Parlamentskorrespondenz Nr. 807 vom 08.07.2015

Nationalrat: Umweltinformationsnovelle bringt mehr Transparenz

Klimaschutzdebatte zu Emissionszertifikategesetz und Kyoto-Prozess

Wien (PK) - Umweltrelevante Informationen sollen leichter zugänglich werden – in diesem Sinne beschloss heute der Nationalrat eine Novelle zum Umweltinformationsgesetz. Geregelt werden darin auf Grundlage von Vorgaben der Europäischen Union nicht nur der Umgang mit gefährlichen Stoffen wie bestimmten Chemikalien in Industrieanlagen, sondern auch die transparente Darstellung von Gefahrenpotentialen und Sicherheitsmaßnahmen durch den Anlagenbetreiber.

Hauptthema im Umweltteil der Plenardebatte war aber der Klimaschutz. Gebilligt wurde mit Stimmenmehrheit in diesem Zusammenhang eine Änderung des Emissionszertifikategesetzes, die in Anlehnung an EU-Bestimmungen die Verhandlungen über ein Internationales Abkommen zur Verringerung der Flugverkehrsemissionen erleichtern soll. Konkret wird bei Flugzeugbetreibern der Zertifikatehandel für Treibhausgasemissionen bis 2016 auf innereuropäische Flüge beschränkt.

Zudem bekannte sich der Nationalrat zur Fortsetzung des Kyoto-Prozesses, wie in Doha 2012 beschlossen. Am weiteren Kyoto-Prozess beteiligt sich auch Island. Die entsprechende Vereinbarung wurde ebenfalls genehmigt. Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit ihrem Vorstoß nach einem ambitionierterem Klimaschutzmaßnahmenprogramm in Österreich.

Umweltinformationen: Öffentlichkeit soll besseren Zugang erhalten

Die kürzlich in Kraft getretene EU-Richtlinie zur Beherrschung von Gefahren bei schweren Unfällen in Anlagen, in denen gefährliche Stoffe lagern, vulgo "Seveso III", erfordert Änderungen im Umweltinformationsgesetz. Anlagenbetreiber müssen über ihre Vorkehrungen und ihr Verhalten bei schweren Unfällen im Internet informieren. Verbessert wird auch der Rechtsschutz für die Öffentlichkeit beim Zugang zu Umweltinformationen, indem die Entscheidungsfrist der Behörden bei Überprüfungsverfahren von sechs auf zwei Monate verkürzt wird.

Die Ausweitung des Informationsrechts wurde von allen RednerInnen unisono begrüßt. Die Grünen und das Team Stronach kritisierten jedoch, dass Umweltinformationen im Fall einer Gefährdung internationaler Beziehungen nicht weitergegeben werden dürfen. "Wovor müssen diese geschützt werden?", stellte Ulrike Weigerstorfer (T) die Frage in den Raum und mutmaßte, dass dies unter anderem auch mit TTIP zusammenhängen könnte. Die Grünen verlangten daher auch zu diesem Punkt eine getrennte Abstimmung, um in Zweiter Lesung dagegen votieren zu können, in Dritter Lesung aber dem Gesetz ihre Zustimmung zu geben.

Laut Christiane Brunner (G) sind die Änderungen im Gesetz generell zu begrüßen und in diesem Sinne sprach sie auch von einem "guten Tag für das Umweltrecht". Besonders begrüßte sie den Rechtsschutz gegen Auskunftsverweigerung und freute sich, dass in der Regierungsvorlage diesbezüglich positive Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Ministerialentwurf vorgenommen wurden. BürgerInnen werde es erleichtert, eine verlässliche Auskunft zu bekommen, beziehungsweise müsse die Auskunftsverweigerung begründet werden, so Brunner.

Begrüßt wurde der erhöhte Rechtsschutz und die verbesserten Informationsverpflichtungen auch von den Rednern der SPÖ und ÖVP. Damit werde die Aarhus-Konvention gestärkt, unterstrich Johann Höfinger (V). Rudolf Plessl (S) hob die Pflicht zur Veröffentlichung von Verhaltensregeln bei Unfällen hervor und zeigte sich zufrieden, dass bei der Inspektion von Betrieben strengere Maßstäbe angelegt werden.

Auch seitens der NEOS fand das Gesetz uneingeschränkte Unterstützung, da die Prozesse nun rascher ablaufen, wie Michael Pock bemerkte.

Sowohl Pock als auch Brunner machten jedoch darauf aufmerksam, dass zur vollständigen Umsetzung der Aarhus-Konvention weitere Gesetzesänderungen erforderlich sind. Darauf reagierte Umweltminister Andrä Rupprechter mit der Bemerkung, der Hauptteil der Säumigkeit liege bei den UmweltlandesrätInnen, und die seien in fünf Bundesländern mit Grünen besetzt. Naturschutz sei selbstverständlich Landesangelegenheit, konterte daraufhin Wolfgang Pirklhuber, man dürfe aber Säumigkeit des Bundes nicht auf jene der Länder aufrechnen.

