Parlamentskorrespondenz Nr. 1090 vom 15.10.2015

Das Budget 2016 politisch und sportlich betrachtet

Harte Auseinandersetzungen im Nationalrat bei Erster Lesung des Bundesvoranschlags 2016

Wien (PK) – Nach der gestrigen Budgetrede von Finanzminister Hans Jörg Schelling hatten heute die Abgeordneten im Nationalrat Gelegenheit, im Rahmen der Ersten Lesung ihre Einschätzungen des Budgetkurses darzulegen. Dies fiel naturgemäß sehr unterschiedlich aus. Während die MandatarInnen von SPÖ und ÖVP die Linie der Regierung unterstützten, ließ die Opposition kaum ein gutes Haar daran. SPÖ und ÖVP sprachen von einem soliden Budget- und Reformkurs, FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach sahen hingegen Stillstand und vermissten notwendige Reformen.

Gemäß dem Budgetentwurf sind für 2016 Einnahmen in der Höhe von 71,9 Mrd. € und Ausgaben in der Höhe von 77,03 Mrd. € veranschlagt. Das entspricht einem Defizit des Bundes von 1,5% des BIP. Das gesamtstaatliche Defizit, berechnet nach Maastricht-Kriterien, wird mit 1,4% prognostiziert, das strukturelle Defizit soll bei 0,5% bleiben. Damit würden auch die EU-Vorgaben erfüllt. Die Schuldenquote des Gesamtstaats sinkt geringfügig von voraussichtlich 86,5% im heurigen Jahr auf 85,1%.

Die Ausschussverhandlungen zum Budget 2016 beginnen am 16. November und sind bis Freitag, den 20. November 2015 geplant. Das Plenum des Nationalrats hat sich für die Budgetdebatte drei Tage ab dem 24. November 2015 vorgenommen. Am Donnerstag, den 26. November soll dann endgültig über die "in Zahlen gegossene Politik" abgestimmt werden. Der Bundesrat hat beim Bundesbudget kein Mitwirkungsrecht.

Schieder: Das Budget ist wie eine Bergtour

Zog gestern Finanzminister Hans Jörg Schelling bei seiner Präsentation des Budgets den Vergleich mit dem Fußball, wonach er wieder in die Champions-League aufsteigen möchte, setzte heute SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder die sportliche Betrachtung der Budgetpolitik fort und bemühte eine Bergtour als Vergleich. Dazu brauche man eine geeignete Ausrüstung, sagte er, nämlich ein gutes Sozialsystem; weiters eine gute Vorbereitung, das heiße, ein zukunftsfähiges Bildungssystem. Darüber hinaus müsse man auf äußere Einflüsse Bedacht nehmen, und das bedeute auf politischer Ebene, Zukunftsfragen und Herausforderungen zu kennen und die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. Österreich verfüge über solch eine solide Grundlage, hohe Innovationskraft und einen guten Wirtschaftsstandort, betonte er.

Es gelte nun, nicht nur den Status Quo zu halten, sondern diesen auch sozial und ökonomisch weiterzuentwickeln. Das Budget bilde eine solide Grundlage, um den Weg in die Zukunft erfolgreich zu gestalten, sagte er. Als zentrales Herzstück des Budgets 2016 sieht Schieder die Steuerreform, die eine Entlastung mit gerechter Gegenfinanzierung bringe und die notwendigen Impulse für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung schaffe. Er hob insbesondere die Investitionen in Forschung, Wohnbau, Breitbandausbau, Soziales und Kinderbetreuung hervor und wies darauf hin, dass man etwa mit "Industrie 4.0" und der Digitalisierung die Herausforderungen der Zukunft in Angriff nimmt. Forschung, Ausbildung und Produktion müssen ihm zufolge Hand in Hand gehen, um voneinander optimal profitieren zu können. Zusammenfassend hielt Schieder fest, dass die Regierung mit dem Budget 2016 einen guten Kurs einschlage und damit auch die geplante Route eingehalten wird. Die Wertschöpfung für morgen sei möglich, so der SPÖ-Klubobmann.

