöglichen, nach dem Ende der Schutzfrist aufgrund einer psychischen oder physischen Belastung eine weitere Freistellung zu beantragen.

Markus Franz (T) sah überhaupt den entsprechenden NEOS-Antrag als zu eng gefasst und plädierte für eine bessere arbeitsrechtliche Absicherung der Eltern beim Tod ihres Kindes unabhängig von dessen Alter. Derzeit werde in einem solchen Fall nur ein Tag frei gegeben, was völlig inadäquat sei.

Die Abgeordnete Martina Schenk (T) argumentierte, dass Österreich ebenso wie zahlreiche andere Länder ein einheitliches " Anti-Mobbing-Gesetz" benötige, um Mobbingopfern zielführend beizustehen und um missbräuchliche Vorwürfe hintanzuhalten. Sie bedauerte, dass diese Initiative auf so wenig Resonanz stößt, zumal es sehr viele Betroffene gibt und auch an den Schulen immer mehr zum Thema zunehme.

ÖVP-Mandatar Gabriel Obernosterer (V) war überzeugt davon, dass die bestehende Rechtslage zum Schutz vor Mobbing ausreichend sei; diese Auffassung vertrete auch das Justizministerium.

Während die Regierungsvorlage mehrheitlich angenommen wurde, fanden die beiden Anträge der Opposition keine Zustimmung; auch die im Laufe der Debatte eingebrachten Entschließungsanträge der NEOS betreffend verbesserte sozialrechtliche Absicherung im Fall einer Fehlgeburt, einer Totgeburt oder eines Kindstodes sowie des Team Stronach betreffend Gleichbehandlung aller Eltern bei der Dienstfreistellung im Fall des Tod ihres Kindes wurden abgelehnt. (Fortsetzung Nationalrat) sue