Als eine Verbesserung des Rechtsschutzes bezeichneten die RednerInnen der Fraktionen mit Ausnahme der FPÖ auch die Verkürzung der Maximalfrist für die Erlassung von Bescheiden von sechs auf zwei Monate, was auch seitens des Ministers bekräftigt wurde. Im Gegensatz dazu meinte Susanne Winter (F), dadurch könnte es zur Verzögerung von Projekten kommen. Die Vorlage wurde schließlich nach einer getrennten Abstimmung in Zweiter Lesung in Dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Klimaschutz: Internationale Einigung soll vorangetrieben werden

Die Änderung des Emissionszertifikategesetzes führte zu einer kontroversen Diskussion über den Zertifikatehandel. Während die FPÖ einen solchen grundsätzlich ablehnte, die Grünen auf eine Zweckbindung der eingenommenen Gelder für die Klimafinanzierung pochten, traten vor allem ÖVP und NEOS dafür ein, die Balance zwischen Umweltschutz und Wirtschaftspolitik zu wahren.

Das gegenständliche Gesetz behebt Widersprüche zwischen der EU-Verordnung und heimischem Recht sowie Mängel bei der Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie. Für Flugunternehmen mit weniger als 25.000 t CO2-Emissionen pro Jahr werden die Emissionsmeldungen wesentlich vereinfacht, generell wird der Zertifikatehandel für Luftfahrtunternehmen auf Flüge innerhalb Europas beschränkt. Die Vorlage wurde schließlich mehrheitlich angenommen.

Werner Neubauer (F) argumentierte, seine Fraktion lehne den Handel mit Zertifikaten deshalb ab, weil die Umwelt damit nicht geschützt werde. Der handel diene nur jenen, die damit ein Millionengeschäft machen. Für ihn ist es erwiesen, dass Atomstrom in Nicht-EU-Ländern reingewaschen wird, womit wieder der Bau von Atomkraftwerken gefördert werde. Grundsätzlich begrüßte er aber die Klage gegen das geplante Atomkraftwerk Hinkley-Point in Großbritannien.

Ebenfalls gegen das Gesetz votierten die Grünen, jedoch aus anderem Grund. Wie Christiane Brunner erläuterte, sind für sie die vorgenommenen Änderungen in Ordnung, sie seien nur viel zu gering. Die Grüne Umweltsprecherin kritisierte vor allem, dass die Einnahmen aus dem Zertifikatehandel nicht für den Klimaschutz zweckgebunden werden, obwohl dies die EU-Richtlinie empfiehlt und obwohl Österreich große Probleme bei der Klimafinanzierung habe. Sie drängte mit Vehemenz darauf, wesentlich mehr Mittel bereitzustellen, denn die vorgesehenen 20 Mio. € sind für sie eine "Schande".

Dem widersprach Michael Pock von den NEOS heftig und warnte vor einer Auslagerung der Wirtschaft aus Österreich und Europa. Die österreichischen Unternehmungen würden ihre Aufgaben machen, sagte Pock, ein zusätzlicher Druck wirke kontraproduktiv. Ähnlich reagierte Georg Strasser (V), der meinte, Umwelt sei genauso wichtig wie die Erhaltung des Wirtschaftsstandorts, denn dabei gehe es um Arbeitsplätze.

Grundsätzlich brach Strasser eine Lanze für den Zertifikatehandel, da damit den großen Betrieben mehr Flexibilität ermöglicht werde. Außerdem, so Strasser in Richtung Christiane Brunner, müsse man den Blick auf das Ganze werfen, wenn man etwas erreichen will.

Eine positive Bilanz der österreichischen Umweltmaßnahmen zog auch Harry Buchmayr (S). Man habe eine deutliche Verringerung der Emissionen im Flugverkehr erreichen können, sagte er und wies auf große Einsparungen beim Treibstoff in den letzten Jahren hin. Grundsätzlich sei der Flugverkehr für 13 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, der europäische Flugverkehr produziere nur 0,5 Prozent der Emissionen.

FPÖ spricht bei Klimawandel von Lügenlegende

Zu einer breiten Klimaschutzdebatte gab das vorliegende Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen Anlass. Der Kyoto-Prozess zur Reduktion von Treibhausgasen soll gemäß der Vereinbarung von 2012 in Doha fortgesetzt werden. Auf die erste Kyoto-Periode (2008 bis 2012) soll nun eine zweite mit weiteren Emissionsreduktionen (2013 bis 2020) folgen. Dazu haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten vereinbart, ihre Reduktionsverpflichtungen gemeinsam zu erfüllen, indem sie ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 (gegenüber 1990) um 20% senken. Inhaltlich ist Österreich bereits durch EU-Recht zu den in Doha vereinbarten Emissionsreduktionen verpflichtet, konkrete Maßnahmen enthalten das 2009 beschlossene Klima- und Energiepaket, das 2020 evaluiert werden wird, sowie das Emissionszertifikategesetz und das Klimaschutzgesetz. Die Fortsetzung des Kyoto-Prozesses wurde mit breiter Mehrheit begrüßt. Auch die Vereinbarung über die Beteiligung Islands fand allgemeine Zustimmung.  

