Parlamentskorrespondenz Nr. 1055 vom 06.10.2015

Finanzierung und Gründergeist - Forschungsrat zeigt Mängel auf

Forschungsausschuss: Regierung hält an Innovationsstrategie fest

Wien (PK) – "Finanzierung bleibt ein Thema". Diese Worte von Hannes Androsch, Vorsitzender des österreichischen Forschungsrats, bewahrheiteten sich heute im Nationalratsausschuss für Forschung, Innovation und Technologie . Finanzierungsfragen beschäftigten die Abgeordneten besonders, sowohl hinsichtlich Grundlagenforschung als auch bei der angewandten Forschung und innovativen Start-up-Unternehmen. Die Oppositionsparteien bezweifelten vielfach, dass angesichts budgetärer Engpässe die Regierungsstrategie greift, Österreich bis 2020 in die oberste Liga bei Forschung und Innovation zu bringen.

"Wir wollen Innovation Leader werden", legte Infrastrukturminister Alois Stöger ein Bekenntnis dazu ab, besonders bei der industrialisierten Technologieforschung verstärkt Schwerpunkte zu setzen. Staatssekretär Harald Mahrer kündigte an, im Sinne des Forschungsstandorts Österreichs werde die Regierung voraussichtlich bald einen Gesetzesvorschlag zur Erleichterung privater Finanzierungen, das sogenannte  Gemeinnützigkeitspaket, vorlegen. Vom österreichischen Forschungsrat, im Ausschuss vertreten durch Androsch und die ehemalige Präsidentin des europäischen Forschungsrats Helga Nowotny, kommt wiederum der deutliche Appell, der Forschung in Österreich nicht nur mit Finanzierungssicherheit, sondern auch mit einer positiveren Einstellung zu Innovationsleistungen auf die Sprünge zu helfen. Denn, so Androsch, immer noch herrsche in Österreich eine "ausgeprägte Innovationsfeindlichkeit".

Debattengrundlage boten verschiedene Berichte zur Entwicklung der österreichischen Forschungslandschaft und ein Antrag der Grünen auf Finanzierungssicherheit bei Forschung und Entwicklung.

Forschungsrat: Innovation braucht Geld und Ermutigung

Wiederaufgenommen wurden vom Ausschuss die in der letzten Sitzung gestarteten Beratungen über den Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2015 (III-181 d.B.), der die Strategie der Bundesregierung zur Verbesserung des heimischen Innovationsniveaus beschreibt (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 622 /2015). Aus dem Bericht von Infrastrukturministerium und Wissenschaftsministerium geht hervor, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung heuer erstmals die 10 Mrd.€-Grenze überwinden dürften. Das entspräche einer Forschungsquote von 3,01% des Bruttoinlandsprodukts. Eingeräumt wird allerdings auch, internationalen Rankings zufolge habe Österreichs Innovationskraft noch Aufholbedarf.

Vor allem im Bereich der wissenschaftlichen und technologischen Leistung sei die österreichische Aufholdynamik seit 2009 ins Stocken geraten, meint dazu der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (FTE-Rat), dessen Tätigkeitsbericht 2014(III-196 d.B.) zur Umsetzung der Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) heute ebenfalls behandelt wurde. Wichtig für eine Stärkung der Innovationsfähigkeit ist neben einer kontinuierlichen Steigerung der öffentlichen Ausgaben für den Forschungssektor laut FTE-Rat die Modernisierung des Bildungssystems. Nach wie vor werde Bildung in Österreich vererbt, die tradierten Formen des Schulunterrichts könnten sozioökonomische Nachteile nicht ausgleichen.