Lopatka: Die Richtung stimmt, es braucht mehr Tempo

Dies griff sein Pendant im ÖVP-Klub, Reinhold Lopatka, auf und stellte eingangs fest: "Die Richtung stimmt". Für Lopatka ist aber die Richtung allein nicht ausreichend, er drängte zudem darauf, dafür zu sorgen, dass auch das Tempo stimmt. Auch der ÖVP-Klubobmann lobte die Steuerreform als einen wichtigen Schritt zur Entlastung der SteuerzahlerInnen und unterstrich, dass es gelungen sei, trotz der wirtschaftlich schwierigen Situation diese Entlastung zu finanzieren und die finanzielle Lage trotzdem stabil zu halten. Dies würden auch alle Rating-Agenturen bestätigen, und ExpertInnen hätten die Steuerreform als positiv, mutig und exemplarisch bezeichnet. Das Wifo gehe davon aus, dass die Steuerreform positive Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung bringen werde. Lopatka begrüßte zudem die geplante Senkung der Lohnnebenkosten ab 2016 im Ausmaß von 1,3 Mrd. €.

Wie der Finanzminister am Vortag auch, warnte Lopatka davor, sich auszuruhen. Vielmehr müsse es das Ziel sein, Österreich dort hinzubringen wo es im Jahr 2000 gestanden ist, nämlich an die Spitze. Das erfordere eine Reformbereitschaft mit Tempo, wiederholte er mit Nachdruck und meinte damit insbesondere das Pensionssystem. Um die Brisanz deutlich zu machen, wies Lopatka darauf hin, dass der Finanzbedarf seit dem Jahr 2000 von 10 Mrd. € auf 20 Mrd. € gestiegen sei und laut Prognosen bis 2019 nochmals um 4 Mrd. € ansteigen werde. Lopatka stellte klar, dass es nicht darum gehe, in bestehende Pensionen einzugreifen, sondern darum, künftige Pensionen zu sichern, und zwar aus Verantwortung den künftigen Generationen gegenüber.

Haider: Das Budget ist wenig ambitioniert und spiegelt Reformverweigerung

Ganz anders klang die Bewertung des Budgets seitens der Opposition. Den Anfang dazu machte Roman Haider von der FPÖ. "Das Budget ist im Blindflug erstellt worden", so seine Einschätzung, es sei wenig ambitioniert und spiegle die konsequente Reformverweigerung, die die Budgetkonsolidierung unmöglich mache. Haider geißelte vor allem den "Schmäh" des strukturellen Defizits, wie er sagte, indem man einfach unvorhergesehene Ausgaben herausrechnet. Verdrängt werde dabei die enorm hohe Schuldenquote von 85%. Das tatsächliche Defizit betrage nicht 5 Mrd. € sondern 9,8 Mrd. € und das seien 2,8% des BIP. Im Vergleich dazu würden etwa Deutschland und Schweden Überschüsse erarbeiten.

Haider gab zudem zu bedenken, dass die Kosten des Migrationsstroms nicht einschätzbar seien. Außerdem fehlen ihm konkrete Vorschläge zur Gegenfinanzierung der Steuerreform, weshalb er auch starken Zweifel daran äußerte, dass diese Gegenfinanzierung auch halten werde. Er bedauerte ferner den Entschluss, die Abschaffung der kalten Progression auf 2018 zu verschieben. Es werde weiter gewurschtelt wie bisher, zulasten der hart arbeitenden SteuerzahlerInnen des Landes, so sein Resumée. Der Finanzminister habe offensichtlich den falschen Partner, nämlich die SPÖ, in der nichts weitergehe.

Glawischnig-Piesczek: Hätten uns mehr Tiefgang erwartet

Auch die Grünen vermissten  notwendige Reformen. Wie deren Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek ausführte, hätten sie sich von Finanzminister Schelling mehr Tiefgang erwartet. Die Budgetrede sei inhaltsleer und mit vielen Ankündigungen gespickt gewesen, so wie man eine solche schon oft gehört habe. Die Aussage des Ministers, jeder Tag ohne Reform sei ein verlorener Tag, hält sie für provokant, denn es gebe beispielsweise keine Pensionsreform, das Bonus-Malus-System sei abgesagt worden und für Kultur und Wissenschaft seien in Wirklichkeit weniger Mittel vorhanden. Einen solchen "Schmäh" habe Schelling nicht notwendig, schloss sich in dieser Formulierung Glawischnig-Piesczek ihrem Vorredner an.

Große Versäumnisse sah Glawischnig vor allem im Bildungsbereich, wo es nicht nur um Geld sondern vor allem auch um Qualität gehe. Die Reformkommission arbeite in einem Schneckentempo und das Bildungsbudget steuere auf eine Lücke von einer halben Milliarde Euro zu, warnte sie. In Zeiten der Wirtschaftskrise hätte man Reformen mit Nachdruck angehen müssen, so der weitere Kritikpunkt Glawischnig-Piesczeks. Sie habe auch Aussagen des Finanzministers zur Klimapolitik vermisst, obwohl man vor der alles entscheidenden Klimakonferenz in Paris stehe. Sie bedauerte daher Kürzungen in der Klimapolitik ebenso wie bei der Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit und anderer internationaler Hilfsprogramme. Hier hätten sich nach Aussagen der Grünen Klubobfrau die Flüchtlingsbewegungen leider nicht niedergeschlagen. Die Steuerreform betrachtete sie kritisch, weil man das Steuerstrukturproblem nicht angegangen sei. Es fehlten eine faire Besteuerung, ökologische Komponenten im Steuersystem und eine spürbare Senkung der Lohnnebenkosten.

Strolz: Es fehlt Verantwortung und Nachhaltigkeit

Das Problem der Bundesregierung sah NEOS-Klubobmann Matthias Strolz darin, dass Worten keine Taten folgen. Er konnte auch die Aussagen von Schelling, wonach das Budget von Verantwortung und Nachhaltigkeit geprägt sei, nicht nachvollziehen, zumal im 54. Jahr in Folge eine weitere Wucht von Schulden im Ausmaß von 5 Mrd. € in Kauf genommen werden, und das auf dem Rücken der nächsten Generationen. Dieser Rucksack werde von Jahr zu Jahr schwerer, die Jugendlichen würden kaum mehr aufstehen können, zeichnete Strolz ein düsteres Zukunftsbild.

Auch Strolz vermisste notwendige Reformschritte und machte dafür die Interessensvertretungen und Landeshauptleute verantwortlich. Der Finanzminister sage viel Richtiges, aber nichts passiere, so Strolz und nannte Schelling daher den "prominentesten Häftling der Republik". Die Sozialpartnerschaft ist ihm zufolge der größte Bremsklotz der Bundesregierung. Der NEOS-Mandatar drängte auf eine Verwaltungsreform und forderte die Regierung auf, Gegenrezepte zur hohen Arbeitslosigkeit und zum schwachen Wirtschaftswachstum zu entwickeln. Er drängte auf die Senkung der Lohnnebenkosten und ein Arbeitsmarktpaket und sprach sich mit Vehemenz dafür aus, dem Bildungsbereich die 300 bis 500 fehlenden Mio. € zur Verfügung zu stellen.

Lugar: Überschriften und keine Lösungen

"Wir haben Überschriften und keine Lösungen", übertitelte auch Robert Lugar als Klubobmann des Team Stronach seine Rede. Finanzminister Schelling sei zwar bereit, Reformen anzupacken, weil er ja die Probleme erkannt hat, diese Bereitschaft habe aber auch wieder abgenommen. Die Steuerreform bewertete Lugar nicht als Reform, sondern als eine reine Tarifsenkung, wobei den BürgerInnen 5 Mrd. € neue Schulden geschenkt worden seien. Eine Steuerreform muss man sich leisten können, so Lugar, und deshalb wären umfassende Reformen unabdingbare Voraussetzung dafür gewesen.

