Parlamentskorrespondenz Nr. 978 vom 23.09.2015

Grüne thematisieren Vorwürfe gegen FPÖ rund um ideen.schmiede-Causa

Dringliche Anfrage im Nationalrat: Justizminister Brandstetter gibt wenig Auskunft über laufende Ermittlungsverfahren

Wien (PK) – Betrug, Bestechung, Beweismittelunterdrückung, geheime Geldkoffer. Die Liste der Korruptionsfälle unter freiheitlicher Regierungsbeteiligung sei lange, so wie jene von Freiheitlichen, die sich persönlich mit Steuergeld bereichert hätten. So lautete der Vorwurf der Grünen in einer Dringlichen Anfrage im heutigen Nationalrat. Kurz vor den Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien thematisierte Peter Pilz darin mit 57 Fragen an Justizminister Wolfgang Brandstetter laufende und bereits abgeschlossene strafrechtliche Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwalt gegen freiheitliche Funktionäre im "System Strache", wie es in der Dringlichen heißt. Angeführt werden Namen wie jener des ehemaligen freiheitlichen Kärntner Landesparteiobmanns Uwe Scheuch, im Mittelpunkt des Interesses standen aber Vorwürfe gegen FPÖ-Abgeordneten und Generalsekretär Herbert Kickl in Zusammenhang mit möglicher illegaler Parteienfinanzierung rund um die Werbeagentur ideen.schmiede, die schon im Sommer von der Wiener Wochenzeitung "Falter" publik gemacht wurden. Darin veröffentlichte Treuhand- und Rahmenverträge zwischen der Werbeagentur und den Kärntner Freiheitlichen würden auf Kickback-Zahlungen hinweisen, die Faktenlage sei damit klar, so die Auslegung von SPÖ, ÖVP und den NEOS. Laut wurde auch der Vorwurf an Abgeordneten Kickl, seit Aufkommen der Causa kaum bei Nationalratssitzungen anwesend gewesen zu sein.

Wenig Auskunft über laufende Ermittlungsverfahren gab Justizminister Wolfgang Brandstetter preis - das aus Gründen des persönlichen Grundrechts auf Datenschutz und ein faires Verfahren, wie Brandstetter argumentierte. Er selbst sei zwar für Transparenz, aber auch aus ermittlungstaktischen Gründen könne er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sagen. Die FPÖ sieht den Grund für die Dringliche der Grünen in ihrer Angst vor bevorstehenden Wahlergebnissen.

Pilz: FPÖ ist Schlüsselpartei der Korruption in Österreich

"Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die FPÖ die Schlüsselpartei der Korruption in Österreich". Mit diesen Worten von Abgeordnetem Peter Pilz lässt sich der Vorwurf der Grünen gegenüber den Freiheitlichen auf den Punkt bringen. Ihr immer wiederkehrender Kreislauf gehe dabei von der Oppositions- über die Regierungs- bis hin zur Anklagebank, die größten Korruptionsaffären in den letzten Jahren wie BUWOG, Telekom, Novomatic oder die Hypo Alpe Adria seien mit Regierungsbeteiligung der FPÖ geschehen, dem Steuerzahler verloren gegangen seien damit rund 15 Mrd. €, wie Pilz vorrechnete. Die Bilanz sei dabei immer dieselbe: "Die Kassen sind leer und die Staatsanwälte wissen nicht mehr, wie sie mit der Aufarbeitung der Strafffälle nachkommen sollen", so Pilz. Die Folgen dieser "freiheitlichen Misswirtschaft und Korruption" würden in Kärnten zu beobachten sein, dort müssten nämlich etwa Buslinien stillgelegt werden, weil kein Geld mehr da ist.

Geht es um die Causa Kickl rund um die ideen.schmiede, vermutet Pilz "schwarze Kassen in der FPÖ-Bundespartei". "Dieses System, diese Verbindung von Politik und Korruption", wie der Grünen-Abgeordnete sagte, müsse jedenfalls prompt aufgeklärt werden. Das nicht nur strafrechtlich, sondern auch politisch. Es gehe nicht an, diesem unverantwortlichen Umgang mit Steuergeld einfach zuzusehen.

"Es gibt keine Partei, die so viele Strafverfahren in den letzten Jahren gegen ihre Proponenten hatte, wie die freiheitliche Partei", sagte auch Fraktionskollege Albert Steinhauser (G), der in der ideen.schmiede-Causa illegale Parteienfinanzierung vermutete. Hier werde versucht, Geld des Steuerzahlers über den Umweg in nicht zweckgebundenes Parteigeld umzuwandeln, um die "Wirtshaustouren" der FPÖ mit Steuergeld zu finanzieren, so seine Interpretation.

Als weitere Rednerin der Grünen drängte Gabriela Moser (G) auf die Beantwortung von zwei Fragen: Was ist mit den 20% zusätzlicher Zahlungen, die mit keiner Rechnung belegt sind, und warum wurde der Treuhandvertrag mündlich aufgelöst, was unüblich sei. Angesichts der langen Verfahrensdauer ortet Moser einen Vertrauensverlust in die Justiz. Auch Harald Walser (G) forderte Kickl auf, die wesentlichen Fragen zu beantworten. Walser sprach auch die Eigentümerstruktur der ideen.schmiede an, in der Kickl Anteile hatte. Mit einem Korruptionsschaden von insgesamt 15 Mrd.€ könnten die Bildungsprobleme auf einmal gelöst werden, rechnete Walser vor.

Brandstetter beruft sich auf schutzwürdige Interessen

Der Justizminister hat in seiner Beantwortung der Dringlichen Anfrage konkrete Antworten über vermeintliche FPÖ-Korruptionsaffären ausgespart. Ein Vorgehen, das von den übrigen Parteien nicht gut geheißen wurde. Brandstetter selbst begründete seine Haltung mit anhängigen Verfahren und in Anbetracht der "rechtlichen Situation". Sein Bedauern äußerte Brandstetter in diesem Zusammenhang darin, dass es den unabhängigen Weisungsrat, der für genau solche Fälle verantwortlich sein wird, erst ab 1. Jänner 2016 gibt.

Was nun die ideen.schmiede-Causa betrifft, gehe es im Ermittlungsverfahren gegen mehrere Verdächtige um Untreue. In einer Privatwohnung wurden laut Minister Rahmenverträge zwischen der Werbeagentur und der FPÖ Kärnten gefunden, nach mehreren Anklageerhebungen wurden wiederum eine Anklageschrift sowie ein Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße gegen ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen gerichtlich zurückgewiesen, so der Minister. Bei den Hauptverhandlungsterminen im August 2015 wurden zwei Personen zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt. Mehr an Details könne und dürfe er derzeit nicht sagen.

Beim Faktenkomplex "Terminal Tower" sowie Buwog richtet sich das Strafverfahren gegen insgesamt 54 Beschuldigte. Die Tatbestände reichen laut Brandstetter von Untreue bis hin zu Geldwäsche. Hinsichtlich Brehmstraße, wo es um den Verdacht von Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit der Neuunterbringung des Zollamts geht, sei die Überprüfung des Vorhabensberichts durch sein Ressort vor wenigen Tagen abgeschlossen worden. Dabei habe sich keine Notwendigkeit einer Weisung der Fachaufsicht ergeben.

FPÖ weist Vorwürfe zurück und ortet Angst der anderen Parteien vor kommenden Landtagswahlen

Die Freiheitlichen wiesen die Vorwürfe rund um eine mögliche illegale Parteienfinanzierung im Zusammenhang mit der ideen.schmiede zurück. Es handle sich um ein Polittheater, die übrigen Fraktionen hätten schlichtweg Angst vor den bevorstehenden Wahlergebnissen. Bei keinem einzigen Verfahren, das die Grünen aufgezählt hätten, sei etwas herausgekommen, wie etwa Walter Rosenkranz (F) meinte. "Das einzige Koffersystem ist, dass am Ende dieser Debatte ein Vollkoffer zurückbleibt", so der FPÖ-Abgeordnete in Richtung Pilz. Kritik äußerte er zudem gegenüber angeblichen Versuchen von anderen Fraktionen, bei der Staatsanwaltschaft in der ideen.schmiede-Causa zu intervenieren.

Auch Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Elmar Podgorschek (beide F) orteten den Grund für die Dringliche Anfrage bei der Angst der anderen Parteien vor massiven Stimmenverlusten bei den kommenden Wiener und Oberösterreichischen Landtagswahlen. Weil man der FPÖ nicht mit sachlichen Argumenten beikomme, werde man mit Schmutz beworfen, so Belakowitsch-Jenewein. Podgorschek warf den anderen Parteien vor, das Parlament mit einem Tribunal zu verwechseln, er aber habe Vertrauen in den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung. Die Grünen würden nur "vernadern" und sich als Tugendwächter sehen, konterte Podgorschek, der die Hypo als einen Bankenskandal bezeichnete.

Ähnlich Gernot Darmann (F): Ihm zufolge gibt es ein System, wonach allein die Justiz für die Verurteilung zuständig ist, und dafür stehe die FPÖ. Im zweiten System sieht sich ein Parlamentsklub und besonders Peter Pilz für die Verurteilung zuständig, wobei SPÖ, ÖVP und NEOS mitmachen. Politische Mitbewerber würden ohne Fakten und nur aufgrund einer Panik vor der Wahl beschuldigt, kritisierte Darmann und merkte an, dass in der gegenwärtigen Kärntner Landesregierung Mitglieder säßen, die als Beschuldigte in Verfahren geführt werden.   

SPÖ: Warum dauert ein Verfahren mit derartiger Beweislage so lange?

Die Faktenlage sei relativ eindeutig, meinte Johannes Jarolim (S) für die SPÖ und verwies dabei auf den bereits publizierten Rahmenvertrag zwischen ideen.schmiede und der Kärntner FPÖ, wonach bei Aufträgen von FPÖ-Landesregierungsbüros sowie ihnen angegliederten oder zuzurechnenden Gesellschaften die FPÖ 20 % des Auftragsvolumens von der Agentur gutgeschrieben bekommt. "Wir haben es hier offensichtlich mit Kickback-Zahlungen zu tun", so SPÖ-Justizsprecher Jarolim. Er selbst versteht nicht, warum das Verfahren mit einer "derartigen Beweislage" so lange dauert. Auch Kai Jan Krainer (S) ortete eine offensichtliche Parteienfinanzierung. Er wertete es zudem als bemerkenswert, dass niemand von den vier RednerInnen der Freiheitlichen etwas zu den Vorwürfen gesagt hat. Ebenso forderte Markus Vogl (S) Herbert Kickl auf, endlich Antworten zu geben und Mut zur Wahrheit zu haben. Zudem warf er ihm vor, zu politischen Inhalten vor allem in Fragen der Gesundheits- und Sozialpolitik widersprüchliche Aussagen gemacht zu haben.

In keiner Partei gibt es so viele Verdächtige und Verurteilte wie in der FPÖ, hielt Petra Bayr (S) den Freiheitlichen entgegen und zählte detailliert die Namen auf, um den "Sumpf" aufzuzeigen, in dem sich die FPÖ bewege. Als besonders verwerflich findet sie die politische Brandstiftung der FPÖ, die bei sensiblen Themen Öl ins Feuer gieße und die Menschen verunsichere. Die FPÖ betreibe Hetze gegen Flüchtlinge, ihre MandatarInnen machten aber Geschäfte mit ihnen.

ÖVP: Wo Freiheitliche das Sagen hatten, haben sie ein Desaster zurückgelassen

"Was sind die Sprüche der FPÖ von der politischen Sauberkeit wert, was haben die ÖsterreicherInnen von ihren Polemiken?", stellte Michaela Steinacker im Namen der ÖVP in den Raum. Ihre Antwort: Genau gar nichts. Denn genau dort, wo die Freiheitlichen das Sagen hatten, hätten sie ein Desaster zurückgelassen. In diesem Sinne kam auch August Wöginger (V) den Hypo-Skandal zu sprechen, für den er die FPÖ voll verantwortlich machte. Ihn störe die Doppelmoral der FPÖ, der Wechsel vom Täter in die Opferrolle. Das dürfe man nicht durchgehen lassen, so Wöginger und zitierte das Buch von Stefan Petzner "Haiders Schatten", in dem dieser von schwarzen Konten der FPÖ spricht und das Regime beschreibt, wie in der Kärntner FPÖ gearbeitet wurde.

Es sei nicht notwendig, Abgeordnetem Kickl eine Dringliche Anfrage zu widmen, während der Hypo-Untersuchungsausschuss gerade den größten Finanzskandal unter Führung der FPÖ aufrolle, qualifizierte Gabriele Tamandl (V) die Debatte über die Dringliche Anfrage. Bei der Hypo betreibe die FPÖ Kindesweglegung, stellte sie fest. 

NEOS: Schluss der illegalen Parteienfinanzierung liegt nahe

Auch für die NEOS liegt der Schluss der illegalen Parteienfinanzierung nahe, zumal es laut Beate Meinl-Reisinger (N) eine Kontinuität in der Fortführung dubioser Geldflüsse gibt. Wenn Parteiobmann Heinz Christian Strache sage, dass es keine Korruptionsfälle mehr in der FPÖ gebe, seitdem er Bundesparteiobmann ist, sei das zudem nicht richtig. Sie wolle auf keinen Fall, dass die FPÖ an die Macht kommt, bekräftigte sie und begründete dies mit dem Hinweis auf Korruption und die rechtspopulistische Ausrichtung der Partei.

Team Stronach: Parteienfinanzierung in Österreich fragwürdig

Die Dringliche Anfrage zeige, wie fragwürdig Parteienfinanzierung in Österreich aufgestellt ist, hielt Christoph Hagen aus der Sicht des Team Stronach fest. Hier sollten Gerichte entscheiden, meinte er, für den "Privatwahlkampf" der Grünen hatte er kein Verständnis.

Pilz fordert Kickl zum Rücktritt auf

Als Anfragesteller meldete sich schließlich Peter Pilz (G) zum Schluss der Debatte noch einmal zu Wort. Er hätte sich eigentlich erwartet, dass ein freiheitlicher Vertreter festgestellt hätte, die Vorwürfe seien falsch, sagte er. Niemand habe Kickl verteidigt, was eine deutliche Sprache spreche. Auch Kickl selbst habe sich nicht zu Wort gemeldet. Wenn er zu "feig oder nicht in der Lage" sei, die Fragen zu beantworten, sollte er zurücktreten, resümierte Pilz.

(Fortsetzung Nationalrat) keg/jan