Parlamentskorrespondenz Nr. 762 vom 01.07.2015

Abschaffung des Amtsgeheimnisses verzögert sich

Beratungen im Verfassungsausschuss neuerlich vertagt, Knackpunkt Informationsbeauftragter

Wien (PK) – Die seit geraumer Zeit diskutierte Abschaffung des Amtsgeheimnisses lässt weiter auf sich warten. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats vertagte heute neuerlich die Beratungen über ein von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer bereits im Dezember vergangenen Jahres vorgelegtes Verfassungsgesetz. Allerdings zeigten sich alle Fraktionen bestrebt, die Verhandlungen fortzusetzen und so rasch wie möglich zu einer Einigung zu kommen. Auch die Länder sollen weiter eingebunden werden. Ein wesentlicher Knackpunkt dürfte der von der Opposition geforderte Informationsbeauftragte sein. Grün-Abgeordneter Albert Steinhauser fordert in diesem Bereich mehr Bewegung von Seiten der Regierungsparteien, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer hält eine neue "Sonderbehörde" aber weiter für kontraproduktiv. Von niemandem infrage gestellt wurde das grundsätzliche Ziel des Verfassungsgesetzes, das Prinzip der Amtsverschwiegenheit in ein Prinzip der Informationsfreiheit umzuwandeln.

Basis für die Diskussion im Ausschuss bildete nicht nur das bereits seit längerem vorliegende Verfassungsgesetz (395 d.B. ) sondern auch ein erster Arbeitsentwurf für ein Ausführungsgesetz, den das Bundeskanzleramt allen Fraktionen im Vorfeld der Ausschussberatungen übermittelt hat. Es ist der gleiche Entwurf, der im Mai an die Bundesländer geschickt wurde, wie der Leiter des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts Gerhard Hesse den Abgeordneten mitteilte. Die meisten Bundesländer haben ihm zufolge bereits Stellung dazu bezogen, nur zwei Länder sind noch säumig. Und zwar anders als in den Medien kolportiert nicht Wien und die Steiermark, sondern das Burgenland und Salzburg. Als nächster Schritt soll laut Hesse die Bund-Länder-Arbeitsgruppe wieder einberufen werden, bis zum Herbst könnte seiner Meinung nach ein akkordierter Text für das Ausführungsgesetz stehen.

Dass die Länder in die Formulierung des Informationsfreiheitsgesetzes miteingebunden sind, begründete Hesse damit, dass die Regierung ein bundesweit einheitliches Ausführungsgesetz anstrebt und eine Bundesregelung plus zusätzliche neun Länderregelungen vermeiden will. Zudem hält er die – ihm zufolge konstruktive – Zusammenarbeit mit den Bundesländern schon allein deshalb für geboten, weil ein Großteil der Bürgeranfragen seiner Erwartung nach bei Behörden landen wird, die organisatorisch den Ländern zuzuordnen sind, etwa bei den Bezirkshauptmannschaften und den Gemeindeämtern.

Wie Hesse berichtete, haben die Länder verschiedene Punkte des Arbeitsentwurfs beanstandet. So wurden unter anderem begriffliche Unklarheiten bemängelt, die vorgesehenen Fristen hinterfragt und auf einen drohenden erheblichen Mehraufwand für die Verwaltung hingewiesen. Tirol und Vorarlberg beharren ihm zufolge außerdem auf die Beibehaltung der Öffnungsklausel. Es seien aber keine unlösbaren Problemstellungen, betonte Hesse.

Wird der Regierungsentwurf umgesetzt, können sich BürgerInnen künftig mit einem Informationsansuchen an die zuständige Behörde wenden. Bekommen sie die gewünschten Auskünfte nicht, kann ein Bescheid beantragt werden, der gleichzeitig mit einer Gebühr von 30 € verbunden ist. Dieser offizielle Bescheid kann dann vor den Verwaltungsgerichten bekämpft werden.

Grüne fordern mehr Bewegung seitens der Regierungsparteien

Namens der Grünen bedauerte Albert Steinhauser, dass es von Seiten der Regierung, was die von der Opposition geforderte Einrichtung eines Informationsbeauftragten betrifft, bislang keine Bewegung gegeben habe. Ihm zufolge sind die Grünen durchaus auch für alternative Modelle offen, es müsse aber sicherstellt werden, dass die BürgerInnen auf einfachem Weg zu den von den Behörden gewünschten Auskünften kommen und Zugang zu einem niederschwelligen Rechtsschutz haben. Ständig nur zu sagen, dass man keine Sonderbehörde wolle, sei zu wenig, sind sich Steinhauser und seine Fraktionskollegin Daniela Musiol einig. Ohne Entgegenkommen der Regierung können sie sich eine Zustimmung der Grünen zum Verfassungsgesetz nicht vorstellen. Sollte Ostermayer auf die FPÖ als zweites Ass im Ärmel setzen, um die für das Gesetz notwendige Zweidrittelmehrheit sicherzustellen, wäre das nach Meinung von Steinhauser "ein riskanter Poker". Die FPÖ sei in dieser Frage "auch nicht billig zu haben", ist er überzeugt.

