Parlamentskorrespondenz Nr. 688 vom 19.06.2015

Neu im Umweltausschuss

Viele neue Vorlagen für die Ausschusssitzung der kommenden Woche

Wien (PK) – Wenige Tage vor der nächsten Sitzung des Umweltausschusses wurden dem Nationalrat eine Reihe von Regierungsentwürfen und Anträge mit wichtigen ökologischen Anliegen vorgelegt. Die "Parlamentskorrespondenz" bemüht sich im Folgenden, ihre LeserInnen über die - zum Teil sehr komplexen - Inhalte dieser Vorlagen sachgerecht und verständlich zu informieren. Im Einzelnen geht es um Regierungsvorlagen zur Fortsetzung der internationalen Anstrengungen bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen in der zweiten Kyoto-Periode 2013 bis 2020, um einen besseren Zugang zu Umweltinformationen und um EU-Anpassungen im österreichischen Chemikalien- und Biozidrecht samt Verwaltungsvereinfachungen. Entschließungsanträge aus den Reihen der Opposition zielen auf Maßnahmen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln, auf den Schutz von Wiesen als Lebensraum der Bienen, auf Vorkehrungen gegen die zunehmende Versiegelung des Bodens sowie gegen die Verunreinigung von Lebensmitteln mit hormonellen Schadstoffen und gegen die Zunahme der Massentierhaltung ab.       

Kyoto II und die Fortsetzung des internationalen Klimaschutzes     

Die Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls zur Reduktion von Treibhausgasen beschlossen 2012 in Doha, auf die erste Kyoto-Periode (2008 bis 2012) eine zweite mit weiteren Emissionsreduktionen (2013 bis 2020) folgen zu lassen. Dazu haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten vereinbart, ihre Reduktionsverpflichtungen gemeinsam zu erfüllen, indem sie ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 (gegenüber 1990) um 20% senken.

Die Ratifikation dieser Fortsetzung des Kyoto-Protokolls setzt die Zustimmung des Nationalrats voraus. Inhaltlich sei Österreich bereits durch EU-Recht zu den in Doha vereinbarten Emissionsreduktionen verpflichtet, teilt der Umweltminister in den Erläuterungen mit. Konkrete Maßnahmen enthalten das 2009 beschlossene Klima- und Energiepaket, das 2020 evaluiert werden wird sowie das Emissionszertifikategesetz und das Klimaschutzgesetz (693 d.B.). Zur Fortsetzung des Kyoto-Prozesses liegt dem Nationalrat auch eine Vereinbarung der Europäischen Union mit Island über dessen Mitwirkung an den in Doha beschlossenen Treibhausgasemission zur Zustimmung vor (694 d.B.).

Chemikaliengesetz: Giftrecht wird einfacher und transparenter 

Auf den ersten Schritt, den Österreich zur Anpassung seines Giftrechts an das EU-Konzept für die Einstufung von Chemikalien mit der Chemikaliengesetz-Novelle 2012 setzte, folgt nun ein zweiter. 2012 wurden die neuen Gefahrenklassen der EU-Verordnung für chemische Stoffe übernommen, ab Mitte 2015 gelten diese auch bei der Einstufung von Gemischen. Damit wird der Giftbegriff einfacher und der Verwaltungsaufwand bei Behörden und in der Wirtschaft geringer. Das Giftrecht wird im Chemikaliengesetz konzentriert und giftrechtliche Bestimmungen im Biozidproduktgesetz mit der Begründung aufgehoben, dass auch Biozidprodukte Chemikalien sind. Die aufwändige Unterscheidung von Biozidprodukten und Chemikalien entfällt. Die Kriterien für die Erlangung einer Bescheinigung für den Bezug von Biozidprodukten, Stoffen und Gemischen wird harmonisiert, die Rechtslage transparenter und die Tätigkeit von Behörden und Betrieben leichter. Im Biozidrecht verbleiben nur jene giftrechtlichen Bestimmungen, mit denen die EU verbietet, gefährliche Biozidprodukte einem breiten Kreis von KonsumentInnen zugänglich zu machen. Gifte dürfen nur an Privatpersonen abgegeben werden, die einen Giftbezugsschein besitzen (695 d.B.).

