Parlamentskorrespondenz Nr. 983 vom 23.09.2015

RH-Präsident Moser plädiert für ein modernes Rechnungswesen

Form der Regelung zwischen Bund und Ländern noch offen

Wien (PK) – Zu später Stunde verhandelte der Nationalrat gewichtige Finanzfragen von hoher Aktualität. Ein Bericht des Rechnungshofs über Spekulationsgeschäfte bei der Bundesfinanzierungsagentur sowie bei Ländern und Gemeinden in den Jahren von 2002 bis 2007 bildete die Grundlage einer Debatte über ein Spekulationsverbot in der Finanzverfassung und Verbesserungen im öffentlichen Risikomanagement. Ein weiterer RH-Bericht dokumentiert die mangelhafte Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarung über Haftungsobergrenzen im Stabilitätspakt 2012.

Die beiden einstimmig akzeptierten Berichte des Rechnungshofs waren nicht neu, die Themen aber politisch hochaktuell. Denn die wichtigsten Schlussfolgerungen: Spekulationsverbot, gesamtstaatliche Haftungsobergrenze und mehr Transparenz in den Finanzströmen durch Harmonisierung des Rechnungswesens bei Bund, Ländern und Gemeinden sollen demnächst realisiert werden. Inhaltlich sind Finanzminister, Rechnungshof, Ländervertreter und Abgeordnete weitgehend einig, offen ist die rechtliche Form zwischen Bund und Ländern. Gegen den Entwurf einer Voranschlags- und Rechnungslegungsverordnung (VRV), den Finanzminister Hansjörg Schelling auf Basis des Bundes-Finanzverfassungsgesetzes im vergangenen April vorgelegt hat, wenden die Länder ein, der Finanzminister dürfe nur "Form und Gliederung" der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse regeln, nicht aber inhaltlich in die Finanzautonomie der Länder eingreifen. Daher schlagen die Länder eine Bund-Länder-Vereinbarung nach Artikel 15a der Bundesverfassung vor.

Demgegenüber argumentieren Rechnungshofpräsident Josef Moser und die Abgeordneten Elmar Mayer (S), Bruno Rossmann (G), Rainer Hable (N) und Martina Schenk (T) mit dem Hinweis auf die erfahrungsgemäß mangelhafte Umsetzung von Vereinbarungen mit den Ländern und plädieren für eine neue VRV. Dafür wollen sie allenfalls auch die Finanzverfassung novellieren, um dem Finanzminister die dafür erforderliche Ermächtigung zu geben. Diese Vorgangsweise hat der Sprecher der Länder, Wolfgang Sobotka, im Budgetausschuss der letzten Woche als "Weg in den Zentralstaat" kritisiert und dabei auf das Vetorecht des Bundesrates hingewiesen.

Vor diesem Hintergrund debattierte das Plenum die im Österreichischen Stabilitätspakt 2012 vereinbarten und von den Ländern laut Rechnungshof nur mangelhaft umgesetzten Haftungsobergrenzen als Fallbeispiel. Eine einheitlichen Methode zur Ermittlung der Haftungsobergrenzen fehlte, was im Jahr 2012 zu 17 unterschiedlich berechneten Haftungsobergrenzen in Ländern und Gemeinden führte, die miteinander weder betraglich noch zeitlich vergleichbar sind, liest man im RH-Bericht, den Abgeordneter Hermann Gahr (V) ausdrücklich lobte. Daher mangle es an den Voraussetzungen für eine gesamtstaatliche Steuerung der Eventualverbindlichkeiten öffentlicher Hände in Österreich. Die Summe der Haftungsobergrenzen aller Länder betrug Ende 2012 30,614 Mrd. €, die meisten Länder hielten ihre jeweiligen Limits aber nur ein, indem sie etwa Bankhaftungen  unberücksichtigt ließen oder Haftungen nicht nach dem Nominalwert, sondern nach Gewichtung mit dem Risikowert auswiesen. Tatsächlich lagen die Haftungen der Länder Ende 2012 mit 70,411 Mrd. € mehr als doppelt so hoch wie die Haftungsobergrenzen. RH-Präsident Josef Moser verlangte "mehr Transparenz bei den öffentlichen Haftungen". Beide Berichte nahm das Plenum einstimmig zur Kenntnis.

