Parlamentskorrespondenz Nr. 851 vom 23.07.2015

Bundesrat beschließt Maßnahmen gegen den Sozialbetrug

Teilpension soll ältere Menschen länger in Beschäftigung halten

Wien (PK) – Nach der ausführlichen Debatte über die Probleme älterer Menschen am Arbeitsmarkt, befasste sich die Länderkammer abermals mit wichtigen sozialpolitischen Themen. Auf der Tagesordnung stand u.a. der - mehrheitlich angenommene - Nationalratsbeschluss über die Einführung einer Teilpension , die eine Reduktion der Arbeitszeit zwischen 40 % und 60 % ermöglicht, wobei dem Dienstgeber sowohl der Lohnausgleich als auch die Kosten für die Weiterzahlung der vollen Sozialversicherungsbeiträge ersetzt wird.

Ein weiteren Schwerpunkt bildete die Diskussion über das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz , mit dem vor allem die Identifizierung und Sanktionierung von Scheinfirmen erleichtert werden soll. Im Fokus stehen dabei nicht nur Unternehmen, die ohne die Zahlung von Abgaben, Sozialversicherungsbeiträgen und Löhnen vom Markt verschwinden, sondern auch Firmen, die Scheinanmeldungen bei der Sozialversicherung vornehmen und den Angemeldeten damit zu ungerechtfertigten Leistungen verhelfen. Überdies ist vorgesehen, die Haftung für Auftraggeber von Scheinfirmen auszuweiten, die missbräuchliche Verwendung der E-Card durch erweiterte Ausweispflichten weiter zurückzudrängen und Ärzten durch "Mystery Shopping" genauer auf die Finger zu schauen. Das Sozialministerium erwartet sich durch das Paket, das mit Mehrheit den Bundesrat passierte, jährlich Mehreinnahmen von zumindest 250 Mio. €. Mehr als die Hälfte davon soll der Sozialversicherung zugutekommen.

Keinen Einspruch erhob der Bundesrat auch gegen das Gesetz über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten. Dadurch sollen letzte Lücken im Konsumentenschutz geschlossen und im Wege von Schlichtungsstellen Streitigkeiten zwischen VerbraucherInnen und Unternehmen rasch und effizient beigelegt werden.

Hundstorfer: Teilpension bietet neue Chancen für ältere ArbeitnehmerInnen

Es sei grundsätzlich ein guter Ansatz, Menschen länger im Arbeitsprozess zu halten, erklärte Arnd Meißl (F/St). Er bezweifelte jedoch, dass die Teilpension, die de facto eine Erweiterung der Altersteilzeit darstellt, einen echten Fortschritt bringen wird. Wenn man Personen mit Hilfe von Steuergeldern künstlich im Erwerbsprozess hält, erreiche man nichts, sondern beschönige nur die Statistiken. Außerdem wisse er aus eigener Erfahrung, dass manchen Firmen, wie z.B. die Post AG, die Altersteilzeit dazu nutzen, um sich möglichst rasch von älteren MitarbeiterInnen zu trennen. Viel wichtiger wäre es, neue Jobs für die einheimische Bevölkerung und vor allem für die jungen Menschen zu schaffen.

Rene Pfister (S/N) zeigte sich im Gegensatz zu seinem Vorredner sehr zuversichtlich, dass das neue Instrument der Teilpension in der Praxis greifen wird und bei den Menschen ankommt. Das Modell stelle eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten dar. Es sei nämlich gewährleistet, dass nicht nur die ArbeitnehmerInnen ohne Abschläge in die Pension gleiten können, sondern dass auch die Betriebe eine Förderung erhalten. Positiv bewertete Pfister zudem die Invaliditätspension Neu, die Rehabilitationsmaßnahmen vor der Pensionierung beinhalte.

