Parlamentskorrespondenz Nr. 766 vom 01.07.2015

Milch und Honig im Landwirtschaftsausschuss

Regierungsparteien vertagen Milchpaket und Bienenschutzprogramm der Opposition

Wien (PK) – Die heimische Milcherzeugung und die Bienen dominierten heute die letzte Sitzung des Landwirtschaftsausschusses vor der Sommerpause. Die Opposition legte dabei abermals gemeinsam ein Maßnahmenpaket zur Förderung der Milchbetriebe nach dem Auslaufen der EU-Milchquoten vor, fand damit aber kein Gehör bei den Regierungsparteien, die ihrerseits auf die Initiativen Rupprechters in Sachen Milchmarkt hinwiesen. Vertagt wurde auch ein Bienenschutzprogramm der Grünen mit der Forderung nach einem Ersatz von Pflanzenschutzmitteln auf Neonicotinoid-Basis durch alternative Methoden. Abgelehnt wurden weiters Vorschläge Wolfgang Pirklhubers, die Themen alternativer Pflanzenschutz und Milchwirtschaft mit ExpertInnen zu beraten.   

Eine FPÖ-Initiative auf Vorlage eines Wildschadensberichts an den Nationalrat nahm der Ausschuss hingegen einstimmig an. Auf der Tagesordnung standen darüber hinaus eine Reihe weiterer Anträge der Opposition, die bei der Abstimmung ebenfalls vertagt wurden. So mahnten die Grünen ein Verbot des Pestizids Glyphosat ein und brachten in einem weiteren Vorstoß ihre Bedenken gegen TTIP zum Ausdruck. Das Team Stronach schließlich nahm in mehreren Anträgen einen neuerlichen Anlauf für eine strenge Herkunftskennzeichnung von Fleisch und für ein Qualitätssiegelgesetz.

Emotionsgeladene Debatte über die Zukunft der Milchbetriebe

Nicht locker lässt die Opposition mit ihrem Maßnahmenkatalog zur Absicherung der österreichischen Milchbetriebe im Gefolge des Wegfalls der EU-Milchquoten. Das von den Agrarsprechern Wolfgang Pirklhuber (G), Harald Jannach (F), Josef Schellhorn (N) und Leopold Steinbichler (T) gemeinsam eingebrachte "Milchpaket" (1047/A(E)) enthält als zentralen Punkt die Forderung nach einer Branchenvereinbarung, die jedem Milcherzeuger für die ersten 65.000 Liter Milch einen garantierten Mindestpreis gewährleistet, der sich an einer Vollkostenrechnung und an nachvollziehbaren Qualitätsparametern orientiert. Nachdem die Initiative bereits in der letzten Ausschusssitzung vertagt worden war, ließ auch die aktuelle Debatte keine Änderung der divergierenden Standpunkte erkennen.

Wohl räumte Walter Schopf (S) ein, dass die Abschaffung der Milchquote große Veränderungen und Probleme hervorgerufen habe. Es sei aber noch zu prüfen, wer die Verlierer und wer die Gewinner der neuen Situation seien, sagte Schopf und schlug vor, den Antrag zu vertagen. "Die neue Situation ist unerträglich", entgegnete Leopold Steinbichler (T). Der Milchpreisverfall und die Millionenverluste von Milchbauern, die in den Quotenkauf investiert haben, zeige dies deutlich. Steinbichler ortete einen Sieg der Milchwirtschaft über nachhaltig produzierende MilchbäuerInnen und kritisierte den zunehmenden Import von Milchersatzprodukten aus dem Ausland. "Den Milchbauern geht es schlecht", klagte der Abgeordnete. Steinbichler forderte eine Vollkostenrechnung in der Milchproduktion und eine bessere Information der KonsumentInnen. 

