Parlamentskorrespondenz Nr. 810 vom 09.07.2015

Brandstetter: Österreich hat sich modernen Strafvollzug verdient

Fragestunde zu aktuellen Reformvorhaben und Maßnahmen im Justizbereich

Wien (PK) – Mit einer umfangreichen Themenpalette sah sich heute Justizminister Wolfgang Brandstetter in der Fragestunde des Nationalrats konfrontiert, die von den Personalproblemen im Strafvollzug bis hin zum geplanten Instrument der Sammelklage reichte. Der Ressortchef informierte die Abgeordneten ausführlich über aktuelle Vorhaben und legistische Weiterentwicklungen wie z.B. im Erbrecht und kündigte an, dass sich aufgrund der kompletten Neuordnung des Strafvollzugs in Hinkunft sehr viel ändern werde.

Sukzessive Aufstockung des Personals im Strafvollzug gewährleistet

Gegenüber dem FPÖ-Mandatar Christian Lausch wies der Minister darauf hin, dass die für sein Ressort vorgesehenen zusätzlichen 100 Planstellen bald besetzt werden. Da der Beruf des Justizwachebeamten eine fundierte Ausbildung erfordere, konnten bis dato erst 27 Personen zugewiesen werden. Die Aufstockung des Personals werde aber kontinuierlich weitergehen, wobei natürlich jene Bereiche vorrangig behandelt werden, wo es den dringendsten Bedarf gibt. Sehr gut bewährt habe sich auch das Mobilitätsprogramm des Bundes, konstatierte Brandstetter, von Seiten des Verteidigungsressorts werden nun sogar zusätzliche 30 Personen bereit gestellt. Generell versicherte er dem Fragesteller, dass sich mit der kompletten Neuorientierung des Strafvollzugs, die u.a. die Einrichtung einer Generaldirektion beinhaltet, sehr viel ändern werde; dies sei auch notwendig.

Notwendige Modernisierungen im Strafrecht und bei Sexualdelikten

Erfreut zeigte sich Brandstetter über die vorgestern beschlossene Reform des Strafrechts (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 789) und stimmte mit Abgeordneter Eva-Maria Himmelbauer (V) darin überein, dass die Balance der Strafrahmen zwischen Vermögensdelikten und Delikten gegen Leib und Leben verbessert werden konnte. Darin enthalten sei u.a. der neue Tatbestand Cyber-Mobbing, mit dem ein wichtiges Signal gesetzt wurde.

Die von Nikolaus Scherak (N) angesprochene Studie der Uni Ulm aus 2011 betreffend die mangelnde Qualität von Gutachten zur Zurechnungsfähigkeit und Gefährlichkeitsprognose von Sexualstraftätern nehme sein Ressort sehr ernst, erklärte der Justizminister. Er räumte auch ein, dass es im Bereich der Sachverständigen und deren Bestellung wirklich Probleme gibt, die es zu lösen gilt. Als erster wichtiger Schritt wurde in der neuen Generaldirektion eine eigene Kompetenzstelle für Maßnahmenvollzug geschaffen, um diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ansetzen müsse man auch bei der Qualitätskontrolle von richterlichen Gutachten, pflichtete der Minister dem Abgeordneten Albert Steinhauser (G) bei, hier wurden schon erste Maßnahmen eingeleitet. Die angestrebte maßvolle Erhöhung der Vergütungen für die Sachverständigen konnte leider noch nicht umgesetzt werden.

Im Hinblick auf eine Frage von Christoph Hagen (T) zum Thema "Po-Grapschen" stellte Brandstetter grundsätzlich fest, dass die beschlossene Verschärfung des Sexualstrafrechts sehr sinnvoll ist. Richtig sei jedoch, dass die Frage, wie man die notwendige Erweiterung des Tatbestands sexuelle Belästigung konkret ausformulieren soll, nicht einfach zu beantworten war. Es wurde dann im Konsens eine gute Lösung gefunden, die einerseits die rechtstaatlichen Anforderungen erfüllt und andererseits das kriminalpolitisch sehr wohl sinnvolle Anliegen entsprechend umsetzt, war der Minister überzeugt. Er glaube auch nicht, dass der neue Tatbestand in der praktischen Vollziehung Schwierigkeiten machen wird.

Ebenso wie die Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) hielt es der Minister für wichtig, dass bei Wegweisungen nach dem Gewaltschutzgesetz die Täterarbeit forciert und die Zusammenarbeit mit anderen Behörden optimiert werden müsse. Die Innenministerin habe bereits zu einem runden Tisch eingeladen, wo es um die weitere Verbesserung der bestehenden Vernetzung zwischen den Ressorts und den jeweiligen Kompetenzträgern gehen soll.

Erbrechtsreform sichert Weiterbestand von Betrieben

Der Minister informierte die MandatarInnen über die zentralen Inhalte der Erbrechtsform (Parlamentskorrespondenz Nr. 787), wie etwa die Beseitigung des Pflichtteilsrechts für die Vorfahren oder die Stärkung des Ehegattenrechts. Außerdem wurde im Sinne des Erhalts von wirtschaftlichen Einheiten (Kleinunternehmen, Familienbetriebe etc.) die Möglichkeit zur Stundung von Pflichtteilsansprüchen geschaffen. Ein echtes Novum stellt die Berücksichtigung von Pflegeleistungen von Verwandten dar, hob der Minister hervor.

Instrument der Sammelklage soll noch in dieser Legislaturperiode kommen

Justizminister Wolfgang Brandstetter stimmte mit Johannes Jarolim (S) überein, dass das Instrument der Sammelklage so bald wie möglich umgesetzt werden sollte. Es müsse eine vernünftige Lösung für die Massenverfahren gefunden werden, da die Belastung der Richterschaft in diesem Bereich bereits sehr hoch sei. Auch wenn es derzeit keine Einigung gibt, zeigte sich der Minister optimistisch, dass noch in der laufenden Gesetzgebungsperiode ein Entwurf eingebracht wird.

Brandstetter wünscht sich Modernisierung des Mietrechts

Den Abgeordneten Albert Steinhauser (G) und Philipp Schrangl (F) gegenüber, die auf die stark gestiegenen Mietpreise in den letzten Jahren hinwiesen, gab Brandstetter zu bedenken, dass sein Ressort nur für die zivilrechtlichen Fragen in diesem Bereich zuständig ist. Außerdem müsse zunächst ein politischer Grundkonsens gefunden werden, um weitere Reformschritte setzen zu können. Eine Modernisierung und Vereinheitlichung des Mietrechts sei aus seiner Sicht aber dringend notwendig.

Minister sieht Verbesserungsbedarf bei der Frage der Sachwalterschaft

Brandstetter teilte die Ansicht der Abgeordneten Gertrude Aubauer (V), dass es vermutlich in zu vielen Fällen zu einer Besachwalterung von Personen komme. Sein Ressort überlege ernsthaft, die Möglichkeiten im Bereich der Angehörigenvertretung zu erweitern und bei der Vorsorgevollmacht etwas zu tun. Außerdem gibt es seit März 2014 ein Modellprojekt mit Titel "Unterstützung zur Selbstbestimmung", zeigte der Minister auf.

Schließlich ging der Minister noch auf die von ÖVP-Mandatar Friedrich Ofenauer angesprochene Whistleblower-Homepage ein, die bisher im Probebetrieb gelaufen ist. Da sich das System sehr bewährt habe, wurde es nun in den Regelbetrieb übernommen; die entsprechende gesetzliche Grundlage wurde durch eine Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes geschaffen. (Fortsetzung Nationalrat) sue