Grundsätzlich zeigte sich Steinhauser, wie alle anderen Abgeordneten, an einem raschen Gesetzesbeschluss interessiert. Vor diesem Hintergrund bedauerte er, dass der Arbeitsentwurf für das Ausführungsgesetz den Medien zugespielt wurde. Es sei nicht dienlich, wenn sich die Verhandlungspartner öffentlich in Positionen eingraben müssten, das erschwere den Kompromiss, mahnte er. Wesentlich für die Grünen ist laut Steinhauser neben einem niederschwelligen Zugang zu Informationen für BürgerInnen eine bundeseinheitliche Regelung zur Vermeidung eines "Kompetenzdschungels" sowie eine Überarbeitung der Ausnahmetatbestände. In einigen Punkten haben die Regierungsparteien ihm zufolge bereits Zugeständnisse signalisiert.

Im nunmehr vorliegenden Ausführungsgesetz vermisst Steinhauser unter anderem eine Weiterleitungspflicht für Behörden, da BürgerInnen nicht immer zugemutet werden könne, die richtige Stelle für ihr Auskunftsbegehren zu kennen. Er drängte außerdem auf eine kostenfreie Lösung in erster Instanz und lehnte die vorgesehene "30-Euro-Pönale" für anfragende BürgerInnen ab. Notwendig ist es seiner Meinung nach auch, die Bestimmungen über eine mögliche Auskunftsverweigerung bei unverhältnismäßigem Aufwand oder offensichtlich schikanösen Anfragen zu präzisieren und börsennotierte Unternehmen vom Gesetz nicht auszunehmen. Für Abgeordnete Musiol sind die vorgesehenen Fristen zu lange. BürgerInnen müssten bis zu 12 bzw. 16 Wochen auf Auskünfte warten.

Auch FPÖ und NEOS sehen weiteren Verhandlungsbedarf

Weiteren Verhandlungsbedarf sehen auch die Abgeordneten Philipp Schrangl (F) und Nikolaus Scherak (N). Nach Meinung von Schrangl ist die Interessensabwägung, was das höhere Gut ist, das Recht der Behörde, Informationen unter Verschluss zu halten, oder das Recht der BürgerInnen auf Auskunft, zu unpräzise geregelt. Er urgierte überdies, dass auch gesetzliche Interessenvertretungen allen BürgerInnen Auskunft geben müssen und nicht nur ihren Mitgliedern.

Sowohl Schrangl als auch Scherak schlossen sich überdies der Forderung der Grünen nach Einrichtung eines Informationsbeauftragten an. Scherak hält es dabei nicht unbedingt für notwendig, eine neue Stelle zu schaffen, für ihn wäre es auch vorstellbar, diese Funktion der Datenschutzbehörde zu übertragen. Weiters sprach sich Scherak für eine präzisere Formulierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung aus.

SPÖ will alle Fraktionen "ins Boot holen"

Die beiden Verfassungssprecher der Koalitionsparteien Peter Wittmann (S) und Wolfgang Gerstl (V) äußerten sich zuversichtlich, eine Einigung zu finden. Es sei nicht Absicht der SPÖ, vorweg irgendwelche Koalitionen zu schmieden, vielmehr wolle man versuchen, so viele Fraktionen wie möglich, am besten alle, ins Boot zu holen, versicherte Wittmann gegenüber Abgeordnetem Steinhauser. Nach Einschätzung von Gerstl ist man bei den Verhandlungen schon weit gekommen, Wittmann zufolge sollte es etwa keine Schwierigkeit sein, bei der Formulierung der Öffnungsklausel eine Lösung zu finden.

Die von der Opposition geforderte Einrichtung eines Informationsbeauftragten sehen aber sowohl Gerstl als auch Wittmann kritisch. Hier ortet Wittmann noch gravierende Differenzen. Man müsse die Frage auch unter dem Blickwinkel der Sparsamkeit der Verwaltung sehen, mahnte er und äußerte die Befürchtung, dass man, wenn man mit einer neuen Sonderbehörde beginne, in fünf Jahren wieder bei 120 Sonderbehörden landen werde, wie es sie vor der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben hat. Es sei nicht sein Bestreben, die Verwaltung aufzublähen, sondern sie weiter schlank zu halten, insistierte auch Gerstl. Vorstellen kann sich der Verfassungssprecher der ÖVP eine Stelle, die den BürgerInnen hilft, die zuständige Behörde zu finden, wobei er etwa an die Volksanwaltschaft denkt. Aber auch hierfür sei zusätzliches Personal notwendig, gab er zu bedenken.

