Parlamentskorrespondenz Nr. 541 vom 21.05.2015

Dienstrechtsnovelle soll Rechtssicherheit bringen

Harte Auseinandersetzung über öffentlichen Dienst im Nationalrat

Wien (PK) – Wenn auch eine "trockene Materie", sind Änderungen des Dienstrechts doch immer wieder Anlass für heftige Debatten, wie auch heute im Nationalrat. Das vorliegende Paket, das unter Berücksichtigung eines SPÖ-ÖVP-Abänderungsantrags das Plenum in Dritter Lesung mehrheitlich passierte, dient vorrangig dazu, jedwede Einkommenseinbußen für aktive BeamtInnen und Vertragsbedienstete zu vermeiden. Dies hätte sich aufgrund einer Neuregelung der Gehaltseinstufungen im Jänner dieses Jahres ergeben, welche ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) notwendig gemacht hatte (siehe Meldung der Parlamentskorrespondenz Nr. 38/2015). Nun wird eine neue, befristete, Wahrungszulage eingeführt, die den Bediensteten nach der nächsten Gehaltsvorrückung, also in der so genannten Überleitungsstufe, gewährt wird.

Mit den genannten Abänderungen wurden im Plenum noch Präzisierungen vorgenommen, um die Zielsetzung der Novelle, nämlich negativen Auswirkungen auf die Gehaltshöhe hintanzuhalten, abzusichern. In zweiter Lesung erfolgte eine getrennte Abstimmung über jene Teile der Novelle, die das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundesbezügegesetz und das Klubfinanzierungsgesetz betreffen - diese Passagen wurden einstimmig angenommen.

Peter Wittmann (S), Otto Pendl (S) und Wolfgang Gerstl (V) verteidigten gegenüber der Kritik die Novelle mit dem Hinweis, dass es gelungen sei, eine europarechtlich und verfassungskonforme Besoldungsreform auf die Beine zu stellen, die 400.000 MitarbeiterInnen des Öffentlichen Diensts Rechtssicherheit bringe. Man habe damit auch Schaden von der Republik abgewendet. Mit der Vorlage sei man dem Auftrag gerecht geworden, Einkommenseinbußen zu vermeiden, zugleich aber auch Mehrbelastungen für den Staat abzuwenden, bekräftigte auch Staatssekretärin Sonja Steßl. Gerstl sprach in diesem Zusammenhang von einem besonderen Beispiel guter Zusammenarbeit. Als positiv hob Gertrude Aubauer (V) die Tatsache hervor, dass Vorrückungen nicht mehr an ein bestimmtes Lebensalter gebunden sind, was sie als eine beachtenswerte Weichenstellung bezeichnete.

Dieser Einschätzung konnten sich die Redner von FPÖ, Team Stronach und NEOS nicht anschließen. Die Diskriminierung bei den Vorrückungsstichtagen ist nicht gänzlich aufgehoben, wandte etwa Gerald Loacker (N) ein und Christian Lausch (F) sprach allgemein von einer enttäuschenden Novelle und von einer "Husch-Pfusch-Aktion". "Wir gehen von einer Diskriminierung, die vom EuGH aufgehoben wurde, in eine andere Diskriminierung", urteilte Gerhard Deimek (F), und Christoph Hagen (T) versuchte diese Ansicht durch konkrete Beispiele, insbesondere im Zusammenhang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten in der Privatwirtschaft, zu untermauern.       

Babymonat auch für gleichgeschlechtliche Paare sowie für Adoptiveltern

Im Zuge der Novelle wird auch ein Rechtsanspruch auf ein "Babymonat" für gleichgeschlechtliche Paare sowie für Adoptiveltern und Pflegeeltern eingeführt, worüber sich Staatsekretärin Sonja Steßl besonders freute. Auch Daniela Musiol (G) hielt dies für einen wichtigen Gleichstellungsschritt, er gehe aber nicht weit genug und entspreche nicht der Realität der Familien, gab sie zu bedenken. Musiol brachte daher seitens der Grünen einen Abänderungsantrag zu diesem Thema ein, der jedoch keine ausreichende Unterstützung fand. Musiol spricht sich darin dafür aus, die Voraussetzung des gemeinsamen Wohnsitzes für die Inanspruchnahme dieses unbezahlten Karenzurlaubs von vier Wochen zu streichen. Sie hält es darüber hinaus für ungerechtfertigt, bei der Gewährung eines Babymonats zwischen Pflegeeltern mit bzw. ohne Adoptionsabsicht zu unterscheiden. Es könnten sich auch nicht alle leisten, vier Wochen auf ein Einkommen zu verzichten, schränkte sie ihr Lob für die vorliegende Gesetzesnovelle ein.