RH-Präsident und viele Abgeordnete halten wenig von 15a-Verträgen

Angesichts der vom Rechnungshof aufgezeigten Praktiken bei der Umgehung von Haftungsobergrenzen in den Ländern zeigte sich Rainer Hable (N) entsetzt über die Tricks der Bundesländer. Als ein Lehrstück, wie man es nicht machen solle, las Bruno Rossmann (G) den Rechnungshofbericht über Erfahrungen mit Bund-Länder-Vereinbarungen für Haftungsobergrenzen in Ländern und Gemeinden. Statt einheitlich vorzugehen bildeten Länder und Gemeinden Haftungsgruppen nach uneinheitlich gewichteten Risikoklassen und umgehen so die Obergrenzen. Die Haftungsobergrenzen seien in einer Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) 2015 zu regeln, nicht in einer 15a-Vereinbarung mit den Ländern. Auch Hermann Gahr (V) und Andrea Gessl-Ranftl (S) kritisierten die mangelnde Einheitlichkeit bei der Festlegung der Haftungsobergrenzen und sprachen Sanktionen an. "Österreich braucht eine gemeinsame Vorgangsweise", sagte Gahr und begrüßte die intensiven Gespräche mit den Ländern über eine vernünftige Lösung.

Auf eine Vereinheitlichung des Haushaltsrechts drängte auch Martina Schenk (T), während Elmar Mayer (S) von negativen Erfahrungen mit der Umsetzung von 15a-Vereinbarungen auch in der Bildungs- und Sozialpolitik berichtete. Dort wie beim Haftungsrisiko mahnte Mayer  gesamtstaatliche Verantwortung ein. Auch Marianne Gusenbauer-Jäger (S) plädierte für ein transparentes Rechnungswesen bei allen Gebietskörperschaften, das auch den Gemeinden Planungssicherheit gibt.

Bund zog Konsequenzen aus RH-Kritik an riskanten Derivatgeschäften 

Der zweite RH-Prüfbericht über Schulden- und Veranlagungsinstrumenten des Bundes und ausgewählter Gebietskörperschaften ab 2007 brachte notleidende Forderungen des Bundes von 691,2 Mio. € zutage. Grund waren Veranlagungen von bis zu 10,784 Mrd. € in riskanten Wertpapieren. Die dabei festgestellten Mängel im Risikomanagement der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) seien beseitigt worden, berichteten Finanzminister Hansjörg Schelling und RH-Präsident Josef Moser im RH-Ausschuss. An dieser Stelle erinnerte Bruno Rossmann von den Grünen an großvolumige und verlustreiche Derivativgeschäfte in manchen Bundesländern und an den "Ausflug" der ÖBFA in Asset Backed Commercial Papers (ABCP) mit fatalen Folgen und hohen Verlusten. Gesetzlich sei es dem Staat seit jeher verboten gewesen, "Kassenstärker", also kurzfristige Kredite aufzunehmen und mit der Absicht zu veranlagen, Erträge zu erzielen. Daher trat Rossmann erneut dafür ein, ein Spekulationsverbot in der Verfassung zu verankern.

Seit dem RH-Bericht über Spekulationsverluste bei der ÖBFA seien Konsequenzen gezogen worden, berichteten RH-Präsident Josef Moser und Dorothea Schittenhelm (V), unter anderem durch Trennung von Treasury und Risikomanagement und die Geltung des Vier-Augen-Prinzips. Generell finanziere Österreich seine Staatsschulden langfristig. Kurzfristige Verbindlichkeiten machten nur mehr 9% der Gesamtsumme aus, was zu mehr Stabilität führe.

Rechnungshofpräsident Josef Moser erinnerte daran, dass RH-Prüfer wiederholt auf die problematische Schuldenfinanzierungsstruktur in Salzburg hingewiesen haben, wo die Risiken aus Derivatgeschäften acht Mal höher waren als beim Bund. Positiv bewertete Moser die Umsetzung der Empfehlungen auf Seiten des Bundes, etwa Änderungen bei den Regelungen für Kassenstärker zur Abdeckung kurzfristigen Geldbedarfs. Was noch fehle, seien Richtlinien für ein einheitliches Veranlagungs- und Risikomanagement. Diese sollten nicht in Form von 15a-Vereinbarungen, sondern in der VRV (Voranschlags- und Rechnungslegungsverordnung) festgeschrieben werden, sagte der Rechnungshofpräsident einmal mehr und plädierte vehement für die Einführung eines Spekulationsverbots für alle Gebietskörperschaften. Bei den Finanzierungsinstrumenten hat der Bund gehandelt, die Empfehlungen des Rechnungshofes umgesetzt und Risiken vermindert. Er hoffe, die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Gesetzgebung und Rechnungshof im Bemühen um einen sparsamen Umgang mit öffentlichen Mitteln werde fortgesetzt, schloss der Rechnungshofpräsident.  (Fortsetzung Nationalrat) fru