Ostermayer: Informationsbeauftragter ist kontraproduktiv

Wenig Spielraum in der Frage der Einrichtung eines Informationsbeauftragten sieht auch Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Es wäre kontraproduktiv, eine zusätzliche Behörde zu schaffen, bekräftigte er. Grundsätzlich ist aber auch er optimistisch, dass eine Einigung, sowohl mit den Ländern als auch im Parlament, erzielt werden kann. Er habe das Gefühl, dass alle ernsthaft eine Lösung anstreben, sagte der Minister und bekräftigte, dass das Ausführungsgesetz nicht von ihm an die Medien weitergeleitet wurde.

Detailfragen der Abgeordneten beantwortete Hesse. So machte der Leiter des Verfassungsdienstes geltend, dass der Arbeitsentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz sehr wohl eine Weiterleitungspflicht von Anfragen an die zuständige Behörde vorsehe. Eine Unterscheidung zwischen UnionsbürgerInnen und Drittstaatsangehörigen beim Auskunftsrecht hält er für nicht angebracht. Die Beschränkung der Auskunftspflicht der gesetzlichen beruflichen Vertretungen auf ihre Mitglieder beziehe sich nur auf den eigenen Wirkungsbereich. Im übertragenen Wirkungsbereich unterliegen die Interessenvertretungen seiner Auskunft nach der allgemeinen Informationspflicht. Die Bestimmungen zur Verhältnismäßigkeitsprüfung könne man durchaus präzisieren, wenn dies politisch gewollt sei, so Hesse. Auch die Fristen seien änderbar.

Wenig abgewinnen kann Hesse dem Vorschlag, die Datenschutzbehörde mit den Aufgaben eines Informationsbeauftragten zu betrauen. Der Datenschutz sei nur einer von verschiedenen Ausnahmetatbeständen in Bezug auf die Informationspflicht, skizzierte er. Es wäre für die Datenschutzbehörde schwierig abzuwägen, ob eine Auskunftserteilung außenpolitischen Interessen widersprechen oder die öffentliche Ruhe und Ordnung stören würde.

Regierung will Behörden zu aktiver Informationspolitik verpflichten

Im Konkreten will die Regierung mit dem vorgelegten Verfassungsgesetz alle Behörden verpflichten, Informationen von allgemeinem Interesse zu veröffentlichen. Gleichzeitig soll den BürgerInnen ein weitreichendes Auskunftsrecht eingeräumt werden. Damit soll staatliches Handeln transparenter werden, wie es in den Erläuterungen heißt. Allerdings sind in beiden Fällen zahlreiche Einschränkungen vorgesehen, so ist etwa das Grundrecht auf Datenschutz jedenfalls zu beachten. Auch wenn die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch Veröffentlichungen oder Auskunftserteilungen gefährdet würde, wenn dies zur Wahrung von wirtschaftlichen und finanziellen Interessen der Gebietskörperschaften geboten ist oder wenn es zwingende außenpolitische Gründe erfordern, soll weiter Geheimhaltungspflicht gelten. Ebenso bliebe der Öffentlichkeit der Zugang zu Dokumenten, die der Vorbereitung einer Entscheidung dienen, laut Regierungsentwurf verwehrt.

Gelten sollen die neuen verfassungsrechtlichen Vorgaben sowohl für die Ministerien und die Landesverwaltungen als auch für das Parlament, die Gerichte sowie weitere Organe des Bundes und der Länder. Außerdem werden – in eingeschränkter Form – auch Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, miteinbezogen. Sie müssen dem Entwurf zufolge allerdings nur insoweit Informationen veröffentlichen bzw. Informationszugang gewährleisten, als dadurch nicht ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet wird. Detaillierte Ausführungsbestimmungen sollen in einfachen Gesetzen geregelt werden.

Gemeinsam mit der Regierungsvorlage im Ausschuss zur Diskussion standen ein Antrag der NEOS (6/A ) und ein Antrag der Grünen (18/A ). Beide zielen auf eine grundsätzliche Auskunftspflicht der Behörden im Sinne einer umfassenden Informationsfreiheit ab. Außerdem fordern die Grünen eine Ausweitung der Prüfbefugnisse des Rechnungshofs, um einige ihrer Meinung nach bestehende Kontrolllücken zu schließen (297/A[E]). Unter anderem geht es Abgeordneter Daniela Musiol darum, dass das Organ des Parlaments auch Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen, Direktförderungen der EU und Rechtsträger, die öffentliches Vermögen verwalten bzw. für die die öffentliche Hand eine Ausfallshaftung trägt, prüfen kann.

Eine erste Debatte über das von der Regierung vorgelegte Verfassungsgesetz und die alternativen Oppositionsentwürfe fand bereits im Jänner dieses Jahres statt (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 65/2015). Dass der Rechnungshof-Antrag der Grünen heute mit auf die Tagesordnung gesetzt wurde, begründete Musiol damit, dass gemäß dem vorliegenden Verfassungsgesetz auch alle Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, von der Informationsverpflichtung umfasst sein sollen. Welche Unternehmen das sind, ist ihr zufolge aber nicht in allen Bundesländern gleich geregelt, so sei etwa Niederösterreich säumig. Alle Verhandlungsgegenstände wurden nach der Debatte einstimmig vertagt. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs