Parlamentskorrespondenz Nr. 654 vom 17.06.2015

Sozialversicherung: Nationalrat stimmt geänderten Meldepflichten zu

Tägliche Geringfügigkeitsgrenze wird 2017 abgeschafft

Wien (PK) – Unternehmen müssen die Lohndaten ihrer Beschäftigen künftig monatlich statt jährlich an die zuständige Sozialversicherung melden. Im Gegenzug kommt es zu bürokratischen Vereinfachungen bei der Erstanmeldung von Beschäftigten und bei anderen Meldepflichten. Der Nationalrat hat heute auf Empfehlung des Sozialausschusses ein entsprechendes Gesetzespaket verabschiedet. Es bringt auch die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze ab 2017 und eine Halbierung der Verzugszinsen im Bereich des ASVG und der Gewerblichen Sozialversicherung. Der Beschluss fiel in Dritter Lesung mit breiter Mehrheit, nur die NEOS lehnten das Gesetzespaket ab. Abänderungsanträge der Grünen und der NEOS fanden keine Zustimmung.

Das Gesetz beschert den Sozialversicherungsträgern erhebliche Einnahmenausfälle. Allein die geplante Halbierung des Zinssatzes für Verzugszinsen von 8% auf 4% (plus Basiszinssatz) wird die Pensionsversicherung rund 25,9 Mio. € im Jahr 2017 kosten. Dazu kommen Mindereinnahmen im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung in der Höhe von 13,3 Mio. € und im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Ausmaß von 2,8 Mio. €.

Der Wegfall der täglichen Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 31,17 € soll Unternehmen nicht nur weniger Bürokratie bringen, er beschert auch FrühpensionistInnen und Arbeitslosen neue Zuverdienstmöglichkeiten. Künftig ist bei Beschäftigungsverhältnissen nur noch die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 405,98 € zu beachten.

Abgelehnt wurde vom Nationalrat ein Antrag von Abgeordnetem Marcus Franz, den dieser noch als Mitglied des Team Stronach eingebracht hatte und der auf verpflichtende regelmäßige Reanimationsschulungen und Erste-Hilfe-Kurse für SchülerInnen ab dem 12. Lebensjahr abzielte. Ein Antrag der Grünen betreffend Abschaffung des Kostenbeitrags bei einem Spitalsaufenthalt von Kindern, wurde an den Gesundheitsausschuss weitergeleitet.

Lob und Kritik der Abgeordneten am Meldepflicht-Änderungsgesetz

Uneingeschränktes Lob für das Gesetzespaket äußerte in der Debatte SPÖ-Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig. Es handle sich um eine große Verwaltungsreform, die sowohl ArbeitgeberInnen als auch DienstnehmerInnen Vorteile bringe, betonte sie.

Seitens der NEOS begrüßte Abgeordneter Gerald Loacker zwar die Senkung der Verzugszinsen und die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze, seiner Meinung enthält das Gesetzespaket aber auch Bestimmungen, die das Bemühen um weniger Bürokratie für Unternehmen völlig konterkarieren. So werden die monatlichen Meldepflichten seiner Meinung nach den Verwaltungsaufwand für die Betriebe verzwölffachen. Ein von ihm eingebrachter Abänderungsantrag fand allerdings keine Mehrheit.

Konkret forderte Loacker unter anderem bundesweit einheitliche Fristen für die An- und Abmeldung fallweise beschäftigter Personen und einen Rechtsanspruch auf eine jährliche Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge bei geringfügig beschäftigten Personen. Zudem sprach er sich dafür aus, bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen anstelle des Kalendermonats einen 30-Tages-Zeitraum als Bezugszeitraum zu verankern, die bei verspäteten Beitragszahlungen von den Unternehmen zu entrichtenden Säumniszuschläge zu deckeln und die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze auf 2016 vorzuziehen. Ähnlich wie Loacker argumentierte auch sein Fraktionskollege Josef Schellhorn – er kritisierte unter anderem, dass Unternehmer bei geringsten Fehlern unverhältnismäßig bestraft werden.

Grüne für generelle Abschaffung der Geringfügigkeitsgrenze

Abänderungen forderten auch die Grünen. Judith Schwentner fürchtet, dass die Politik mit der Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze Anreize setze, derzeit voll versicherte Erwerbstätigkeit in geringfügige Beschäftigung umzuwandeln. Künftig könne man 405 € am Tag verdienen, ohne dass auch nur ein einziger Euro in die Krankenversicherung, die Pensionsversicherung oder die Arbeitslosenversicherung fließt, heißt es in den Erläuterungen zu einem von Schwentner vorgelegten Abänderungsantrag. Zudem halten die Grünen einige der vorgesehenen Bestimmungen für unpraktikabel.

Schwentner beantragte in diesem Sinn eine generelle Abschaffung der Geringfügigkeitsgrenze. Unterstelle man jede berufliche Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht, könnten nicht nur zusätzliche Einnahmen für die Sozialversicherung lukriert werden, eine solche Maßnahme würde auch den sozialen Schutz der ArbeitnehmerInnen erhöhen und Sozialdumping und Sozialbetrug verhindern, argumentiert sie.

Auch gegen eine allgemeine Senkung der Verzugszinsen für Unternehmen hat Schwentner Bedenken, hat deren Anhebung im Jahr 2010 ihr zufolge schließlich dazu geführt, die Zahlungsrückstände bei den Sozialversicherungen um fast 100 Mio. € zu verringern. Sie und ihre Fraktionskollegin Ruperta Lichtenecker urgierten daher gestaffelte Verzugszinsen mit einer Bevorzugung von Ein-Personen-Unternehmen (EPU), neu gegründeten Unternehmen und Betrieben mit weniger als 10 Beschäftigten. Zudem wollen die Grünen die Sozialversicherungsträger ermächtigen, in Form eines Bonussystems stets pünktlich zahlende Unternehmen zu begünstigen. Ausdrücklich begrüßt wurde von Schwentner die Umstellung der Meldepflichten.

Grillitsch für offene Diskussion über Zahl der Sozialversicherungsträger

ÖVP-Abgeordneter August Wöginger warf NEOS-Abgeordnetem Loacker vor, sich die Sache zu leicht zu machen. Man könne sich nicht einfach die Rosinen herauspicken, und alles, was man kritisch sehe, ablehnen, meinte er. Die ÖVP habe als Regierungspartei Verantwortung, in der Politik sei es notwendig, Kompromisse zu schließen.

Besonders erfreut zeigte sich Wöginger über die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze. Davon würden ArbeitnehmerInnen und Unternehmen, vor allem Gastronomie- und Kleingewerbebetriebe, gleichermaßen profitieren. Auf diesen Umstand machte auch ÖVP-Tourismussprecher Gabriel Obernosterer aufmerksam. Als weiteren Schritt urgierte er Erleichterungen bei der freiwilligen Mithilfe von nahen Familienangehörigen in Gastronomiebetrieben.

Wögingers Fraktionskollege Fritz Grillitsch erwartet sich von den neuen Meldepflichten unter anderem mehr Transparenz. Das Gesetz gehe in die richtige Richtung, betonte er, urgierte allerdings noch weitere Schritte. So hält Grillitsch etwa eine offene Diskussion über die Struktur der Sozialversicherung für notwendig. Man müsse überlegen, ob Österreich wirklich 21 Sozialversicherungsträger brauche, vielleicht reiche auch eine Krankenkasse für alle Beschäftigten.

FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm hob hervor, dass die Senkung der Verzugszinsen eine langjährige Forderung seiner Fraktion sei. Generelle Kritik übte er an der Wirtschaftspolitik der Regierung. Wurm vermisst unter anderem konkrete Schritte zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums.

Hundstorfer: Verwaltungsaufwand für Unternehmen wird reduziert

Sozialminister Rudolf Hundstorfer wies den Vorwurf der NEOS zurück, neue Bürokratie für Unternehmen aufzubauen. Das Gegenteil sei der Fall, bekräftigte er. Zudem machte er geltend, dass Strafen künftig nur noch bei einer versäumten Erstanmeldung schlagend werden und die Sozialversicherungsträger bei Säumniszuschlägen Nachsicht walten lassen können. Auch SPÖ-Abgeordneter Wolfgang Knes kann keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für Unternehmen erkennen.

Reanimationsschulungen für SchülerInnen: Franz will ÖVP überzeugen

Abgeordneter Marcus Franz, nunmehr Mitglied der ÖVP-Fraktion, ging auf seinen Antrag zum Thema Reanimationsschulungen für SchülerInnen ein. Er wies darauf hin, dass in Österreich pro Jahr rund 15.000 Personen einen plötzlichen Herztod erleiden. 10% davon könnten seiner Einschätzung nach gerettet werden, wenn die ÖsterreicherInnen eine bessere Erste-Hilfe-Schulung hätten. Man könne nicht früh genug damit beginnen, unterstrich er. Franz ist zuversichtlich, die ÖVP bald von seiner Initiative überzeugen zu können.

Ausdrücklich unterstützt wurde der Antrag auch vom Team Stronach. Reanimation könne Leben retten, machte Klubobfrau Waltraud Dietrich geltend. Die meisten Erwachsenen hätten aber Scheu, im Notfall einzugreifen. Wären sie als Jugendliche regelmäßig geschult worden, wäre das ihrer Meinung nach anders. Die SPÖ-Abgeordneten Dietmar Keck und Königsberger-Ludwig sowie Grün-Abgeordnete Judith Schwentner äußerten angesichts der hohen physischen und psychischen Belastung hingegen Bedenken, bereits 12-Jährige zu schulen und sie damit im Ernstfall zu Wiederbelebungsmaßnahmen zu zwingen. Auch Sozialminister Hundstorfer zeigte sich skeptisch.

Mit dem Beschluss des Meldepflicht-Änderungsgesetzes sind auch Anträge der FPÖ (476/A(E)), der Grünen (764/A(E)) und der NEOS (702/A) zur Frage der Verzugszinsen miterledigt. Gleiches gilt für einen Antrag der NEOS zur täglichen Geringfügigkeitsgrenze (944/A).

(Fortsetzung Nationalrat) gs