Besserer Zugang zu Umweltinformationen 

Die kürzlich in Kraft getretene Seveso III-Richtlinie zur Beherrschung von Gefahren bei schweren Unfällen in Anlagen, in denen gefährliche Stoffe lagern, erfordert Änderungen im Umweltinformationsgesetz. Den Betreibern der Anlagen wird vorgeschrieben, über ihre Vorkehrungen und ihr Verhalten bei schweren Unfällen im Internet zu informieren. Der Rechtsschutz der Öffentlichkeit beim Zugang zu Umweltinformationen wird verbessert, indem die Entscheidungsfrist der Behörden bei Überprüfungsverfahren von sechs auf zwei Monate verkürzt wird (696 d.B.).

Grüne wollen Verschwendung von Lebensmitteln stoppen

Weltweit stirbt alle zehn Sekunden ein Kind unter fünf Jahren an Unterernährung. 795 Millionen Menschen essen zu wenig. An Hunger sterben mehr Menschen als an AIDS, Malaria und Tuberkulose. Dennoch werden weltweit 30% aller produzierten Lebensmittel weggeworfen - viermal mehr als nötig wären, um jeden an Hunger leidenden Menschen ausreichend zu ernähren, berichten Eva Glawischnig-Piesczek, Wolfgang Pirklhuber und Christiane Brunner von den Grünen und sprechen von einem moralischen Desaster. Die Abgeordneten rechnen vor, dass auch in Österreich Jahr für Jahr hunderttausende Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden. Unter dem Titel "Stopp der Lebensmittelverschwendung" verlangen die Grünen eine Halbierung der österreichischen Lebensmittelabfälle bis 2020. Ein Bericht soll  Lebensmittelabfälle in der gesamten Wertschöpfungskette aufzeigen und alle Vermeidungspotentiale aufzeigen. Nach französischem Vorbild wollen die Grünen unverkaufte Lebensmittel an karitative Einrichtungen weitergeben. Lebensmittel, die kein Mindesthaltbarkeitsdatum brauchen, sollen ein Herstellungsdatum erhalten und der Handel soll über abgeschriebene Lebensmittel informieren müssen. In Schulen und bei der Ausbildung ernährungsbezogener Berufe sei die Wertschätzung von Lebensmitteln zu thematisieren, verlangen die Antragsteller (1217/A(E) ).

FPÖ: Bienen brauchen blühende Wiesen

Angesichts des Bienensterbens will Susanne Winter (F) die Menschen besser über die Bedeutung von Wiesenflächen als Lebensraum der Bienen informieren. Auf Flächen mit Blumen, Büschen, Bäumen und Kräutern finden Bienen - vor allem im Spätsommer - Nektar und Pollen für die Aufzucht ihrer Brut. Es schade den Bienen, wenn in den Gärten die Rasen kurz geschoren werden, der Löwenzahn ausgestochen wird und die Bauern immer früher mit der Heuernte beginnen. Gemeinden, Bauern und Gartenbesitzer sollten dazu angehalten werden, das eine oder andere Mal auf das Mähen zu verzichten, damit Bienen, Hummeln und andere Insekten auf blühenden Wiesen ausreichend Futter finden. In den Städten schlägt Susanne Winter vor, Parkanlagen, öffentliche Grünflächen und die Grünstreifen an den Straßenrändern bienenfreundlicher zu gestalten (1232/A(E) ).

Team Stronach warnt vor zunehmender Bodenversiegelung

Maßnahmen gegen die zunehmende Bodenversiegelung verlangt Ulrike Weigerstorfer vom Team Stronach. Österreich halte bei der Verbauung fruchtbarer Böden einen Negativrekord in Europa, schreibt die Abgeordnete. Ein halbes Prozent der Agrarflächen werde alljährlich verbaut - mit negativen Folgen für Mensch und Umwelt: Wasser- und CO2-Speicher gehen verloren, Hochwasser häufen sich, die Erderwärmung schreitet voran, extreme Wetterereignisse nehmen zu,  die Lebensräume vieler Pflanzen und Tiere werden kleiner, die Artenvielfalt nimmt ab. Grundlagen für die Versorgung der Menschen mit heimischen Lebensmitteln verschwinden, die Importabhängigkeit wächst. Da in Österreich täglich ein Bauernhof durch Verbauung für Straßen, Industriehallen oder Shopping Center zerstört wird, verlangt das Team Stronach rasch Gegenmaßnahmen. Wegen der Kompetenz der Bundesländer für die Raumordnung schlägt Weigerstorfer vor, eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über konkrete Ziele und Grenzwerte gegen die voranschreitende Bodenversiegelung bis Ende 2015 abzuschließen (1240/A(E) ).