Gleich zu Beginn dieser Debatte provozierte die Umweltsprecherin der FPÖ mit der Bemerkung, es gebe keinen wissenschaftlichen Beweis für einen von Menschen verursachten Klimawandel. Der Weltklimarat sei ein politisches Gremium und das Klima habe sich immer geändert, auch ohne Zutun der Menschen. Die FPÖ bekenne sich zum Umweltschutz, zum Tierschutz und zum Heimatschutz und fordere in der Klimadebatte Vernunft und die Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse ein. Die Diskussion um den Klimawandel hält sie daher für eine Lügenlegende. Winter habe mit dieser Aussage die klima- und umweltpolitische Debatte der Freiheitlichen in die Steinzeit zurückgeführt, reagierte darauf Umweltminister Andrä Rupprechter, und Hannes Weninger von der SPÖ zeigte sich "schockiert".

Grüne wollen ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen – Koalition weist auf erfolgreiche Klimapolitik hin

Aus einem anderen Grund stieß die Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner auf Widerstand beim Minister. Brunner bezog sich dabei auf ihren Antrag, der mitverhandelt und schließlich abgelehnt wurde. Darin fordern die Grünen ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm ein. Laut Brunner reichten die Klimaschutzmaßnahmen Österreichs bei weitem nicht aus, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Österreich sollte seinen Energieverbrauch im Vergleich zu 2010 um 40% senken, den Anteil erneuerbarer Energieträger auf 45% erhöhen und die CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55% reduzieren, geht es nach den Grünen. Das bestehende Maßnahmenpaket Österreichs bewertete Brunner als viel zu gering, damit könne man keinesfalls die Ziele 2020 erreichen, vielmehr lande man beim Start im Jahr 1990. Brunner machte darauf aufmerksam, dass die Treibhausgasemissionen bis 2050 gegen Null gehen sollen und daher müsse man bereits jetzt Maßnahmen setzen, was nicht nur umweltpolitisch, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn man erst 2021 beginnt, dann werde das ganze nämlich sehr teuer, warnte Brunner.

In einer Vielzahl von Berichten sei nachzulesen, wie positiv sich die Maßnahmen Österreichs ausgewirkt haben, entgegnete ihr Hannes Weninger (S), der auf das Maßnahmenpaket hinwies, das Bund und Länder zur Erreichung der Verringerung der Treibhausgase bis 2020 beschlossen haben. Dabei hätten auch die Grünen in den Ländern mitgestimmt, sagte Weninger. Ähnlich Johann Rädler, der an die Einsparung von 330.000 Tonnen Emissionen und Investitionen von 28 Mrd. € in den letzten Jahren erinnerte. Damit hätten viele sogenannte green jobs geschaffen werden können. Auch Bundesminister Rupprechter zog eine positive Bilanz der österreichischen Klimapolitik mit Hinweis auf den Rückgang fossiler Energieträger. Nikolaus Berlakovich (V) warf Brunner destruktive Politik vor.

Josef Lettenbichler (V) unterstrich die Vorreiterrolle der österreichischen Industrie bei der Vermeidung von Emissionen und hob in diesem Zusammenhang insbesondere die Zementindustrie hervor, die innerhalb Europas um 15 Prozent weniger Emissionen produziere als die anderen europäischen Zementbetriebe. Einmal mehr warnte er davor, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gefährden und unterstrich, dass der Spagat zwischen ambitionierten Klimaschutzzielen und der Sicherung des Wirtschaftsstandortes zu bewältigen sei.

Rupprechter zuversichtlich, dass es zu einem globalen Klimaschutzabkommen in Paris kommt

Grundsätzlich zeigte sich Bundesminister Rupprechter zuversichtlich, dass bei den kommenden Verhandlungen in Paris ein universelles Klimaschutzabkommen gelingen werde. Auch wenn es derzeit keine Fortschritte auf Beamtenebene gebe, hätten sich doch maßgebende Verhandlungspartner wie China und die USA bewegt. Rupprechter führte dies auf das einheitliche konsequente Vorgehen der EU zurück. Wir wollen ambitionierte und verbindliche Weltklimaziele und dafür gelte es, Verbündete zu suchen, machte auch Hannes Weninger (S) klar. In diesem Zusammenhang bezeichnete Nikolaus Berlakovich (V) die Vereinbarung von Doha als wichtige Voraussetzung für ein globales Abkommen und auch als wichtiges Signal an die Entwicklungsländer. Michael Pock appellierte an den Minister für den Green Climate Fund mehr als 20 Mio. $ zur Verfügung zu stellen. (Fortsetzung Nationalrat) jan