Für ihn ist auch die Ankündigung, 10.000 neue Wohnungen zu bauen, bei weitem nicht ausreichend, vor allem angesichts dessen, dass 40.000 Wohnungen dringend gebraucht werden und sich die Menschen das Wohnen immer weniger leisten können. Bei der Bildung und dem notwendigen Finanzierungsbedarf sieht Lugar vor allem das Problem, dass Finanzminister und Bildungsministerin verschiedenen Parteien angehören. Lugar urgierte zudem Reformen bei den Pensionen, im Gesundheitsbereich und in der Verwaltung.

Mitterlehner: Budget ist Stabilitätsanker

In seiner Reaktion auf die bisherige Debatte zeigte sich Vizekanzler Reinhold Mitterlehner enttäuscht über die, wie er sagte, mangelnde Differenzierung in der Argumentation, die auch einige Widersprüche aufgewiesen habe. Er warf der Opposition vor, einerseits ein hohes Defizit zu kritisieren, andererseits aber mehr Mittel für die verschiedensten Bereiche ohne Vorschläge zur Gegenfinanzierung einzufordern.

Mitterlehner bekräftigte seine Sicher der Dinge, indem er das Budget als einen Stabilitätsanker bezeichnete, das trotz Wirtschaftskrise und unvorhergesehener Ereignisse immer eingehalten worden sei. Die Kunst bestehe darin, Balance zu halten und einen Weg zu finden, um wieder an die Spitze zu kommen, so der Vizekanzler. Die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns habe dazu geführt, dass in Österreich Kontinuität und Stabilität aufrecht erhalten werden konnten. Mit der Steuerreform würden Wachstum und Konsum sowie Investitionen angekurbelt, zeigte er sich überzeugt, sie werde wirken und das Land nach vorne bringen. Die Gegenfinanzierung sei seriös entwickelt worden, das Defizit habe andere Ursachen als die Steuerreform, widersprach er Robert Lugar. Mitterlehner verwahrte sich auch mit Nachdruck gegen den Vorwurf der Reformunfähigkeit und wies darauf hin, dass das Pensionssystem nicht in einem Jahr reformiert werden könne.

Hundstorfer: Österreich stellt sich den Herausforderungen der Zukunft

Auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der den erkrankten Bundeskanzler vertrat, sprach von einem Budget, das in komplexen Zeiten und vor dem Hintergrund großer Herausforderungen erstellt worden sei. Trotzdem habe man es geschafft, abermals einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und zusätzliche Schritte zur weiteren Stabilisierung und gleichzeitig zur Ankurbelung der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts zu setzen. Die Folgen der Steuerreform sehe man bereits anhand der positiven Prognosen, man spare und investiere dort, wo es notwendig sei, sagte der Sozialminister. Dieser Pfad dürfe nicht verlassen werden, so Hundstorfer weiter, Österreich könne stolz darauf sein, auf das, was in der Vergangenheit erreicht wurde, auf einen Staat, der sich der Herausforderungen bewusst ist und sich diesen auch stellt.

Hundstorfer verhehlte nicht, dass die Situation am Arbeitsmarkt weiterhin angespannt bleiben werde, weshalb man Maßnahmen brauche, um die Menschen länger in Beschäftigung zu halten. Die Maßnahmen im Pensionsbereich greifen, bekräftigte er. Zudem bezeichnete er die Steuerreform als "bemerkenswertes", riesiges Projekt und verteidigte die Maßnahmen zur Eindämmung der Steuerhinterziehung im Rahmen der Gegenfinanzierung. Dieser Schritt sei wirtschaftlich und moralisch wichtig, sagte er, man müsse auch die Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes mit aller Konsequenz umsetzen. Was die Kosten für die Flüchtlinge betrifft, so habe das Budget 2016 mit Seriosität und Augenmaß Vorsorge getroffen, um die Grundversorgung, Integration und Einbindung in den Arbeitsmarkt sicherzustellen und die Hilfsorganisationen zu unterstützen. (Fortsetzung Nationalrat/Erste Lesung Budget) jan