Parlamentskorrespondenz Nr. 1079 vom 14.10.2015

Universitätsgesetz eröffnet neue wissenschaftliche Karrierepfade

Zugangsregelungen der Universitäten bis 2021 verlängert, Vereinheitlichung der Studieneingangs- und Orientierungsphase

Wien (PK) – Eine substanzielle Novelle des Universitätsgesetzes 2002 (UG 2002) wurde heute vom Nationalrat mit Mehrheit verabschiedet. Wie Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner hervorhob, schafft das geänderte Universitätsgesetz die organisationsrechtlichen Voraussetzungen für ein "Tenure Track"-Modell für junge WissenschaftlerInnen an den Universitäten. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte der Novelle zu und begrüßte vor allem die durchgängigen Karriereperspektiven an den Universitäten. Gegenstimmen kamen von Seiten der Freiheitlichen und der Grünen, die aus unterschiedlichen Gründen die Maßnahmen für unzureichend halten.

Mit der Novelle werden auch die bestehenden Zugangsregeln zu einzelnen Studien bis 2021 verlängert und die Studieneingangs- und Orientierungsphasen (StEOP) vereinheitlicht. Für die Mitglieder der Universitätsräte sollen ab 2018 erweiterte Unvereinbarkeitsregeln gelten, zudem wird die Möglichkeit der Festlegung von Vergütungs-Obergrenzen geschaffen.

Durch eine Änderung des Forschungsorganisationsgesetzes werden auch das Österreichische Archäologische Institut in die Österreichische Akademie der Wissenschaften und das Institut für Österreichische Geschichtsforschung in die Universität Wien eingegliedert. Zudem wird mit der Novelle eine Forderung der NEOS umgesetzt, wonach Studierende Einsicht in die Unterlagen von Aufnahmeprüfungen erhalten. Diese Änderung wurde von allen Fraktionen begrüßt.

Erstmals meldete sich im Rahmen dieser Debatte NEOS-Abgeordnete Claudia Angela Gamon zu Wort. Sie nimmt den Platz von Beate Meinl-Reisinger ein, die anlässlich der Wiener Landtagswahl ihr Mandat zurückgelegt hat.

FPÖ kritisiert grundsätzliche Mängel der Wissenschafts- und Forschungspolitik

Axel Kassegger (F) meinte, die nunmehr getroffenen Maßnahmen hätten über Änderungen der Kollektivverträge bzw. im Rahmen der Universitäts-Autonomie besser gelöst werden können. Die FPÖ lehne die StEOP grundsätzlich als inflexibel und das Studium verzögernd ab. Die gewünschten Effekte wären anders zu erreichen, meinte er. Auch Zugangsregeln lehne seine Fraktion ebenfalls grundsätzlich ab. Sie seien kein Steuerungsinstrument und würden vor allem österreichische Studierende vom Studium abhalten. Ausländische Studierende verursachten überproportionale Kosten für das österreichische Hochschulsystem. Kassegger forderte daher Vereinbarungen über Ausgleichszahlungen oder ein System der Gebühren für ausländische Studierende. Er vermisste auch einen Hochschulplan, der klare Planungsvorgaben mache, und eine echte Studienplatzfinanzierung. Kassegger zeigte sich besorgt darüber, dass Österreich in der Innovationsdynamik immer weiter zurückfalle. Die 100 Mio. € zusätzlich, die der Finanzminister angekündigt habe, seien zu wenig. Nötig wären laut Rat für Forschung und Entwicklung 900 Mio. €, um die Fehlentwicklung umzukehren sagte Kassegger, der die Grundprobleme für Wissenschaft und Forschung in einer verfehlten Budgetpolitik und in fehlenden Strukturreformen ortete.

FPÖ-Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck vermisste eine Diskussionskultur über Hochschulthemen und sah eine weitgehende Unzufriedenheit im System. Viele MitspielerInnen seien aber nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems, sagte er. Statt an Lösungen zu arbeiten, würden sie sich oft an Nebenschauplätzen "verzetteln". Karlsböck nannte hier unter anderem die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH), die sich oft nur "spätpubertären" Aktionen widme. Statt Veränderungen einzuleiten, werde die Autonomie als Ausrede missbraucht, ebenso die komplizierten Strukturen, die EU oder das mangelnde Geld, sagte Karlsböck. Ein großes Problem sah er darin, dass der akademische Mittelbau sehr oft nur befristete Verträge und damit keine Karrieremöglichkeiten erhalte.

ÖVP: Zugangsregelungen haben sich bewährt

ÖVP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle hob aus der Novelle besonders die neuen Regelungen zugunsten des wissenschaftlichen Nachwuchses hervor. Junge WissenschaftlerInnen erhielten so die Möglichkeit, an der eigenen Universität, bei entsprechenden Leistungen und nach einer internationalen Ausschreibung eine befristete Anstellung zu erhalten. Diese Veränderung entspreche internationalen Standards und sei überfällig. Die Vereinheitlichung der StEOP sah er als weiteren positiven Effekt der Novelle. Töchterle bedauerte, dass die Zugangsbeschränkungen nicht auf weitere Fächer ausgedehnt wurden. Er sah Zugangsregelungen als unabdingbar, um bessere Bedingungen in den stark nachgefragten Fächern zu schaffen. Beatrix Karl (V) schloss sich dieser Sicht an. Die Novelle schaffe durch Neuerungen im Personal- und Organisationsrecht bessere Rahmenbedingungen für die Hochschulen, die Forschung, für das Universitätspersonal ebenso wie für die Studierenden, sagte Karl. Sie begrüßte auch die durchgängigeren Karriereperspektiven und die Lockerung der Kettenvertragsregelungen an den Universitäten.

Friedrich Ofenauer (V) sah ebenfalls eine überfällige Modernisierung der Rahmenbedingungen der Hochschulen und der Forschung durch die Novelle. Damit erhöhe sich die Planungssicherheit für Hochschulen und Studierende, meinte er. Die Zugangsbeschränkungen sind aus seiner Sicht notwendig für einen offenen, aber nicht beliebigen Studienzugang. Grundsätzlich gelte es, Begabungen zu fördern, die verbesserte StEOP solle hierzu beitragen. Auch Rouven Ertlschweiger (V) sah die Verlängerung der Zugangsregelungen positiv, da sie nachweislich die Betreuungsverhältnisse verbessern würden. Er sah auch keine negativen Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung der Studierenden.

Grüne: Diskriminierung und soziale Auslese durch Zugangsregelungen

Sigrid Maurer (G) widersprach der Auffassung, die vor allem von Seiten der ÖVP geäußert wurde, dass Zugangsbeschränkungen positive Effekte zeigten. Sie seien vielmehr willkürlich und führten eindeutig zu einer starken sozialen Selektion. Das zeige sich sehr deutlich im Medizinstudium. Die Regelung der Vergütungen für Mitglieder der Universitätsräte sei eine erste positive Reaktion auf kritische Anfragen, die sie dazu gestellt habe. Was die Gehälter der RektorenInnen der Universitäten betreffe, vermisse sie jedoch noch entsprechnde Schritte. Die Universitäten weigerten sich, finanzielle Transparenz herzustellen, sagte Maurer und forderte eine Obergrenze für die Gehälter von RektorInnen. Sie brachte einen entsprechenden Abänderungsantrag zur Novelle ein, der in der Abstimmung jedoch in der Minderheit blieb. Die Universitäten bräuchten insgesamt mehr Transparenz, denn sie seien weitgehend öffentlich finanziert und damit den SteuerzahlerInnen verpflichtet, schloss Maurer.

Birgit Schatz (G) thematisierte Probleme im Bereich der Pflichtpraktika. Eine klare Regelung müsse arbeitsrechtliche und studienrechtliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigen, konstatierte sie. Mit der Novelle des Universitätsgesetzes werde davon jedoch nichts umgesetzt, kritisierte Schatz und nannte als Beispiel das praktische klinische Jahr. Die neue Regelung setze die Verwirrung, ob es sich hier um ein Anstellungsverhältnis oder um einen Teil der Ausbildung handle, weiter fort.

SPÖ für freie Studienwahl und offenen Hochschulzugang ohne soziale Diskriminierung

SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl (S) zeigte sich erfreut darüber, dass die Novelle keine neuen Hürden für Studierende, sondern grundsätzlich Verbesserungen bringt. Die Zugangsregeln seien weiterhin befristet und würden weiter beobachtet und evaluiert. Kuntzl hielt es auch für wichtig, dass das UG nun die Forderung nach diskriminierungsfreien Aufnahmeverfahren explizit festschreibt und die Einsichtnahme in die Prüfungsunterlagen ermöglicht. Damit habe man auch auf Anregungen der Opposition reagiert. Die StEOP sah Kuntzl als sinnvolle Maßnahme, um Zugangsbeschränkungen zu vermeiden. Hier wurden die Anforderungen genauer definiert, um eine Vereinheitlichung bei gleichzeitig ausreichender Flexibilität für Institute und Universitäten zu ermöglichen. Kuntzl hob ebenfalls die verbesserten Laufbahnmöglichkeiten junger WissenschaftlerInnen positiv hervor. Zur Vergütung der Universitätsräte stellte sie fest, viele Mitglieder hätten selbst gewünscht, dass das Ministerium einen Rahmen dafür festlegt.

Philip Kucher (S) begrüßte wie Kuntzl die besseren Karrieremöglichkeiten für junge WissenschaftlerInnen und bekannte sich zum freien und offenen Hochschulzugang. Er lehnte Hürden, die vor allem Kinder aus sozial schwächeren Schichten benachteiligen, ab. Auch die StEOP sei so organisiert, dass sie nicht zu einem verdeckten Auswahlverfahrung wird. Hier habe man Anregungen der ÖH aufgenommen. Gemeinsam habe man eine tragbare Lösung gefunden, um diskriminierungsfreie Bedingungen bei den Aufnahmeprüfungen zu schaffen. Auch Harry Buchmayr (S) verwies auf die Probleme der Studierenden, die sich ihr Studium durch Arbeit finanzieren müssen. Die Novelle bringe zwar gewisse Erleichterungen, trotzdem sei weiter darauf zu achten, dass niemand aufgrund des sozialen Hintergrunds der Zugang zu einem Studium verwehrt bleibt.

NEOS fordern rasche Umsetzung der kapazitätsorientierten Studienplatzfinanzierung

Nikolaus Scherak (N) wies pauschale Kritik an der ÖH zurück und sah einige positive Schritte wie etwa die Schaffung eines Tenure Track-Modells. Leider bleibe man auf halbem Weg stehen, bedauerte er. Die Zugangsbeschränkungen müssten seiner Ansicht nach konsequenter geregelt und ausgeweitet werden. Scherak sprach das Problem der Kettenverträge an. Hier werde ein richtiger Schritt gesetzt, meinte er. Die Einsicht in Prüfungsunterlagen komme nach langer Verzögerung nun endlich doch, zeigte Scherak sich zufrieden. Ein Grundproblem der stockenden Universitätsreform sah Scherak in ideologischen Grabenkämpfen innerhalb der Koalition.

Seine neue Fraktionskollegin Claudia Angela Gamon forderte bei ihrer ersten Wortmeldung im Parlament mehr Generationengerechtigkeit und nannte die Universitäten als Beispiel für die Säumigkeit der Bundesregierung, echte Reformen einzuleiten. Die Novelle setze zwar einige richtige Schritte, diese seien aber noch zu klein. Die Entwicklung einer echten kapazitätsorientierten Studienplatzfinanzierung gehe nicht voran, dabei wäre diese eine grundlegende Voraussetzung, um zu Kostenwahrheit im System der Hochschulbildung zu gelangen.

Mitterlehner sieht erfolgreichen Interessensausgleich durch UG-Novelle

Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner stellte fest, dass die UG-Novelle 2015 grundsätzlich den schwierigen Balanceakt zwischen sehr unterschiedlichen Auffassungen von Autonomie und öffentlichen Interessen gemeistert habe. Das Gesetz schaffe neue Karriereperspektiven für UniversitätslehrerInnen durch ein Tenure Track-Modell. Damit sei die Möglichkeit vorgesehen, DozentInnen, Assistenz- und assoziierte ProfessorInnen im Rahmen eines gegenüber einer "normalen" Berufung vereinfachten Verfahrens in die Professorenkurie überzuleiten. In fünf Jahren werde man den Erfolg der Maßnahme evaluieren.

Mitterlehner verwies auch auf die Ausweitung der Unvereinbarkeitsregeln für Universitätsräte sowie die Möglichkeit zur Schaffung von Vergütungs-Obergrenzen. Populistischen Maßnahmen in der Frage der Rektorengehälter erteilte er eine Absage. Dies Frage ist nach Ansicht des Wissenschaftsministers im Rahmen der Universitätsautonomie zu regeln.

Der Wissenschaftsminister sagte, er sehe die Beibehaltung der Zugangsbeschränkungen bis 2021 positiv, da sie zu einer klaren Verbesserung der Betreuungsverhältnisse an den Universitäten geführt hätten. Dadurch sei eine Entlastung der Massenfächer eingetreten, die Verbindlichkeit der Studienwahl gestärkt und die Dropout-Rate markant gesenkt worden. Das zeige sich ganz deutlich im Medizinstudium. Mit der Änderung der StEOP werde sichergestellt, dass sie ihren angestrebten Zweck erfüllt. Pauschale Kritik an der ÖH wies Mitterlehner zurück. In der Diskussion mit allen Beteiligten sei es gelungen, zukunftsweisende Schritte zu setzen, sagte er und bat um breite Zustimmung zur Novelle. (Fortsetzung Nationalrat) sox