Parlamentskorrespondenz Nr. 595 vom 03.06.2015

Fremdenrechtsnovelle bleibt auch im Bundesrat umstritten

Gesetzespaket passiert mit Stimmenmehrheit die Länderkammer

Wien (PK) – Das Fremdenrechtspaket hat den Bundesrat passiert. Wie im Nationalrat stimmten die Koalitionsparteien für die umfangreiche Sammelnovelle, die etliche Neuerungen für Asylverfahren bringt. Ziel sind vor allem beschleunigte Asylverfahren für AsylwerberInnen ohne offensichtliche Fluchtgründe sowie eine gleichmäßigere Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer. Künftig wird es voraussichtlich in sieben von neun Bundesländern Verteilerzentren für AsylwerberInnen geben. Zu Änderungen kommt es auch bei der Grundversorgung, bei den Schubhaftbestimmungen und bei einigen fremdenrechtlichen Beschwerdefristen.

Die Debatte im Bundesrat unterschied sich wenig von jener im Nationalrat. So warf der niederösterreichische Bundesrat Werner Herbert der Regierung namens der FPÖ Versagen in der Flüchtlingspolitik vor. Auch die vorliegende Gesetzesnovelle sei weder nachhaltig noch effizient, meinte er. Vielmehr stelle sie die gescheiterte Asylpolitik der letzten Jahre eindrucksvoll unter Beweis. Konkret vermisst Herbert etwa eine regelmäßige Überprüfung des Asylstatus und eine raschere Abschiebung straffällig gewordener AsylwerberInnen.

Um die Flüchtlingsströme einzudämmen, forderte Herbert, die österreichischen Grenzen sofort zu schließen bzw. Grenzkontrollen einzuführen. Auch von der EU fühlt er sich in Stich gelassen. Die Dublin-Regelung werde nicht eingehalten, ohne dass es Sanktionen gebe.

Auf Grenzkontrollen drängte auch Herberts oberösterreichischer Fraktionskollege Hermann Brückl. Österreich werde von Flüchtlingen überrannt, warnte er und äußerte Zweifel daran, dass die Situation überhaupt noch in den Griff zu bekommen ist. Wenn man nicht rasch handle, werde das Ganze überkochen.

Der steirische Bundesrat Franz Perhab (V) wertete es hingegen als absurd, wegen 50.000 Flüchtlingen die österreichischen Grenzen schließen zu wollen. Zudem ist es seiner Meinung nach "unverfroren", Innenministerin Mikl-Leitner für die aktuelle Flüchtlingssituation in Österreich verantwortlich zu machen. Die Welt habe sich dramatisch geändert, betonte er. 2008 habe es 8.000 Asylanträge in Österreich gegeben, heuer würden es zwischen 50.000 und 70.000 sein.

Sowohl Perhab als auch sein Kärntner Fraktionskollege Christian Poglitsch halten einen nationalen Schulterschluss von der Bundes- bis zur Gemeindeebene für notwendig. Sie sind überdies überzeugt, dass die Flüchtlingsproblematik nur auf europäischer Ebene gelöst werden kann, und werten in diesem Sinn die von der EU-Kommission vorgeschlagene Flüchtlingsquote als sinnvoll. Poglitsch forderte darüber hinaus eine klare Unterscheidung zwischen Flüchtlingen gemäß UN-Flüchtlingskonvention und Wirtschaftsflüchtlingen.

Kein Verständnis für die Kritik der FPÖ zeigte auch Bundesrat Efgani Dönmez (G/O). Es stimme, dass die Zahl der Flüchtlinge in Österreich zunehme, sagte er, die wahren Probleme hätten aber die Nachbarländer Syriens wie der Libanon, Jordanien und die Türkei. Ein Hochfahren von Grenzen und Mauern würde ihm zufolge außerdem nur dazu führen, dass es noch mehr dramatische Flüchtlingsschicksale gibt. Dönmez forderte stattdessen die Schaffung neuer Flüchtlingsquartiere, Zeltstädte sind für ihn absolut unangebracht. Mehr Augenmerk sollte man seiner Auffassung nach außerdem auf die "mafiösen Schlepperstrukturen" in Italien richten, wo Schlepperorganisationen nicht nur von den Flüchtlingen Geld kassierten, sondern auch vom italienischen Staat finanzielle Unterstützung für die Flüchtlingsbetreuung erhielten. Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle zeigte sich Dönmez allerdings genauso unzufrieden wie die FPÖ.

Bundesrat Christian Füller (S/St) begrüßte hingegen die vorliegende Gesetzesnovelle, von der er sich unter anderem beschleunigte Asylverfahren erwartet. Gleichzeitig bezeichnete er die Reaktion einiger EU-Länder auf den Quotenvorschlag der EU-Kommission als schändlich. Kritisch setzten sich sowohl Füller als auch die Wiener SPÖ-Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner mit den vom Innenministerium errichteten Zeltstädten auseinander. Es sei "unerträglich und empörend", dass es Österreich nicht gelinge, die Flüchtlingsunterbringung in den Griff zu bekommen, sagte Gruber-Pruner. Sie bemängelte außerdem die mangelhafte Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, hier würden Kinderrechte mit Füßen getreten. Ausdrücklich begrüßt wurde von ihr dem gegenüber die Einrichtung zusätzlicher Flüchtlings-Verteilerzentren in den Bundesländern.

Vor einer blauäugigen Diskussion warnte der Wiener FPÖ-Bundesrat Hans-Jörg Jenewein. Österreich könne nicht allen helfen, die ins Land kommen, ohne tatsächliche Fluchtgründe zu haben, betonte er. Immerhin würden 70% aller Asylanträge abgelehnt. Asyl sei außerdem ein Schutz auf Zeit, unterstrich Jenewein.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner betonte neuerlich die Notwendigkeit, die EU-Außengrenzen besser zu sichern und gleichzeitig sichere UNHCR-Anlaufstellen in Drittstaaten zu schaffen. Nur so werde man es schaffen, die Flüchtlinge aus den Fängen der Schlepper zu bringen, ist sie überzeugt. Sie forderte erneut mehr Solidarität innerhalb der EU und eine fairere Verteilung der Verantwortung.

Vom neuen Verteilerautomatismus in Österreich erwartet sich Mikl-Leitner eine Entschärfung der "unwürdigen Herbergssuche" für Flüchtlinge. Sie appellierte in diesem Zusammenhang auch an die BürgermeisterInnen, Blockaden gegen die Unterbringung von AsylwerberInnen in leeren Quartieren aufzugeben. Nach neuesten Prognosen werden laut Mikl-Leitner heuer bis zu 70.000 Flüchtlingen in Österreich erwartet. Als bedeutsam im Kampf gegen Asylmissbrauch qualifizierte die Ministerin die neuen Schnellverfahren.

Für Füller war es die letzte Rede im Bundesrat. Er wird aufgrund neuer politischer Herausforderungen in seiner Heimatgemeinde Judenburg mit der Neuwahl der steirischen BundesrätInnen aus der Länderkammer ausscheiden.

Polizei bekämpft Kriminalität grenzüberschreitend

Konsens gab es im Bundesrat hinsichtlich der Erweiterung der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit mit der Slowakei (529 d.B.) und Italien (586 d.B.). Die Abkommen mit den beiden Nachbarländern wurden einhellig genehmigt bzw. blieben unbeeinsprucht. Um Kriminalität effizienter zu bekämpfen, werden Restriktionen bei der Observation und Verfolgung Verdächtiger über die Staatsgrenzen hinweg beseitigt, Befugnisse erweitert und gemeinsame Streifendienste ausgebaut. Auch der Austausch von Informationen über illegale Zuwanderung wird intensiviert.

In der Debatte wies der niederösterreichische ÖVP-Bundesrat Gerhard Schrödinger auf erfolgreiche grenzüberschreitende Kooperationen der Polizei in der Vergangenheit hin. So habe man gemischte Streifen mit österreichischen und slowakischen Polizisten eingesetzt, um Problemen mit illegaler Migration zu begegnen, skizzierte er. Mittlerweile sei es auch möglich, in den Nachbarländern verdeckt zu ermitteln und Deckkennzeichen zu verwenden.

Positiv zum Abkommen äußerten sich auch die Bundesräte Richard Wilhelm (S/St) und Christoph Längle (F/V). Eine grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit sei notwendig, schließlich mache auch Kriminalität nicht an den Grenzen halt, gab Wilhelm zu bedenken. Generell kritisierte Längle, dass die Regierung dem Thema Sicherheit zu wenig Augenmerk widme. (Fortsetzung Bundesrat) gs


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