Parlamentskorrespondenz Nr. 1036 vom 01.10.2015

Gesundheitsausschuss diskutiert über Oppositionsanträge

Abgeordnete sorgen sich um Antibiotikaresistenzen und Infektionen durch aggressive Krankenhauskeime

Wien (PK) – Abseits des Themenkomplexes Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelkontrolle standen heute zahlreiche Oppositionsanträge zu unterschiedlichsten Fragestellungen auf der Tagesordnung des Gesundheitsausschusses. Unter anderem diskutierte der Ausschuss über den Umgang der Behörden mit Tuberkulosefällen, die zunehmende Antibiotikaresistenz, Infektionen von PatientInnen durch Krankenhauskeime, die Verabreichung von Psychopharmaka in Pflegeheimen und die Verankerung einer zahnärztlichen Untersuchung im Mutter-Kind-Pass. Außerdem machte sich die Opposition neuerlich für eine Abschaffung des Selbstbehalts bei einem Krankenhausaufenthalt von Kindern und Jugendlichen und eine Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger stark. In zwei Punkten konnte die Opposition zumindest einen Teilerfolg verbuchen, der Ausschuss fasste zu den Themen Antibiotika und Krankenhauskeime jeweils einstimmig eine Entschließung.

Konkret spricht sich der Gesundheitsausschuss dafür aus, den Antibiotika-Verbrauch in Krankenanstalten zu erheben und die Qualitätsstandards zum Umgang mit Antibiotika weiterzuentwickeln. Ziel müsse ein zielgerichteter und maßvoller Umgang mit Antibiotika sein, sind sich die Mitglieder des Gesundheitsausschusses einig. Werden Antibiotika nicht richtig eingesetzt, würden Antibiotikaresistenzen gefördert und Medikamente wirkungslos.

Die zweite Entschließung zielt darauf ab, die bestehenden Erfassungs- und Meldesysteme über in Krankenanstalten erworbene Infektionen weiterzuentwickeln und verstärkt darauf zu achten, dass bestehende Hygienestandards auch eingehalten werden. Den Abgeordneten geht es dabei vor allem auch um eine transparente Datenlage. Derzeit seien in Österreich verschiedene Überwachungssysteme implementiert, heißt es in der Begründung.

Grün-Abgeordnete Eva Mückstein begrüßte die Entschließungen ausdrücklich, wies aber darauf hin, dass ihre beiden Anträge (1330/A(E), 999/A(E)), die die Basis für die gefassten Beschlüsse bildeten und selbst abgelehnt wurden, weitergehend gewesen wären. Unter anderem vermisst sie die Forderung nach einer Finanzierung von CRP-Tests durch die Krankenkassen. Mit solchen Tests könne man rasch feststellen, ob es sich um eine Bakterien- oder eine Viruserkrankung handle und die Medikation gezielt darauf abstimmen, unterstrich sie. Was die so genannte nosokomiale Infektion von PatientInnen betrifft, sieht Mückstein große Probleme durch mangelnde Hygiene in Krankenanstalten. Ein nicht unerheblicher Teil der Infektionen könnte vermieden werden, ist sie überzeugt.

ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger hielt dazu fest, dass die Grünen in ihren Anträgen Richtiges mit Unrichtigem vermischten. So machte er geltend, dass Infektionen im Zuge von Operationen selbst bei besten Vorkehrungen nicht immer vermeidbar seien. Bei der Verschreibung von Antibiotika hält Rasinger CRP-Tests zwar für hilfreich, wesentlich sei aber, dass der Arzt zwischen einer voreiligen und einer zu späten Verschreibung einen goldenen Mittelweg finden müsse. Nichts abgewinnen kann er überdies weiteren Leitlinien für Krankenhäuser, wie sie Mückstein gefordert hatte.

Tuberkulosefälle: FPÖ vermisst umfassende Information der Bevölkerung

Keinen Handlungsbedarf sehen die Koalitionsparteien und die Grünen hingegen, was die Information der Bevölkerung über einzelne Tuberkulosefälle betrifft. FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein hatte in einem Antrag (1266/A(E)) ein Einschreiten der Gesundheitsministerin moniert, weil es ihr unverständlich ist, dass nach dem Auftreten von Tuberkulose in drei Wiener Schulen weder die Gesundheitsbehörden in Wien noch der Oberste Sanitätsrat die Notwendigkeit gesehen hatten, die drei Schulen zu nennen.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser betonte, dass das Vorgehen der Behörden und des Obersten Sanitätsrats korrekt gewesen sind. Man solle nicht Leute verunsichern, die nicht betroffen sind, sagte sie. Um sich mit offener Tuberkulose anzustecken, müsste man zumindest acht Stunden mit einer Person im gleichen Raum verbringen. Dem schloss sich auch Grün-Abgeordnete Judith Schwentner an. Sie äußerte die Vermutung, dass es der FPÖ vorrangig darum geht, bestimmte SchülerInnen bzw. bestimmte Schulen zu stigmatisieren, und wies darauf hin, dass ihrer Information nach auch die Volksanwaltschaft die Prüfung wieder zurückgezogen habe. Grundsätzlich positiv zum FPÖ-Antrag äußerte sich hingegen NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker.

Verabreichung von Psychopharmaka in Pflegeheimen

Neuerlich vertagt wurden die Beratungen über einen Forderungskatalog der Grünen, mit dem Abgeordnete Mückstein Missständen bei der Verabreichung von Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen, wie sie unter anderem von der Volksanwaltschaft aufgezeigt wurden, begegnen will (1231/A(E)). Urgiert werden unter anderem eine verpflichtende Dokumentation von Medikamentenabgaben, eine ausdrückliche Einwilligung der PatientInnen und eine spezifische Ausbildung für ÄrztInnen und Pflegepersonal.