ÖVP-Bundesrat Bernhard Ebner (V/N) pflichtete seinem Vorredner bei, dass die Teilpension beiden Seiten Vorteile bringe. Es gebe viele ArbeitnehmerInnen, die ihre Berufen gerne weiter ausüben würden, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr voll belastbar sind; und genau bei diesem Punkt setze das Gesetz an.

Keine Zustimmung zu dem Gesetz kam von Seiten der Grünen. Efgani Dönmez (G/O) bezeichnete die Teilpension als ein "Unding", das in der Praxis eine zusätzliche und kostenintensive Unterstützung für männliche Arbeitnehmer ist, die ohnehin eine höhere Pension zu erwarten haben. Der zentrale Kritikpunkt seiner Fraktion bestehe darin, dass die Gesellschaft momentan wichtigere Aufgaben habe. Viel sinnvoller wäre es, Menschen ohne Arbeit in Bildungsmaßnahmen oder Beschäftigung zu bringen, merkte Dönmez an, zumal dies auch zu Mehreinnahmen des Staates führt.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer erläuterte noch einmal detailliert die Eckpunkte der Teilpension. Wenn sich ein Arbeitnehmer mit 62 Jahren dazu entschließt, nur mehr 50 % zu arbeiten, dann bekommt er 75 % seines Letztbezugs. Die Firmen erhalten im Gegenzug einen Ausgleich für die Sozialversicherungsbeiträge, damit die Betroffenen weiterhin zu 100 % versichert sind. Dadurch soll ein zusätzliches Angebot an ältere ArbeitnehmerInnen gemacht werden, länger im Erwerbsleben zu bleiben, hob Hundstorfer hervor.

Bundesrat Meißl machte der Minister darauf aufmerksam, dass die Post für die "alten Beamten" eine Spezialregelung "gebastelt" hat. Was die ASVG-Altersteilzeit-Regelung angeht, so wird für die geblockte Variante nur dann bezahlt, wenn für eine Ersatzkraft gesorgt wird. Sollte die Post gegen diese Bestimmung verstoßen, dann hätte man sicher schon längst dagegen prozessiert, bekräftigte Hundstorfer.

Grundsätzliche Zustimmung zum verschärften Kampf gegen Sozialbetrug und Missbrauch von E-Cards

Der freiheitliche Bundesrat Gerd Krusche (F/St) begrüßte grundsätzlich die verschärften Maßnahmen im Kampf gegen den Sozialbetrug, vor allem was die Abgabenhinterziehung durch Scheinfirmen betrifft. Nicht ganz vorstelle könne er sich jedoch, wie das Gesetz exekutiert werden soll, da der Finanzpolizei kein zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt wird. Was den Einsatz von so genannten Mystery Shoppern in Arztpraxen angeht, so handle es sich dabei um ein sehr schweres Geschütz, gab Krusche zu bedenken, das eventuell das Vertrauensverhältnis zwischen PatientInnen und MedizinerInnen gefährden könnte. Leichter wäre es gewesen, endlich Fotos auf den E-Cards anzubringen. Außerdem werden wesentliche Bereiche, wie z.B. Betrugsfälle beim Bezug des Arbeitslosengelds, der Mindestsicherung oder der Familienbeihilfe, bei Doppelstaatsbürgerschaften etc., vom Gesetz nicht erfasst.

Ilse Fetik (S/W) strich die Vorteile des Gesetzespaketes zur weiteren Bekämpfung von Sozialbetrug hervor. Da bei der Erstellung der Vorlage sehr viele ExpertInnen eingebunden waren, sei gewährleistet, dass etwa auch der Datenschutz ausreichend Berücksichtigung fand. Es gehe nicht um Bespitzelungsaktionen, unterstrich Fetik, sondern nur um die Kontrolle des sorgfältigen Umgangs mit Steuergeldern. Beim Mystery Shopping handle es sich zudem um kein neues Instrument, sondern nur um eine Weiterentwicklung einer bestehenden Maßnahme.