Verbesserungen für Zivildiener

Zivildiener können sich freuen: Der Zivildienst wird nun zur Gänze – und nicht, wie im Jänner beschlossen, lediglich in einem Ausmaß von bis zu sechs Monaten – als Vordienstzeit angerechnet. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass Grundwehrdiener, die sich zu einem freiwilligen verlängerten Ausbildungsdienst beim Heer verpflichten, keine Nachteile erleiden. Durch den "Vorbildungsausgleich" – ein weiterer Punkt der Novelle - soll eine nach Meinung der Regierung nicht gerechtfertigte Bevorzugung von Bediensteten vermieden werden, die erst während ihrer Tätigkeit beim Bund ein Studium abschließen und danach in eine höhere Verwendungsgruppe überstellt werden.

Überdies werden zahlreiche weitere Detailänderungen im Beamten-Dienstrechtsgesetz, im Gehaltsgesetz, im Vertragsbedienstetengesetz und 26 anderen Gesetzen vorgenommen.

Auf der Strecke blieb der in der Debatte eingebrachte Entschließungsantrag des Team Stronach, in dem Christoph Hagen und Martina Schenk darauf drängen, im Bereich der Personalplanung des Innenministeriums für jeweils zwei Personen, die sich in Teilkarenzierung befinden, eine zusätzliche Planstelle zu schaffen.

Bitte noch warten heißt es im Bundesdienst für Menschen ohne volle Handlungsfähigkeit

In einer namentlichen Abstimmung wurde die Forderung der Opposition mit 52 Ja- und 83 Nein-Stimmen bei 135 abgegebenen Stimmen abgelehnt, wonach auch Personen, bei denen die volle Handlungsfähigkeit nicht zur Gänze gegeben ist, in ein Dienstverhältnis zum Bund aufgenommen werden können. Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer (F), Daniela Musiol (G), Christoph Hagen (T), Gerald Loacker (N) und Christian Lausch (F) verweisen auf entsprechende Empfehlungen der Volksanwaltschaft. Dieser Forderung liegt auch ein konkreter Fall zugrunde, der zwei Jahre zurückliegt. Es könne nicht im Sinne der Betroffenen liegen, mit einem Sondervertrag eingestellt zu werden, da ein solcher weniger Sicherheit bringt, konstatierte Lausch. Er beklagte, dass der Verfassungsausschuss diese Initiative vertagt hat, obwohl genügend Zeit gewesen wäre, eine saubere Lösung vorzulegen.

Die vorliegende Novelle habe andere Zielsetzungen, entgegnete Peter Wittmann (S), das Anliegen sei aber gerechtfertigt und daher werde man weiterverhandeln, versprach er. Staatssekretärin Sonja Steßl zeigte ebenfalls viel Verständnis für das Anliegen. Sie habe auch bereits einen Vorschlag unterbreitet, wonach die Voraussetzungen auf die jeweilige dienstliche Verwendung abgestellt seien, informierte sie. Mit der Gewerkschaft sei darüber jedoch noch kein Konsens erzielt worden, sie werde das Thema aber weiter tatkräftig verfolgen. In der Zwischenzeit könne man mit Sonderverträgen arbeiten.

Initiativen der Opposition abgelehnt

Der von der FPÖ per Initiativantrag vorgelegte Alternativvorschlag zur Besoldungsreform fand ebenfalls keine ausreichende Unterstützung. Die Abgeordneten Christian Lausch und Mario Kunasek hatten angeregt, BeamtInnen und Vertragsbedienstete im Zuge ihrer Überleitung in das neue Gehaltsschema nicht in die, gemessen am aktuellen Gehalt, nächstniedrigere Gehaltsstufe, sondern in die nächsthöhere Gehaltsstufe einzureihen.

Erfolglos blieb die FPÖ auch mit ihrem Vorstoß, es BeamtInnen zu ermöglichen, zu Belehrungen und Ermahnungen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wenn diese dem Personalakt beigefügt werden, um etwaige drohende Nachteile bei Beförderungen zu verhindern. Lausch mutmaßte, dass die Koalition dieser Forderung deshalb nicht nachkommt, weil sie die öffentlich Bediensteten anderer Couleur disziplinieren wolle.

Ebenso wenig durchsetzen konnte sich Gerald Loacker seitens der NEOS mit der Initiative, die Kompetenz für Beamtenpensionen beim Sozialministerium zu bündeln. Derzeit hätten die Ministerien keinerlei Anreize, das faktische Pensionsantrittsalter ihrer Bediensteten zu erhöhen oder in ein altersgerechtes und gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld zu investieren, macht er darin mit Verweis auf Kritik vom Rechnungshof geltend. Das sei auch ein Grund, warum die Beamtenpensionen aus dem Ruder laufen, ergänzte er.