Wenig Verständnis für den Antrag äußerten die beiden ÖVP-Abgeordneten Marcus Franz und Erwin Rasinger. Es seien die PatientInnen, die von ihm oft Schlafmittel verlangten, auch wenn diese Nebenwirkungen haben, gab Rasinger zu bedenken. Franz hält die Vorgaben für Alten- und Pflegeheime insgesamt für überreguliert und zeigte sich überzeugt, dass es in Österreich eine sehr gute Versorgung in den Pflegeheimen gebe und die Zahl der Problemfälle gering sei. Es sei "kein guter Zugang", das Pflegepersonal und die ÄrztInnen zu kriminalisieren, meinte er gegenüber den Grünen.

Sowohl Mückstein als auch ihre Fraktionskollegin Judith Schwentner beharrten jedoch auf ihrem Antrag. Es fehle valides Zahlenmaterial in Österreich, eine Studie aus Vorarlberg, bei der 48 von 50 Heimen analysiert wurden, sei aber alarmierend, hob Mückstein hervor. Demnach wurden in 70% der Fälle Psychopharmaka inadäquat verschrieben. Schwentner hält die aktuellen Zustände für untragbar und ortet einen "massiven Freiheitsentzug" durch Sedierung in vielen Fällen.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser versuchte, zwischen den beiden Positionen zu vermitteln. Man müsse das Augenmerk auf das Problem richten, räumte sie ein. Durch die restriktiven Vorgaben für das Pflegepersonal, was Freiheitsbeschränkungen betrifft, sei es für dieses aber oft extrem schwierig, die Sicherheit der BewohnerInnen zu gewährleisten, sagte sie. SPÖ-Abgeordneter Erwin Spindelberger hält einen adäquaten Betreuungsschlüssel in Pflegeheimen und die verstärkte Ausbildung von ÄrztInnen auf dem Gebiet der Geriatrie für wichtige Elemente, um dem Problem entgegenzutreten.

NEOS wollen auch zahnärztliche Untersuchung im Mutter-Kind-Pass

Keine Entscheidung traf der Gesundheitsausschuss auch über die Forderung der NEOS nach Aufnahme einer verpflichtenden zahnärztlichen Untersuchung in den Mutter-Kind-Pass (1194/A(E)). Das Problem sei, dass es sich um eine einmalige, nicht nachhaltige Untersuchung handeln würde, sagte Gesundheitsministerin Oberhauser. Zudem sei in Diskussion, ob eine solche Untersuchung im zweiten oder dritten Lebensjahr des Kindes sinnvoller wäre. ÖVP-Abgeordneter Rasinger machte geltend, dass der Kinderarzt ohnehin angeben müsse, ob er eine Untersuchung beim Zahnarzt empfohlen habe. Überdies wies er auf die Eigenverantwortung der Eltern hin.

Ausdrücklich begrüßt wurde der Vorschlag von FPÖ-Abgeordnetem Andreas Karlsböck und Grün-Abgeordneter Schwentner. NEOS-Abgeordneter Loacker geht davon aus, dass die Maßnahme lediglich Kosten von 2 Mio. € verursachen würde und damit weitaus billiger sei als die Gratis-Zahnspange.

Weiter in der Warteschleife blieb schließlich auch ein Antrag der FPÖ, der auf eine Abschaffung des Selbstbehalts bei Krankenhausaufenthalten von Kindern und Jugendlichen abzielt (900/A(E)). Wie die Abgeordneten hofft Gesundheitsministerin Oberhauser im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen endlich zu einer Lösung zu kommen. Die Länder, die den Selbstbehalt einheben, müssten das Geld von woanders her erhalten, gab Rasinger zu bedenken.

Ein Antrag der FPÖ, der auf ein Verbot des Verkaufs von Hanfsamen über Automaten (1173/A(E)) abzielt, soll an den Wirtschaftsausschuss weitergeleitet werden. Begründet wird die Forderung von der FPÖ damit, dass dadurch dem illegalen Drogenanbau und in weiterer Folge dem Drogenkonsum durch selbstgezogene Cannabispflanzen Tür und Tor geöffnet werde.

Zusammenlegung von Krankenversicherungen: NEOS für Pilotprojekt

Schließlich lehnte der Gesundheitsausschuss mit SP-VP-Mehrheit einen Antrag der NEOS (861/A(E)) zur Zusammenlegung von Krankenversicherungsträgern ab. Abgeordneter Gerald Loacker hatte vorgeschlagen, in einzelnen Bundesländern Pilotprojekte in Form der Schaffung einer einheitlichen Landeskrankenkasse für alle Versicherten des jeweiligen Bundeslands zu starten. Die derzeitige Trennung nach Berufsgruppen im Bereich der Sozialversicherung hält er für nicht mehr zeitgemäß.

SPÖ-Abgeordneter Walter Schopf verteidigte die Vielzahl der Krankenkassen. Je näher die Krankenkassen beim Menschen sind, desto besser sei es, argumentierte er. Überdies machte er geltend, dass bei den Gebietskrankenkassen 97 % der Beiträge den Versicherten zugutekommen und nur 3 % in den Verwaltungsaufwand fließen. Loacker ließ sich allerdings nicht überzeugen und meinte, es müsse der SPÖ doch zu denken geben, wenn kleine Gruppen auf eigene Kassen beharrten und sich so von der Solidargemeinschaft absentierten. (Schluss Gesundheitsausschuss) gs