Zur Messung der wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs erstellt der Rat für Forschung und Technologieentwicklung seit dem Vorjahr einen sogenannten Global Innovation Monitor, in dem ein Vergleich mit global führenden oder aufstrebenden Innovationsnationen gezogen wird. Grundlage der Vergleichsstudie bilden neben ökonomischen Kennzahlen wie Beschäftigungsquote oder BIP-Anteil pro Kopf auch konkret für den Forschungsbereich wichtige Angaben, etwa die Zahl an Patentanmeldungen oder die Position in internationalen Universitätsrankings. "Österreichs Forschung ist grundsätzlich nicht schlecht aufgestellt", räumte Hannes Androsch ein. Doch selbst wenn ungeachtet der flachen Wirtschaftsentwicklung die angepeilte Forschungsquote von 3% erfüllt werde, seien fraglos mehr Mittel nötig. Die Effektivität des Mitteleinsatzes ist aus Sicht des Forschungsrats ebenfalls verbesserungswürdig, auch innerhalb der Universitäten. Input und Output befänden sich in einer Schieflage, so Androsch. Im Bereich der ihm zufolge chronisch unterfinanzierten Hochschulen wünscht sich der Ratsvorsitzende zudem mehr Kooperationen in Forschungsbelangen sowie eine verstärkte Internationalisierung. Ansetzen müsse Österreich allerdings bei der Basis, den Schulen, sagte er als Initiator des Bildungsvolksbegehrens vor drei Jahren, das eine grundlegende Bildungsreform zum Ziel hatte. 

Hinsichtlich Innovationsleistung sieht der Forschungsrat Österreich derzeit im internationalen Mittelfeld, außerdem habe ganz Europa hier Aufholbedarf. Laut Helga Nowotny bewegen sich die internationalen Studierendenströme immer häufiger vorbei an Kontinentaleuropa, vor allem von Asien direkt in die USA, ging Nowotny näher auf die Ratsempfehlung zur Internationalisierung ein. Österreich partizipiere zwar an EU-Programmen zur FTI-Unterstützung wie Horizon 2020, müsse dabei aber künftig einen höheren Wettbewerb befürchten. In mehreren Ländern der EU gebe es infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise nämlich bereits deutliche Kürzungen bei Unterstützungen für die Grundlagenforschung. Diese sei hierzulande ebenso unterfinanziert, bestätigte sie Androsch, und regte an, Universitäten größere finanzielle Anreize zu bieten, auch für mehr Wettbewerb untereinander. Generell brauche Österreich mehr Durchlässigkeit zwischen angewandter Forschung und Grundlagenforschung, befand sie mit Verweist auf innovative Impulse für die Wirtschaft. Nowotny: "Geben wir der Jugend das notwendige Know-how, selbst ihre eigenen Jobs zu schaffen". Abgesehen von der Finanzierung seien ermutigende Rahmenbedingungen für ein Innovationsland entscheidend.

Regierung will Forschung und Wirtschaft einander näherbringen

Die engere Verzahnung von Wissenschaft und Arbeitsmarkt griff Infrastrukturminister Alois Stöger auf, als er seine Absichtserklärung, Österreich zum Vorreiter bei Innovation zu machen, an mehreren Beispielen konkretisierte. Mit der Initiative Industrie 4.0 treibe die Regierung die Digitalisierung im produzierenden Gewerbe voran, auf die erste Pilotfabrik – eröffnet im Vorjahr – würden drei weitere folgen. Von der Weltraumforschung über die Energie bis zur Mobilität fördere man überdies mehrere innovative Projekte: Angepeilt sei beispielsweise, Österreich zur Vorzeigeregion für alternative Energieträger zu machen und ab 2016 sollte es Teststrecken für selbstfahrende Autos geben. Der mit 100 Gemeinden erfolgreich gestartete Breitbandausbau werde in den kommenden Wochen in die nächste Runde gehen und Forschungseinrichtungen würden bei der Verbesserung ihrer technischen Ausstattung unterstützt. Mit Unternehmen sei sein Ressort übereingekommen, die Zahl an Praktikumsstellen im Technikbereich auf 3000 zu verdoppeln. Letztendlich, so Stöger, "müssen Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen", um im FTI-Bereich aufzusteigen. Derzeit würden österreichische Unternehmen häufig zu wenig Forschungsinvestitionen tätigen. Damit bestätigte er SPÖ-Mandatar Markus Vogl in dessen Annahme, ein Drittel der unternehmerischen Forschungsausgaben habe ausländischen Ursprung.

Für den Staatssekretär aus dem Wissenschaftsressort, Harald Mahrer, spielt ebenfalls die Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und Unternehmertum eine wichtige Rolle für Wachstumssteigerung. Gerade deswegen habe die Regierung im Vorjahr die Wissenstransferzentren zum optimalen Austausch von Forschungsergebnissen implementiert. Neue Perspektiven für Innovationen sollte auch die Open Innovation-Strategie liefern, die Mahrer unter Mitwirkung von ExpertInnen und Abgeordneten, wie er Eva-Maria Himmelbauer (V) zusicherte, bis Ende des Jahres ausarbeiten will. Gleichermaßen stellte er in Aussicht, bald das im Frühjahr angekündigte Gemeinnützigkeitspaket zur leichteren Generierung von Forschungs- und Bildungsmaßnahmen vorlegen zu können. Die Warnung Nowotnys vor vermehrter Konkurrenz unter den EU-Staaten um Gelder aus Horizon 2020 nehme er ernst, betonte Mahrer, Österreich sei in diesem Förderprogramm aber ganz vorne dabei, meinte er. Aus Sicht der ÖVP darf Innovationsförderung nicht auf Städte reduziert werden. Das verdeutlichte Himmelbauer mit ihrem Vorstoß für vermehrte Förderung von belebendem Gründergeist in ländlichen Regionen.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Debatte war die sogenannte Forschungsprämie, die Unternehmen für Aufwendungen in Forschung und experimentelle Entwicklung seit einigen Jahren beantragen können. Die WissenschaftssprecherInnen von Grünen und NEOS, Sigrid Maurer und Nikolaus Scherak, hinterfragten die Wirksamkeit der Forschungsfördermittel für privatwirtschaftliche Betriebe. Immerhin gehe ein Großteil dieser Mittel an Großbetriebe, beanstandete Maurer, wohingegen der Fonds für Wissenschaftliche Forschung (FWF) dramatisch unterdotiert sei. Scherak zeigte sich zwar weniger skeptisch zur Forschungsprämie, forderte aber eine Evaluierung derselben. Staatssekretär Mahrer erklärte, aufgrund der Datenlage werde die Prämie erst nach 2016 evaluiert. Ernste Zweifel an der Umsetzung der FTI-Strategie der Bundesregierung äußerten schließlich Gerhard Daimek (F) und Ulrike Weigerstorfer (T) angesichts der Finanzierungslage.

Dem FTI-Bericht der Bundesregierung stimmten bis auf die Freiheitlichen alle Fraktionen zu, den Tätigkeitsbericht des Forschungsrat nahm der Ausschuss einstimmig zur Kenntnis.

Grüne kritisieren Finanzierungslücke in der Grundlagenforschung

Eindeutig eine Finanzierungslücke bei der Forschung macht Grünen-FTI-Sprecherin Ruperta Lichtenecker aus. Schon im Vorjahr hatte sie in ihrem diesbezüglichen Antrag (338/A(E)) darauf hingewiesen, dass die Ziele der Bundesregierung zur Steigerung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2020 und insbesondere des Anteils der privatwirtschaftlichen Mittel kaum zu erreichen sind (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 335/2014). Die Grünen-Forderung nach einer detaillierten Offenlegung der FTI-Finanzierungspläne wurde aber erneut vertagt, nachdem Eva-Maria Himmelbauer festgestellt hatte, das Gesetz zur Forschungsfinanzierung sei in Vorbereitung. Dieses benötige einen längerfristigen Budgetpfad, um seine Wirksamkeit entfalten zu können.

Dazu bemerkte Nikolaus Scherak (N), er zweifle stark, ob das Ziel in der Forschungsfinanzierung, zu dem die Regierung sich verpflichtet habe, noch zu erreichen sei, die Bundesregierung sollte dies auch eingestehen. Bundesminister Alois Stöger bekräftigte auf die Nachfrage von Ausschussvorsitzender Lichtenecker, das Forschungsfinanzierungsgesetz sei in Arbeit. Ein zentraler Punkt darin werde sein, der Bundesregierung zu ermöglichen, längerfristige Verträge mit Firmen abzuschließen, was das derzeitige Haushaltsrecht nur schwer erlaube. Staatssekretär Harald Mahrer fügte hinzu, die Ermöglichung der Erschließung neuer Finanzierungsquellen aus der Privatwirtschaft sei eine komplexe legistische Aufgabe, denn es gelte, Vertrauen in die Verlässlichkeit der Gesetzgebung herzustellen, damit Firmen auch bereit sind, längerfristige Verpflichtungen einzugehen.

Biotechnologie: eine junge und wachsende Branche

Ein stark innovativer und konstant wachsender Wirtschaftszweig ist die heimische Biotechnologie. Die so genannten Life Sciences entwickeln auf der Grundlage von Zellforschung neue Verfahren und Produkte – etwa für Medizin oder Landwirtschaft. Es handelt sich um eine junge, aber äußerst erfolgsversprechende Branche, die Österreich internationales Ansehen als Life Science Standort gesichert habe, heißt es im jüngsten Bericht (III-184 d.B.) des Biopatent Monitoring Komitees. Überprüfungsgegenstand des Komitees sind vom Österreichischen Patentamt erteilte bzw. registrierte Patente und Gebrauchsmuster sowie die Auswirkungen der in heimisches Recht implementierten EU-Biotechnologie-Richtlinie in den Bereichen Menschenrechte, Tiere, Pflanzen, ökologische Systeme, Konsumentenschutz, Landwirtschaft und Interessen der Entwicklungsländer. Nach OECD-Angaben liegt Österreich bei Biotech-Patenten über dem europäischen Durchschnitt, was wiederum eine entscheidende Stärkung der biotechnologischen Industrie bedeutet.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber merkte an, das österreichische Patentgesetz stelle eindeutig fest, dass genetische Eigenschaften konventionell gezüchteter Pflanzen und Haustiere von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Zuletzt habe etwas überraschend auch der Supreme Court der USA eine solche Auffassung vertreten, während das Europäische Patentamt in dieser Frage immer noch eine unklare Haltung zeige. Pirklhuber sah hier ein Versäumnis der EU-Gesetzgebung und forderte den Minister auf, zur Klarstellung auf europäischer Ebene beizutragen. Minister Stöger bekräftigte, die österreichische Haltung zur Patentierung genetischer Eigenschaften sei eindeutig, und teilte dem Abgeordneten mit, dass die Niederlande ihre Absicht angekündigt haben, sich im Rahmen der Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2016 des Themas anzunehmen.

ÖVP-Mandatarin Himmelbauer erfuhr von Stöger zur Frage der Ratifizierung des EU-Patents, dass er bald einen Beitritt Großbritanniens und Deutschlands erwarte. Damit würden auch bald die restlichen noch fehlenden Staaten nachziehen. Eine Frage Himmelbauers nach einer geplanten Novelle des Patentrechts beantwortete der Minister mit dem Hinweis, die Novelle ziele darauf ab, das Österreichische Patentamt besser in der österreichischen Forschungslandschaft zu positionieren, damit es seine Aufgabe der Förderung von Forschung und Innovation besser wahrnehmen könne. Eine Evaluierung der internen Strukturen des Patentamts, die er angestoßen habe, stehe kurz vor dem Abschluss. Auf Basis der Abschlussberichts werde er dann mit entsprechenden Gesetzesvorschlägen an das Parlament herantreten, kündigte der Minister an.

Der Biopatent-Bericht fand mehrheitliche Zustimmung ohne die Stimmen der FPÖ. (Schluss Wissenschaftsausschuss) rei/sox