ÖVP-Vertreter Bernhard Ebner (V/N) stellte eindeutig klar, dass Steuer- und Sozialbetrug keine Kavaliersdelikte sind. Da Scheinfirmen jährlich Schäden in der Höhe von vielen Millionen Euro anrichten, und zwar in Form von nicht bezahlten Löhnen, Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern, war es notwendig, schärfer dagegen vorzugehen. Positiv beurteilte Ebner die Maßnahmen im Hinblick auf die missbräuchliche Verwendung der E-Cards; er hätte sich aber auch die zusätzliche Ausrüstung mit Fotos gewünscht. Außerdem plädierte er für eine Reform der Mindestsicherung nach dem Vorbild des niederösterreichischen Modells.

Die Grünen stimmen dem Gesetz zu, kündigte Efgani Dönmez (G/O) an, eine intensivere Kooperation zwischen den Behörden in Sachen Sozialbetrug sei absolut notwendig. Eine ähnlich gute Zusammenarbeit würde er sich im Bereich des Fremdenrechts wünschen, um endlich einmal die Spreu vom Weizen trennen zu können. Auch den Einsatz von Mystery Shoppern stand Dönmez positiv gegenüber, da einfach nur überprüft werde, ob die Verrechnungen in Ordnung sind. Er persönlich könnte sich auch die Anbringung von Fotos auf den E-Cards vorstellen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer dankte für die hohe Zustimmung zum Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz. Bezüglich der Anbringung von Fotos auf den E-Cards gab Hundstorfer zu bedenken, dass der bürokratische Aufwand sehr hoch wäre. Es müsse daher ein nachhaltiges und effizientes System entwickelt werden, das möglichst geringe Kosten verursacht und zugleich praktikabel ist.

Den Freiheitlichen hielt der Minister zudem entgegen, dass auch in anderen Bereichen schon viel getan werde. So sei etwa das AMS gezwungen, jährlich 90.000 Arbeitssuchenden den Bezug zu streichen, weil z.B. Termine oder Fristen nicht eingehalten werden. Auch die Mindestsicherung könne sehr wohl gekürzt werden, wenn diverse Handlungen gesetzt werden. Allein das Magistrat in Wien habe im letzten Jahr bei 6.200 BezieherInnen den Bezug einen Monat lang gestrichen, zeigte der Minister auf.

Alternative Streitbeilegung schließt Lücken beim Konsumentenschutz

Ziel des Gesetzes über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten sei der Aufbau eines EU-weites Netzes und die Sicherstellung von einheitlichen Qualitätskriterien, erklärte Ilse Fetik (S/W). Die Schlichtungsstellen stellen eine einfache, effiziente, kostengünstige und niederschwellige Alternative zu den oft teuren und komplizierten Gerichtsverfahren dar, vor denen viele KonsumentInnen bisher zurückgeschreckt sind. Auch ÖVP-Vertreter Gregor Hammerl (V/St) sprach von einem guten Gesetz, da in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft die Gefahren für die KonsumentInnen zugenommen haben. Außerdem werde das Gerichtssystem entlastet und ein wichtiger Schritt in Richtung Wahrung der VerbraucherInneninteressen gesetzt. Da der Konsumentenschutz ein Kernanliegen der Freiheitlichen ist, stimmt seine Fraktion dem Gesetz zu, führte Gerhard Dörfler (F/K) aus. Für besonders wichtig erachtete er, dass die Geschäfte von internationalen Konzerne, die in Österreich getätigt werden, auch hier versteuert werden; auch dies gehöre zum Konsumentenschutz dazu. Für die Grünen erwartete sich Efgani Dönmez (G/O) nun einen verbesserten Zugang der KonsumentInnen zum Recht. Die nun vorliegende Richtlinienumsetzung soll die Erfahrungen des Pilotprojekt berücksichtigen, deshalb werde man dem Gesetz auch zustimmen. (Fortsetzung Bundesrat) sue


Format