"Es ist eng geworden für die MilchbäuerInnen", sagte auch Wolfgang Pirklhuber (G). Die Nahrungsmittelindustrie setze zunehmend auf Produkte aus Palmfett und Milchpulver, warnte Pirklhuber und appellierte an den Landwirtschaftsminister, nach dem Vorbild Kanadas die Interessen der Milchbauern durch eine Branchenvereinbarung zu bündeln. Da die Milchpreise weiter fallen, seien Maßnahmen zur Stabilisierung unbedingt erforderlich. Für unverständlich hielt Pirklhuber die Haltung der SPÖ, die auf eine Deregulierung der Märkte für Milchproduzenten setze. Pirklhuber beantragte die Einsetzung eines Unterausschusses mit ExpertInnen und Vertretern der MilchbäuerInnen.

Kopfschütteln löste der Antrag bei Abgeordnetem Norbert Sieber (V) aus. Er würde die Struktur der Milchproduktion und die verarbeitenden Betriebe zerstören und die Bauern ruinieren, weil er lediglich auf Umverteilung zwischen großen und kleinen Betrieben setze und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtsystems gefährden würde.

Bei der Abstimmung lehnte die Regierungsmehrheit Pirklhubers Forderung nach Einsetzung eines Unterausschusses ab und vertagte den Vierparteienantrag.

Bienenschutzpaket der Grünen wird vertagt

Unter dem Eindruck zahlreicher wissenschaftlicher Studien, die von einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Neonicotinoid und dem Bienensterben ausgehen, fordern die Grünen in einem Bienenschutzpaket (1145/A(E)) nun einen dauerhaften Ersatz von Pflanzenschutzmitteln auf dieser Wirkstoffbasis durch alternative Methoden auch über das mit Oktober 2016 befristete österreichische Neonicotinoid-Verbot hinaus. Auf europäischer Ebene wiederum sieht Agrarsprecher Wolfgang Pirklhuber den Landwirtschaftsminister aufgerufen, für eine Verlängerung der bestehenden Neonicotinoid-Verbote und insgesamt für eine Ausweitung der Verbote von bienengefährlichen Pestiziden einzutreten.

Wolfgang Pirklhuber (G) argumentierte mit Unterstützung von Leopold Steinbichler (T) für ein Expertenhearing über kostengünstige Alternativmethoden zum Pflanzenschutz auf der Grundlage von Neonicodinoiden. Der Antrag der Grünen wurde auf Vorschlag des Abgeordneten Norbert Sieber (V) mit der Mehrheit der Koalitionsparteien vertagt, nachdem
Sieber darauf hingewiesen hatte, dass die Anliegen der Grünen bereits umgesetzt und von der Realität überholt seien. Diese Ansicht bedauerten Leopold Steinbichler (T) und Josef Riemer (F) ausdrücklich. Steinbichler problematisierte die Auswirkungen von Flugzeugkerosin auf die Bienen und kritisierte den Einsatz von Rasenrobotern, die die Wiesen in den Gärten kurz halten und damit den Bienen die Nahrungsbasis entziehen. Josef Riemer plädierte nachdrücklich dafür, alternative Pflanzenschutzmittel zu entwickeln.

Manfred Hofinger (V) wies darauf hin, dass die Überzüchtung von Bienen in Richtung mehr Honig und geringere Aggressivität den Völkern geschadet habe. Franz Eßl (V) wiederum machte Witterungseinflüsse und die Varroa-Milbe für das Bienensterben verantwortlich. Eßls Fraktionskollege Jakob Auer schlug mit Unterstützung Pirklhubers vor, Landmaschinen, insbesondere Mähdrescher zu entwickeln, die die Verbreitung von Unkrautsamen eindämmen, um die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln reduzieren zu können. An dieser Stelle forderte Wolfgang Pirklhuber (G), Investitionen in alternative Landmaschinentechnik in das Förderungsprogramm der ländlichen Entwicklung aufzunehmen.

Umweltminister Andrä Rupprechter hielt das von den Grünen vorgeschlagene Bienenschutzpaket für nicht notwendig, weil ein österreichisches Bienenschutzprogramm umgesetzt werde. Der Zustand der Bienenvölker habe sich verbessert, sagte Rupprechter und nannte es sein Ziel, die Zahl der Bienenvölker in Österreich auf 400.000 zu steigern. Rupprechter informierte über die Züchtung robuster Bienen, die Erhaltung und Anlage von Bienenweiden und Blühflächen sowie über die Unterstützung von Imkern und Imkernachwuchs - dafür stünden 5 Mio. € zur Verfügung. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wurde seit 1990 um 30% reduziert, berichtete Rupprechter und bekannte sich zur Fortsetzung dieses Weges durch Einsatz integrierter Pflanzenschutzmethoden sowie von Nützlingen und durch Förderung der Fruchtfolgewirtschaft. Die Beschränkungen beim Einsatz von Neonicodinoiden bleiben aufrecht, außer neue Erkenntnisse würden neue Maßnahmen erfordern, teilte Rupprechter mit.