Team Stronach will Menschen vor Glyphosat schützen 

Ulrike Weigerstorfer (T) fordert mehr Schutz vor hormonell wirksamen Chemikalien, vor "endokrinen Disruptoren" in der Nahrung, die Gesundheit und Erbgut der Menschen schädigen und Krebs auslösen können. Eigentlich schreiben EU-Verordnungen zu Bioziden und Pestiziden Schutzmassnahmen bereits ab 2013 vor. Da endokrinschädigende Stoffe in Bioziden und Pestiziden aber noch nicht identifiziert sind, können die seit 2011 geltenden Verbote nicht wirksam werden, klagt die Antragstellerin. Dies gelte auch für hormonell wirksame Chemikalien in Kosmetika und Körperpflegeprodukten, wo die vorgeschriebene Überprüfung endokrin wirksamer Eigenschaften nach wie vor fehle. Während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) endokrine Disruptoren als "globale Bedrohung" bezeichnet und zu einer strengen Regulierung rät, komme die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) der Industrie mit Gutachten entgegen, um sie vor Milliardenverlusten, vor allem im Pestizidgeschäft, zu bewahren, kritisiert Weigerstorfer. Das gelte auch für Glyphosat, eine krebserregende Substanz in einem der profitabelsten Produkte von Monsanto. Diesem US-Konzern drohten bei einem Verbot Milliardenverluste im einstelligen Bereich. Diesen Verlusten einer Firma stehen aber Einsparungen an Gesundheitsausgaben im zweistelligen Milliardenbereich gegenüber, wenn es gelinge, die Belastung der Menschen mit diesen Stoffen zu reduzieren, rechnet Ulrike Weigerstorfer vor. Die Abgeordnete verlangt von der Bundesregierung, sich bei den EU-Verhandlungen mit den USA für einen Kriterienkatalog für hormonell wirksame Chemikalien einzusetzen (1242/A(E) ).

Grüne gegen Massentierhaltung

Wolfgang Pirklhuber und Christiane Brunner von den Grünen verlangen einen Bericht über die Entwicklung der Intensiv- oder Massentierhaltung in Österreich nach folgenden Kriterien: Zahl und Größe tierhaltender Betriebe in Österreich ohne ausreichende Weideflächen, Zahl der Genehmigungen von Massentierhaltungsbetrieben in Raumordnung und Flächenwidmung sowie Analyse der spezifischen Umweltgefahren durch intensive Tierhaltung. Darauf aufbauend sollten die Schwellenwerte für Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der Massentierhaltung deutlich herabgesetzt werden, verlangen die Grünen  (1246/A(E) ). Zur Begründung weisen die Abgeordneten auf die Ergebnisse von 30.000 Wasserprüfungen der Aqua Quality Austria hin: Das Trinkwasser einer Million Menschen, die sich aus Hausbrunnen versorgen, sei stark mit Nitrat belastet, vor allem in Niederösterreich, Burgenland, Wien und in der Steiermark. Da Nitrateintrag in das Grundwasser auf intensive Stickstoffdüngung von Ackerböden und eine intensive Tierhaltung zurückgehen, sprechen sich die Abgeordneten aus ökologischen und gesundheitlichen Gründen gegen einen hohen Fleischkonsum aus. Sie plädieren für eine neue Kultur der Erzeugung und des Konsums tierischer Produkte. Eine weitere Zunahme von Betriebs- und Haltungsformen, die nicht als bäuerlicher Familienbetrieb zu qualifizieren sind, widerspreche den Erwartungen der Konsumentinnen und den Zielen einer nachhaltigen Landwirtschaft, argumentieren die Grünen. (Schluss) fru