Lehrerdienstrecht wird weiter diskutiert

Abgelehnt wurde schließlich auch der Antrag der Grünen, der die Einführung eines Jahresarbeitszeitmodells für alle Lehrerinnen und Lehrer zum Inhalt hat. Es sei ein völlig falscher Ansatz, die Arbeitszeit von LehrerInnen nach Unterrichtsstunden zu berechnen, stellt darin Harald Walser fest und schlägt für alle PädagogInnen eine Jahresnorm von 1.776 Stunden vor, die sich ab dem 26. anrechenbaren Dienstjahr um 40 Stunden auf 1.736 Stunden reduziert. Den Vorteil dieser Regelung sieht Walser darin, dass LehrerInnen länger und flexibler am Schulstandort eingesetzt werden können und man dadurch auch auf schulspezifisch bedingte Belastungszeiten – etwa Prüfungszeiten - besser reagieren könne. 

Die NEOS unterstützen diese Forderungen, gehen aber in ihrem Antrag viel weiter, indem sie sich für die völlige Abschaffung des LehrerInnendienstrechts aussprechen, weil sie dieses für überholt erachten. An dessen Stelle soll ein Rahmenkollektivvertrag für angestellte MitarbeiterInnen an Schulen, inklusive LehrerInnen, treten, um eine aktive Personalentwicklung an Schulen zu ermöglichen, wie Strolz in seinem Antrag, den er in der Debatte einbrachte, erklärte. Auch er blieb damit in der Minderheit. Strolz unterstrich die Notwendigkeit, den Schulen pädagogische, finanzielle und personelle Autonomie zu geben. Die LehrerInnen brauchen seiner Meinung nach eine größere Flexibilität und eine Befreiung von Bürokratie und Parteibuchwirtschaft.

Die Forderungen der Grünen und der NEOS stießen trotz des negativen Abstimmungsergebnisses durchaus auf Sympathien der anderen. Den Freiheitlichen ist der NEOS-Vorstoß aber zu vage, wie Gerald Hauser (F) seitens seiner Fraktion feststellte. Er sprach sich aber dezidiert für Rahmenkollektivverträge aus. Auch ÖVP und SPÖ äußerten sich nicht ablehnend. Beatrix Karl (V) und Johann Singer (S) erinnerten aber daran, dass erst vor einigen Monaten ein neues Lehrerdienst- und Besoldungsrecht beschlossen worden sei. Dabei habe man sich in Entschließungsanträgen für eine qualitative Weiterentwicklung ausgesprochen, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsplatzsituation, auf die Entlastung von Verwaltungsaufgaben und die Forcierung neuer Unterrichtsmodelle. Das neue Dienstrecht soll auch einer Evaluierung unterzogen werden.  

Novelle zum Bundesbahngesetz passiert Nationalrat

Die mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit beschlossene Änderung des Bundesbahngesetzes hat ihre Wurzeln – wie die Dienstrechtsnovelle - in der Rechtsprechung des EuGH. Dieser hat sowohl die ursprüngliche Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr als auch die nachfolgende Gesetzesreparatur als altersdiskriminierend und damit als unionsrechtswidrig beurteilt. Die Gesetzesnovelle sieht nun vor, rückwirkend ausschließlich Dienstzeiten – inklusive Lehrzeit – bei den ÖBB bzw. bei anderen Bahnunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen als Vordienstzeiten anzuerkennen und damit bei der Gehaltseinstufung zu berücksichtigen. Das gilt für all jene ÖBB-Bediensteten, die vor Ende 2004 in das Unternehmen eingetreten sind, wobei durch Übergangsregelungen Gehaltseinbußen vermieden werden.

Das Gesetz sei in zu großer Eile eingebracht worden, begründete Daniela Musiol (G) die Ablehnung ihrer Fraktion und sah sich darin einer Meinung mit Gerhard Deimek (F) und Gerald Loacker (N). Man hätte sich mehr Zeit nehmen sollen, meinte Deimek und stellte in Zweifel, dass für die ÖBB-Bediensteten aus den neuen Bestimmungen keine Nachteile erwachsen.

EU-Abgeordnete haben ab August Rederecht im Nationalrat

Am Ende der Sitzung passierte schließlich Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats in Dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit das Plenum, mit der nicht nur den österreichischen EU-Abgeordneten bei Aktuellen Europastunden und weiteren ausgewählten EU-Debatten ein Rederecht eingeräumt wird, sondern auch hochrangige internationale Persönlichkeiten künftig eingeladen werden können, eine Erklärung zu einem bestimmten Thema vor dem Plenum abzugeben. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen am 1. August 2015. Die Zweite Lesung war bereits gestern erfolgt (siehe Meldung der Parlamentskorrespondenz Nr. 526/2015).

Eine weitere Sitzung des Nationalrats diente der geschäftsordnungsmäßig vorgesehenen Mitteilungen und Zuweisungen. (Schluss Nationalrat) jan