Abschließend räumte Wolfgang Pirklhuber als Antragsteller ein, dass die Ursachen des Bienensterbens vielfältig seien, beim Bienenschutz tatsächlich bereits einiges geschehen sei und österreichische Getreideprodukte glyphosatfrei seien, man könne aber nicht ausschließen, dass die EU Neonicodinoide wieder zulasse.

Grüne fordern Verbot von Glyphosat

Abermals aufgerufen wurde ein Antrag der Grünen (1060/A(E)), in dem Wolfgang Pirklhuber auf ein Verbot von glyphosathältigen Pflanzenschutzmitteln drängte, wobei sich der Agrarsprecher der Grünen auf die WHO beruft, die dieses Pestizid als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hatte. Der Antrag wurde auf Vorschlag des Abgeordneten Erwin Preiner (S) mehrheitlich vertagt, der in der Debatte darauf hinwies, dass die Verwendung von Glyphosat von 400.000 Tonnen jährlich auf 170.000 Tonnen reduziert wurde und man vor weiteren Entscheidungen eine bevorstehende EU-Bewertung abwarten sollte. Auch die ÖBB setzten mit Detektorzügen auf eine weiter Reduzierung beim Einsatz von Glyphosat auf Gleisbetten. Pirklhuber zeigte sich erschüttert darüber, dass die ÖBB weiterhin Glyphosat einsetzten und stellte die Frage, ob sie dazu berechtigt seien. Hermann Schultes (V) äußerte Zweifel an der Behauptung, dass die krebserregende Wirkung glypghosathältiger Pflanzenschutzmittel tatsächlich nachgewiesen seien.

Team Stronach will strikte Herkunftskennzeichnung bei Fleisch

Leopold Steinbichler (T) sorgte mit einem Bündel von Anträgen dafür, dass das Thema Herkunftskennzeichnung auch weiterhin auf der Tagesordnung der österreichischen Agrarpolitik bleibt. Der Landwirtschaftssprecher des Teams Stronach verlangte einmal mehr strikte Regeln für die Kennzeichnung von Fleisch mit dem AT-Stempel (158/A(E)) und will darüber hinaus auch bei Fleisch in verarbeiteten Produkten sicherstellen, dass "Österreich drin ist, wo Österreich drauf steht" (959/A(E)). Zudem rief der zur Einführung einer Qualitätspartnerschaft für heimische Gastronomiebetriebe auf (1184/A(E)) und erneuerte seine Forderung nach einem Qualitätsgütesiegel-Gesetz für Lebensmittel (645/A(E)).

Manfred Hofinger (V) beurteilte die Anträge grundsätzlich positiv, sah Österreich bei der freiwilligen Qualitätsauszeichnung auf gutem Weg und machte Erfolge des AMA-Gütesiegels und des Biogütesiegels aufmerksam, die von den KonsumenInnen gut angenommen würden. Weitere Kennzeichnungen würden nicht für mehr Klarheit auf dem Markt sorgen, meinte Hofinger, der mit Unterstützung der Regierungsparteien für eine Vertagung diese Anträge eintrat.

Demgegenüber drängte Antragsteller Leopold Steinbichler (T) auf ein seit 2008 gefordertes österreichisches Qualitätsgütesiegelgesetz im Interesse regionaler Lebensmittelproduktion mit hoher Qualität sowie im Interesse von Arbeitsplätzen, Umwelt und der heimischen Landwirtschaft. Wolfgang Pirklhuber (G) schloss sich Steinbichler an und unterstützte dessen Forderung nach Qualitäts- und Herkunftssicherung. Pirklhuber kritisierte, dass mit der österreichischen Fahne für Lebensmittelprodukte geworben werde, in denen kein österreichisches Produkt enthalten sei. Leopold Steinbichler (T) nannte als Beispiel offizielle Gala-Diners in Österreich, bei denen von der Suppe bis zur Nachspeise nicht ein einziges Produkt eines österreichischen Bauern auf den Teller und ins Glas komme, weil zunehmend Fleisch aus Neuseeland oder Lateinamerika und auch Wein aus Übersee importiert werde. 

Grüne bleiben bei ihren Vorbehalten gegen TTIP

Schließlich lag dem Ausschuss ein Antrag (230/A(E)) vor, in dem die Grünen ihre Bedenken gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP untermauern und mehr Transparenz sowie eine Ausklammerung des Kapitels Landwirtschaft aus dem Vertragswerk fordern.

In der Debatte verlangte Abgeordneter Harald Jannach (F) vom Landwirtschaftsminister Informationen über den Stand der TTIP-Verhandlungen. Hermann Gahr (V) sprach von einer aktuellen Diskussion, die kritisch zu führen sei, ohne zu übersehen, dass sich Österreich der Herausforderung TTIP stellen sollte. Gahr macht darauf aufmerksam, dass die Information geregelt sei, ernsthaft verhandelt werde und berechtigte Bedenken der Menschen berücksichtigt würden. Es gelte Betroffene mitzunehmen und für Transparenz zu sorgen.

Erwin Preiner (S) machte auf eine ausführliche TTIP-Debatte im Petitionsausschuss aufmerksam und forderte, ein wachsames Auge auf die Aufrechterhaltung einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft auf Basis von Familienbetrieben und regionaler Agrarproduktion zu haben. Die geplanten Schiedsgerichte bezeichnete Preiner als offenen Punkt und ein großes Fragezeichen. Der Ansage der Deutschen Bundeskanzlerin Angele Merkel, die TTIP-Verhandlungen seien 2015 abzuschließen, widersprach Preiner. Seinen Vertagungsantrag begründete der Abgeordnete mit dem Hinweis auf bevorstehende Beratungen im EU-Parlament und eine Debatte mit dem zuständigen EU-Kommissar im kommenden Oktober.

Wolfgang Pirklhuber (G) sah das Hauptinteresse der USA bei TTIP in einer Ausweitung ihres Agrarexports in die Europäische Union. Leopold Steinbichler (T) befürchtete Verschlechterungen bei den Sozialstandards durch TTIP und hielt es für falsch, von Exportchancen österreichischer BiobäuerInnen nach USA zu sprechen - tatsächlich würden laut Steinbichler 80% der Bioprodukte in Österreich importiert.

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter informierte die Abgeordneten über die Ausstattung von US-Präsident Barack Obamas mit einem alleinigen Verhandlungsmandat für das transatlantische und das transpazifische  Freihandelsabkommen durch den US-Kongress, wobei die Priorität Obamas beim transpazifischen Handel liege. Beim Thema Land- und Forstwirtschaft habe sich am der europäischen Position nichts geändert. Das Kernprinzip der europäischen Verhandlungsposition sei das Selbstbestimmungsrecht (Right to Regulate). Wachsende Exportchancen durch transatlantischen Freihandel sah der Landwirtschaftsminister bei Produkten wie Käse, Wein und Umwelttechnologie. Auch Biobauern, von denen es in Österreich mehr gebe als in den USA könnten mit mehr Exportchancen rechnen, sagte Rupprechter.

FPÖ-Initiative auf Vorlage eines Wildschadensberichts an den Nationalrat einstimmig angenommen

Durchsetzen konnte sich die FPÖ mit ihrer Forderung (1181/A) auf Vorlage eines jährlichen Wildschadensberichts an das Parlament. Agrarsprecher Harald Jannach betonte, es gehe ihm nicht um ein Ausspielen von Jägern und Grundbesitzern, sondern vielmehr darum, eine sachliche Diskussion auf Basis von Fakten und Daten zu ermöglichen. Der Antrag wurde von den Sprechern aller Fraktionen begrüßt und erhielt einhellige Zustimmung. (Schluss) hof/fru